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Rentenpunkte: Lohnt sich der Kauf im Jahr 2023?

Lesezeit: 4 min
31.05.2023 13:27  Aktualisiert: 31.05.2023 13:27
Wer vorzeitig in Rente will, kann Sonderzahlungen an die Deutsche Rentenversicherung leisten. Doch rechnet sich das?
Rentenpunkte: Lohnt sich der Kauf im Jahr 2023?
Ein Rentenpunkt kostet voraussichtlich über 8000 Euro im Jahr 2023. (Foto: iStock.com/dstaerk)
Foto: dstaerk

Immer mehr Menschen kaufen Rentenpunkte, um Rentenabschläge zu vermeiden. Waren es im Jahr 2012 knapp 1000 in ganz Deutschland, stieg die Zahl bis zum Jahr 2021 auf über 41.000 an, wie Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen. Grund dürfte nicht bloß das sinkende Rentenniveau und das steigende Renteneintrittsalter sein, sondern auch die niedrigen Kontozinsen aufgrund der lockeren EZB-Geldpolitik.

Auch der Rentenberater Andreas Irion berichtet im DWN-Gespräch, dass viele Arbeitnehmer einen Punktekauf erwägen. „Das ist derzeit die häufigste Frage in der Rentenberatung, die ein Rentenberater auch nachts um halb drei beantworten kann“, sagt der Vizepräsident des Bundesverbands der Rentenberater.

Ein Rentenpunkt bringt ab dem 1. Juli eine monatliche Rente von 37,60 Euro bis ans Lebensende (in Ost und West). Wer Rentenpunkte über Sonderzahlungen kauft, zahlt dabei ebenso viel wie ein normaler Arbeitnehmer – nämlich 18,6 Prozent des Durchschnittsentgelts, also des durchschnittlichen Lohns eines Jahres. Die Deutsche Rentenversicherung schätzt das Durchschnittsentgelt für das Jahr 2023 vorläufig auf 43.142 Euro. Demnach würde ein Rentenpunkt 8024 Euro kosten.

Was gegen den Punktekauf spricht

Irion zufolge sprechen bloß vier Gründe gegen den Punktekauf. „Man sollte es nicht machen, wenn man kein Vertrauen in die Stabilität der gesetzlichen Rente hat und nicht gut schlafen könnte“, sagt er. Wer jederzeit Zugriff auf das Geld haben wolle, vererben wolle oder etwas von Geldanlage verstehe und lieber selbst anlegen wolle, solle ebenfalls davon absehen.

Für eine Sonderzahlung würden die teils erheblichen Steuerersparnisse sprechen, erklärt Irion. Außerdem seien die Zinsen weiter relativ gering und die gesetzliche Rente biete einen gewissen Inflationsschutz. „Die Gewerkschaften setzen bei Inflation höhere Löhne durch, was wiederum die Rente steigen lässt“, erklärt der Rentenberater.

Zwar müsse man mit einem Abschlag von circa einem Prozentpunkt aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors rechnen, der das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern berücksichtigt und Rentenerhöhungen dämpft. Aber letztendlich würden die Renten in Niedrig-Inflationszeiten immer noch um 2 Prozent steigen, wenn die Löhne um 3 Prozent steigen würden, sagt Irion.

Die Lebensdauer ist entscheidend dafür, ob sich der Punktekauf lohnt. Irion zufolge braucht es 20 Jahre, damit ein Rentner seine Einzahlungen wieder über die Rente bezogen hat. „Ein Rentenpunkt kostet 18,6 Prozent des Durchschnittsentgelts – das sind derzeit 8024 Euro“, rechnet der Rentenberater vor. „Wenn man dies durch 37,60 Euro mal zwölf teilt, also den Rentenzahlungen pro Jahr, und davon noch 12 Prozent für die gesetzliche Krankenversicherung abzieht, kommt man auf 20,2 Jahre.“ Allerdings verkürze sich der Zeitraum, wenn man künftige Rentenerhöhungen und Steuervorteile einbeziehe.

Laut dem Statistischen Bundesamt leben bloß Frauen, die 65 sind, noch mehr als 20 Jahre. Diese haben im Schnitt eine Restlebenszeit von 21,1 Jahren, wie aus der Sterbetafel 2019/2021 hervorgeht. 65-jährige Männer kommen nur auf 17,8 Jahre, werden also im Schnitt 82,8 Jahre alt. Somit dürfte der Punktekauf für viele Rentner ein Verlustgeschäft sein.

Dazu kommen die relativ geringen Renditen. Die Deutsche Rentenversicherung schätzte diese im Jahr 2011 auf 2,9 Prozent für Männer und 3,5 Prozent für Frauen, die jeweils im Jahr 2020 in Rente gehen. Für Menschen mit Rentenbeginn 2030 sinken die Zugewinne auf 2,8 Prozent (Männer) und 3,3 Prozent (Frauen). Grund für die höhere Rendite der Frauen ist die höhere durchschnittliche Lebenserwartung.

Reale Rendite von 1 bis 1,5 Prozent

Nach Abzug der Inflation rentiert die gesetzliche Rente also mit 1 bis 1,5 Prozent pro Jahr. An den Kapitalmärkten war langfristig wesentlich mehr drin. Laut dem „Global Investment Returns Yearbook 2023“ stiegen globale Aktien im Schnitt um 5,0 Prozent pro Jahr nach Abzug der Inflation. Die Forscher untersuchten Daten für 35 Industrie- und Schwellenländer von 1900 bis 2022. Kapitalertragssteuern dürften langfristig etwa 0,5 Prozentpunkte der Rendite pro Jahr auffressen. Dazu kommen bei ETFs laufende Kosten (TER) von etwa 0,2 Prozent pro Jahr. Aktien rentierten also etwa dreimal so hoch wie die gesetzliche Rente.

Künftig erwarten die Forscher zwar um 1,1 Prozentpunkte geringere Aktien-Risikoprämien, weil die vergangenen 40 Börsenjahre äußerst positiv verliefen und die Renditen um den langfristigen Durchschnitt schwankten. Nach guten Jahren kommen also eher wieder schlechte. Dennoch wäre das deutlich mehr als die geschätzte Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung.

Angestellte unterliegen zudem einem Klumpenrisiko. Sie haben ohnehin einen Großteil der Altersvorsorge in der gesetzlichen Rente. Je mehr Geld sie in der Rentenkasse einzahlen, desto stärker sind sie von Negativentwicklungen betroffen.

Etwa prognostizierte der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums schockartig steigende Finanzierungsprobleme ab dem Jahr 2025. Bis zum Jahr 2040 müsste der Bund demnach 44 Prozent seiner gesamten Haushaltsgelder in die Rentenkasse pumpen, wenn die Rentenbeiträge bis dahin unter 22 Prozent bleiben (aktuell 18,6 Prozent) und das Rentenniveau über 48 Prozent verharrt (aktuell 49,4 Prozent). „Das würde den Bundeshaushalt sprengen“, erklärte der beteiligte Forscher Klaus Schmidt von der LMU München. Bereits jetzt fließt etwa ein Viertel des Bundeshaushaltes an die gesetzliche Rentenversicherung, weil die Beitragszahlungen der Erwerbstätigen bei weitem nicht reichen, um alle Renten zu bezahlen.

Dem politischen Risiko gegenüber stehen wiederum Steuerersparnisse. Diese können für Selbstständige bis zu 40 Prozent der Höhe der Sonderzahlung betragen, wie Berechnungen von Stiftung Warentest ergaben. Bei Angestellten sind demnach bis zu 30 Prozent drin. Die Steuervorteile fallen aber individuell sehr verschieden aus. Besserverdiener profitieren in der Regel mehr. Wer Genaueres wissen möchte, sollte einen Rentenberater konsultieren oder sich kostenlos bei der Deutschen Rentenversicherung beraten lassen.

Auf die Rente können Steuern anfallen, wobei diese in der Regel geringer sind als im Berufsleben. Die Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner betragen etwa 12 Prozent.

Fazit: Lohnen dürfte sich ein Punktekauf vor allem für Frauen, gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen, Arbeitnehmer kurz vor der Rente (geringeres Risiko von Rentenkürzungen und geringerer Anlagehorizont), Selbstständige (geringeres Klumpenrisiko, da kaum oder gar keine gesetzlichen Rentenansprüche) sowie Menschen mit geringer Risikotoleranz, die das Auf und Ab der Börse schlecht schlafen lässt.

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Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

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