Nach Informationen des Wall Street Journal soll China bereit sein, dem chronisch devisenklammen Kuba mehrere Milliarden Dollar für die Erlaubnis zu zahlen, eine Abhörstation auf Kuba zu errichten. Beide Länder hätten inzwischen darüber eine Vereinbarung getroffen, so die dem Wall Street Journal vorliegenden Informationen. Demnach seien die US-Regierungsvertreter, die Einblick in die Geheimdienstberichte nehmen konnten, von der Richtigkeit dieser Berichte überzeugt.
Die Erkenntnisse der amerikanischen Dienste sollen brandaktuell sein und erst in den letzten Wochen zusammengetragen worden sein. Diesen Berichten zufolge hätte China die Möglichkeit, die Kommunikation bis weit in das amerikanische Festland hinein zu überwachen; diese Kommunikation würde E-Mails, Telefongespräche und Satelliten-Übertragungen beinhalten. Die US-Regierungsvertreter, mit denen das Wall Street Journal sprechen konnte, wollten sich aber der Zeitung gegenüber nicht dazu äußern, wo in Kuba genau diese Abhörstation gebaut werden soll.
Verschärfte Spannungen
Der Sprecher des amerikanischen Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte auf Medienanfragen, dass er zwar auf die jüngsten Berichte über eine Abhörstation auf Kuba nicht eingehen wolle, bekräftigte jedoch, dass die USA sehr genau alle Schritte Chinas beobachten würden. Dies gelte besonders für alle Maßnahmen Chinas, die militärischen Zwecken diesen könnten. Jedoch würden nach Einschätzungen von Militärexperten auch noch so genaue Beobachtungen kaum etwas an der Situation in Kuba selbst ändern, da es für die USA kaum Möglichkeiten gebe, den Bau einer solchen Anlage vor ihrer Haustür zu verhindern.
Die jüngsten Nachrichtendienst-Berichte kommen zu einer Zeit, in der der US-Präsident Joe Biden versucht hatte, die Spannungen zwischen beiden Ländern abzubauen, nachdem China zu Beginn des Jahres einen Spionage-Ballon auf die Reise über das amerikanische Festland geschickt hatte, der dann von der US-Luftwaffe abgeschossen wurde.
Die auf Kuba geplante chinesische Abhöranlage könnte auch einer der Gründe für die zunächst geheim gehaltene Reise des Direktors der Central Intelligence Agency (CIA), William Burns, nach China gewesen sein. Biden hatte den CIA-Direktor vergangene Woche nach Bejing entsandt. Ebenso traf sich im vergangenen Monat der Biden-Vertraute und Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, diskret mit chinesischen Vertretern in Wien. Darüber hinaus werde zurzeit auch an den Vorbereitungen für einen Besuch des amerikanischen Außenministers Anthony Blinken in China gearbeitet, dieser Besuch soll Ende des Monats stattfinden.
Chinas Selbstverständnis
Dabei sollte Blinken klar sein, dass seine chinesischen Gesprächspartner darauf hinweisen dürften, dass in ihrem Selbstverständnis der Bau einer Abhöranlage auf Kuba vollkommen gerechtfertigt sei, so lange mit Abhöreinrichtungen vollgespickte amerikanische Spionageflugzeuge über dem südchinesischen Meer kreisten. Darüber hinaus dürften die Chinesen betonen, dass die amerikanischen Waffenverkäufe an Taiwan für China eine Provokation darstellten, da China die Insel Taiwan stets als Teil ihres Landes betrachten.
Die Errichtung einer chinesischen Abhöranlage auf Kuba soll den USA signalisieren, dass „China bereit ist, dass selbe zu tun, was zuvor die USA in einer Region machen, die China selbst als seinen Hinterhof sieht“, so der amerikanische Militärexperte Craig Singleton, der für die „Foundation for Defense of Democracies“ arbeitet, einem auf Sicherheitsfragen spezialisierten Think Tank in Washington.
Eine historische Parallele
Die erneute diplomatische Zuspitzung erinnert entfernt an die Kubakrise im Oktober 1962, die wahrscheinlich die gefährlichste Krise des gesamten Kalten Krieges war. Damals hatte die Sowjetunion atomwaffenfähige Raketen auf Kuba installiert, die weite Teile des amerikanischen Südens und Ostens erreichen konnten. Nachdem zuerst wichtige Berater des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy einen präventiven Luftschlag gegen die Raketenstellungen auf Kuba empfohlen hatten, entschied sich der Präsident dafür, über der Karibikinsel Kuba eine Seeblockade zu verhängen.
Nach 13 Tagen, in den die Welt vor der Angst eines drohenden Atomkrieges den Atem anhielt, lenkte die Sowjetunion ein und zog die Raketen von Kuba ab. Später aber – und das war Teil der geheimen Verabredung zwischen den USA und der Sowjetunion – wurden im Gegenzug amerikanische Raketen abgezogen, die in der Türkei stationiert waren.
Es darf getrost davon ausgegangen werden, dass den Entscheidungsträgern in Bejing die historische Parallele und die psychologische Bedeutung, die die Kubakrise für Amerika bis zum heutigen Tag hat, sehr wohl bewusst gewesen war, als sie sich entschieden hatten, in Kuba eine Abhöranlage zu bauen. Damit wäre der jüngste Schritt Bejings als eine bewusste Entscheidung zu verstehen, die Spannungen mit den USA weiter zu befeuern.