Wirtschaft

Russlands hohe Öl-Exporte riskieren Streit mit OPEC

Russland hat eigentlich eine Drosselung seiner Rohöl-Förderung angekündigt. Doch die Exporte auf dem Seeweg sind weiter stark. Nun fordert die OPEC mehr Transparenz.
Autor
07.06.2023 17:06
Aktualisiert: 07.06.2023 17:06
Lesezeit: 4 min
Russlands hohe Öl-Exporte riskieren Streit mit OPEC
Präsident Putin. Die Ölförderung in Russland und die Kommunikation des Kremls mit der OPEC geben derzeit Rätsel auf. (Foto: dpa) Foto: Mikhail Klimentyev

Die russischen Rohöl-Exporte auf dem Seeweg halten unvermindert an. Anzeichen für die von Moskau bereits im Februar angekündigte Drosselung der Förderung um 500.000 Barrel pro Tag gibt es bisher offenbar nicht. Zudem scheinen die Sanktionen des Westens gegen Russland weiterhin nur den einen Effekt zu haben, dass Russland sein Rohöl statt nach Europa nun verstärkt nach Asien verschifft.

Der Vier-Wochen-Durchschnitt der Exporte per Schiff, der die Schwankungen der wöchentlichen Zahlen etwas ausgleicht, stieg in der Woche bis zum 4. Juni leicht auf 3,73 Millionen Barrel pro Tag an, wie Bloomberg berichtet. In der Vorwoche hatte der Wert revidiert bei 3,68 Millionen Barrel gelegen. Auch im Vergleich zum Februar, dem Ausgangsmonat für die zugesagte Produktionskürzung, sind die Exporte per Schiff gestiegen.

Die russischen Rohölexporte auf dem Seeweg in europäische Länder lagen in den vier Wochen bis zum 4. Juni im Schnitt bei 83.000 Barrel pro Tag, wobei Bulgarien hier der einzige Abnehmer war und über das Schwarze Meer beliefert wird. Noch vor einem Jahr lieferte Russland täglich etwa 1,5 Millionen Barrel Rohöl von seinen Exportterminals in der Ostsee, dem Schwarzen Meer und der Arktis nach Europa. Diese Routen werden nun nicht mehr genutzt.

Russland exportiert nach Asien statt Europa

Heute wird fast das gesamte russische Rohöl auf dem Seeweg ins ferne Asien geliefert, was deutlich teurer ist. Grob die Hälfte der russischen Rohöl-Exporte auf dem Seeweg gehen nach Indien, knapp gefolgt von China. Geringere Mengen gehen in die Türkei, nach Bulgarien und an "unbekannte Ziele". Die Erfahrung zeigt jedoch, dass letztere Exporte an "unbekannte Ziele" in der Regel auch in Indien, China oder der Türkei landen.

Die Ausfuhren in die Türkei, Russlands einzigem verbliebenen Abnehmer im Mittelmeerraum, gingen in den vier Wochen bis zum 4. Juni im Schnitt auf 230.000 Barrel pro Tag zurück. Im Oktober hatten die russischen Rohöl-Exporte in dieses Land über mehrere Wochen noch mehr als 400.000 Barrel pro Tag erreicht, bevor sie zu Beginn der Winters vorübergehend unter 100.000 Barrel pro Tag zurückgingen.

Moskau hat die anhaltend hohen Exporte auf dem Seeweg damit erklärt, dass es nun jenes Rohöl auf dem Seeweg exportiert, das zuvor über die Druschba-Pipeline nach Deutschland und Polen geleitet worden war. Doch diese Umstellung erfolgte bereits im Januar und Februar, und der Durchfluss durch die Druschba-Pipeline nach Ungarn, in die Slowakei und in die Tschechische Republik liegt seit Februar stabil bei etwa 240.000 Barrel pro Tag.

Saudi-Arabien fordert Transparenz von Russland

Moskaus Partner in der OPEC+ haben von Russland Klarheit und Transparenz in Bezug auf seine Rohölproduktion gefordert. Sie haben darauf hingewiesen, dass sich das Land verpflichtet hat, eine Neubewertung des Produktionsniveaus vom Februar durch die sekundären Quellen der OPEC zu akzeptieren. Die Schätzung dieser sieben Unternehmen beläuft sich derzeit auf 9,83 Millionen Barrel pro Tag.

"Wir hatten eine Diskussion mit der russischen Seite über ihre Verantwortung, klare und transparente Informationen zu liefern", sagte Prinz Abdulaziz bin Salman, der Energieminister von Saudi-Arabien, jüngst in einem Interview mit dem Fernsehsender Al Arabiya. "Sie haben vor einiger Zeit beschlossen, die Informationen nicht offen zu legen, und ich glaube, dass sie jetzt erkennen, dass die Nichtoffenlegung von Informationen zu Zweifeln an ihren Zahlen geführt hat."

Russland hatte im vergangenen Jahr die Veröffentlichung seiner Daten zur Ölförderung aufgrund ihrer "sensiblen" Natur eingeschränkt, was es schwierig macht, die Einhaltung der zugesagten Förderkürzungen zu beurteilen. Der Föderale Statistikdienst Russlands hat die Veröffentlichung der Rohöl- und Kondensatproduktion Anfang des Jahres per Regierungserlass bis April 2024 eingestellt.

Saudi-Arabien drosselt Förderung weiter

Aufschluss über die russische Förderung geben jedoch einerseits die Versorgung der russischen Raffinerien mit Rohöl und andererseits die russischen Rohöl-Exporte auf dem Seeweg. Laut einer am Sonntag veröffentlichten Fördertabelle von OPEC+ für das nächste Jahr arbeitet Russland derzeit mit sekundären Quellen an der Aktualisierung seiner Produktionszahlen für Februar, welche die Grundlage für die Förderkürzungen bilden.

Um die Ölmärkte zu stützen, hatte sich die OPEC+ am Sonntag darauf geeinigt, die freiwilligen Förderkürzungen, die mehrere Mitglieder zwei Monate zuvor zugesagt hatten, bis ins nächste Jahr beizubehalten. Dennoch sind die Preise weiter eingebrochen und notieren derzeit niedriger als vor der Ankündigung der Kürzungen. Daher erklärte Saudi-Arabien, der weltgrößte Exporteur, er werde ab Juli eine einseitige Kürzung um 1 Million Barrel pro Tag vornehmen.

Die OPEC+-Gruppe hat auf ihrer Sitzung am Sonntag nach siebenstündigen Gesprächen beschlossen, die Fördermenge des Blocks ab Januar 2024 für ein Jahr um weitere 1,4 Millionen Barrel pro Tag auf 40,4 Millionen Barrel pro Tag zu senken. Die OPEC teilte mit, man habe sich darauf geeinigt, die Ministertagung der OPEC+ alle sechs Monate abzuhalten. Das nächste Treffen finde am 26. November in Wien statt.

Die Organisation erdölexportierender Länder OPEC, in der Saudi-Arabien de facto führend ist, und andere Produzenten unter der Führung Russlands haben die Gruppe OPEC+ gegründet, um die Fördermengen zu koordinieren. Die OPEC+-Länder müssen ihre Förderquoten erreichen können, und die Organisation wird die Zuteilungen neu ordnen, um sicherzustellen, dass die Gruppe das pumpt, wozu sie sich verpflichtet hat, sagte bin Salman.

Russlands Einnahmen aus dem Öl-Export

Auch wenn die russischen Raffinerien ihre Rohölverarbeitung in der ersten Maihälfte gedrosselt hatten, erholte sich die Auslastung in der letzten Woche des Monats und stieg gegenüber den vorangegangenen sieben Tagen um rund 180.000 Barrel pro Tag. Trotz des Produktionsrückgangs in den russischen Raffinerien gibt es keine Anzeichen für einen entsprechenden Rückgang der Exporte von Raffinerieprodukten wie Diesel.

Russlands Einnahmen aus dem Ölgeschäft sind trotz der starken Exporte nach wie vor gedämpft. Nach Berechnungen von Bloomberg sind die Einnahmen des russischen Staates aus Ölsteuern im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 31 Prozent auf 426 Milliarden Rubel (5,2 Milliarden Dollar) gesunken. Die Einnahmen des Kremls aus Rohöl-Ausfuhrzöllen stiegen in der Woche bis zum 4. Juni im Vier-Wochen-Durchschnitt um 2 Millionen Dollar auf 52 Millionen Dollar.

In den Zahlen sind die Exporte von kasachischem KEBCO-Rohöl nicht enthalten. Dabei handelt es sich um Lieferungen von KazTransoil JSC, die durch Russland fließen und über die Ostseehäfen Ust-Luga und Novorossiysk verschifft werden. Das kasachische Rohöl wird mit Rohöl russischer Herkunft gemischt, um eine einheitliche Exportqualität zu erhalten. Das Transit-Rohöl ist von den EU-Sanktionen explizit ausgenommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...