Politik

Hat von der Leyen Bulgarien Euro- Beitritt unter „Umgehung der Regeln“ in Aussicht gestellt?

Ein angebliches Telefonat sorgt in Bulgarien für erhebliche politische Unruhe. Dabei soll EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen dem ehemaligen bulgarischen Ministerpräsidenten Petkov in Aussicht gestellt haben, dass Bulgarien Mitglied der Euro-Zone werden könne – unter „Umgehung der Regeln“.
Autor
05.06.2023 10:45
Aktualisiert: 05.06.2023 10:45
Lesezeit: 3 min
Hat von der Leyen Bulgarien Euro- Beitritt unter „Umgehung der Regeln“ in Aussicht gestellt?
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht auf einer Pressekonferenz im EU-Hauptquartier. (Foto: dpa) Foto: Virginia Mayo

Das Gespräch zwischen Kiril Petkov und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll am 21. Mai stattgefunden haben. Bulgarischen Medien zufolge ist inzwischen bestätigt worden, dass ein Gespräch zwischen den beiden stattgefunden habe, dabei sei es auch um einen Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone gegangen.

Ein vertrauliches Gespräch wird öffentlich

Über dieses Telefonat hatte Petkov bei einem Treffen mit Spitzenvertretern seiner Partei PP berichtet. Anlass des Treffens des Parteirats war die Koalitionsvereinbarung, die die PP mit der rivalisierenden Partei GERB unter dem langjährigen Ministerpräsidenten Boiko Borissov getroffen hatte. Den Inhalt der Ausführungen Petkovs hatte der PP-Abgeordnete Radostin Vasilev der Presse zugespielt, weil er damit eine Koalition mit der Partei GERB torpedieren wollte.

Die Partei GERB des langjährigen Ministerpräsidenten Borissov, ist wie die CDU, der auch von der Leyen angehört, Teil der Europäischen Volkspartei (EVP). Die Koalition mit der Partei Borissovs war und ist bis zum heutigen Tage in Teilen der PP höchst umstritten, da Borissov – einem ehemaligen Karate-Trainer und Inkasso-Eintreiber - vielfältige und äußerst enge Verbindungen in die höchsten Kreise der organisierten Kriminalität des Balkanlandes nachgesagt werden.

Petkov hat den Mitgliedern des Parteirats der PP berichtet, dass von der Leyen auf seine Frage hin, wie es um einen Beitritt zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone stünde, gesagt: „Bei Schengen haben Sie große Chancen. Für die Eurozone müssen Sie herausfinden, wie Sie die Regeln umgehen können, um in den Rahmen zu passen.“ Auf seine Nachfrage hin, so Petkov, ob man nicht die Inflation Bulgariens abzüglich eines Ukraine-Effektes berechnen könne, soll die Kommissionspräsidentin geantwortet haben: „Zitieren Sie mich nicht, wir werden versuchen, Ihnen zu helfen.“

Ein nichts dementierendes Dementi der Kommission

In einer Stellungnahme gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten bestätigt eine Sprecherin der Kommission, dass ein Gespräch zwischen von der Leyen und Petkov zu den beiden Themen Beitritt zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone stattgefunden habe. Die Stellungnahme der Kommission verweist darauf, dass „die Standpunkte der Kommissionspräsidentin zu beiden Punkten bekannt“ seien.

Wörtlich heißt es in der Erklärung gegenüber den DWN weiter: Die Präsidentin „hat erneut ihre Unterstützung für einen Schengen-Beitritt Bulgariens bekräftigt. Für einen Schengen-Beitritt gibt es einen sehr strukturierten Prozess, der für alle Länder gleichermaßen gilt. Die Kommission unterstützt dabei, die Bedingungen zu erfüllen. Es liegt auf der Hand, dass die Regeln eingehalten werden müssen.“

Bemerkenswert an dieser Stellungnahme ist, was nicht erwähnt wird. Obwohl von den DWN explizit danach gefragt wurde, geht die Sprecherin der Kommission mit keinem Wort auf die Berichte in der Presse ein, dass die Präsidentin Ursula von der Leyen Bulgarien in Aussicht gestellt haben soll, Mitglied der Euro-Zone werden zu können – und das unter „Umgehung der Regeln“.

Tatsächlich wäre ein Beitritt Bulgariens sowohl zum Schengen-Raum wie auch zur Euro-Zone höchst umstritten. Bulgarien wurde 2007 in die EU aufgenommen, obwohl es wesentliche Beitrittskriterien nie erfüllt hatte. So hat das Balkanland bis heute keine funktionierende unabhängige Justiz. Zudem leidet das Land unter einer grassierenden Korruption und unter einer organisierten Kriminalität, die weit in höchste Kreise der Politik reicht.

Und so haben einige Länder der EU – allen voran die Niederlande und Österreich – einen Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum bisher verhindert. Sollte also tatsächlich die Präsidentin der EU-Kommission einen Beitritt des Balkanlandes zum Schengen-Raum in Aussicht gestellt haben, so dürfte das weder in Den Haag noch in Wien auf Zustimmung stoßen.

Skepsis gegenüber Euro-Beitritt

Ähnlich verhält es mit einem Beitritt zur Euro-Zone: Zum einen fehlen in dem Land bis zum heutigen Tage wirksame Gesetze gegen die Geldwäsche, zum anderen bereitet die inzwischen chronische politische Instabilität erhebliche Sorgen. Die letzte Parlamentswahl im April war die fünfte innerhalb von zweieinhalb Jahren – und aus dieser Wahl ist immer noch keine neue Regierung hervorgegangen. Dazu kommt aber noch ein weiterer Umstand: Immer mehr Bulgaren selbst haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Euro-Einführung.

Das Land leidet unter einer massiven Inflation von etwa 15 Prozent. Mit Sorge haben die Bulgaren beobachtet, dass die Einführung des Euros in Kroatien für einen erheblichen Inflationsschub gesorgt hatte. Die Aussicht, zu einer sowieso schon sehr hohen Inflation noch einen weiteren Schub an Geldentwertung zu erfahren, wird in weiten Teilen der bulgarischen Bevölkerung nicht als besonders erstrebenswert empfunden. So wurde auch in jüngsten Umfragen deutlich, dass die Skepsis hinsichtlich einer Einführung des Euros zuletzt massiv im Lande gestiegen war.

Sollte also nun sich der Eindruck verfestigen, dass ausgerechnet die Präsidentin der Kommission zu einer besonders laxen Auslegung der Kriterien eines Euro-Beitritts, wenn nicht gar zu ihrer Beugung rät, dürfte das für erheblichen Unmut sorgen – in Bulgarien wie auch in den anderen Ländern der Eurozone.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie stürzt ab: Ein riskantes Spiel – warum Anleger jetzt besonders vorsichtig sein sollten
07.04.2025

Die Tesla-Aktie steht derzeit im Fokus der Börsenwelt, aber nicht aus den besten Gründen. Der Aktienkurs des Elektroautobauers hat in den...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell: Börsencrash 2025 weitet sich aus - DAX-Kurs im freien Fall
07.04.2025

Börsencrash zum Wochenstart: Der DAX-Kurs hat am Montagmorgen drastisch an Wert verloren und sackte zum Handelsbeginn um rund zehn Prozent...

DWN
Panorama
Panorama Milliardäre Forbes-Liste: Immer mehr Superreiche - wie Reiche trotz Krisen profitieren
07.04.2025

Superreiche trotz Inflation und Krisen noch reicher: Die Zahl der Superreichen ist in den vergangenen 20 Jahren steil angestiegen. Sogar...

DWN
Politik
Politik Koalitionsverhandlungen: Letzter Akt zur schwarz-roten Koalition?
07.04.2025

Wegen fallender Umfragewerte und wachsendem Unmut an der Basis gerät die Union bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD zunehmend unter...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs fällt deutlich unter 80.000-Dollar-Grenze
07.04.2025

Der Bitcoin-Kurs hat am Montag im Zuge anhaltender Unsicherheiten rund um das US-Zollpaket stark nachgegeben. Bereits am Morgen notierte...

DWN
Panorama
Panorama Blitzermarathon 2025 gestartet: Polizei nimmt bei Speedweek Temposünder ins Visier
07.04.2025

Die Polizei verschärft in dieser Woche die Geschwindigkeitsüberwachung auf deutschen Straßen, um Raser zu stoppen und die allgemeine...

DWN
Politik
Politik Koalitionspoker stockt – Union und SPD setzen auf finale Phase
07.04.2025

Ein erfolgreicher Abschluss der weiterhin schwierigen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ist trotz schrittweiser Annäherung...

DWN
Finanzen
Finanzen Markt-Signal deutet auf bevorstehende Risiken hin: Das Schlimmste könnte noch kommen
07.04.2025

Ende des letzten Jahres sorgte ein Indikator auf den Finanzmärkten für Gesprächsstoff. Damals wiesen einige Analysten auf ein Signal...