Die Preise für europäische Erdgas-Terminkontrakte verzeichnen einen massiven Anstieg. Der Benchmark-Kontrakt beendete die Woche mit einem Plus von 35 Prozent - so viel wie seit August letzten Jahres nicht mehr, als die Energiekrise in Europa ihren bisherigen Höhepunkt erreichte. Es ist auch der erste wöchentliche Anstieg der Erdgaspreise in Europa seit März. Am Freitag sind die Preise so stark gestiegen wie seit einem Jahr nicht mehr.
Der Benchmark-Kontrakt für europäisches Erdgas TTF scheint bei 23 Euro einen Boden gefunden zu haben, nachdem hohe Lagerbestände und eine schwache industrielle Nachfrage die Preise in den letzten Monaten gedrückt hatten. Doch nun sehen die Händler plötzlich wieder Anzeichen für Versorgungsrisiken, da der globale Wettbewerb um den Brennstoff zunimmt und eine Hitzewelle in Europa den Verbrauch erhöht.
Hohe Volatilität bei den Erdgas-Preisen in Europa
Zum Wochenende notierte der Benchmark-Kontrakt daher nun wieder bei 32 Euro, nachdem er allein am Freitag mehr als 5 Euro beziehungsweise 18,6 Prozent zugelegt hat. Trotz des starken Preisanstiegs der letzten Tage handelt der Benchmark-Kontrakt TTF nun aber lediglich wieder auf dem Niveau von Mitte Mai. Ob 23 Euro tatsächlich der Boden waren, wird sich wohl erst in den kommenden Wochen zeigen.
Mehrere Produktionsausfälle wegen Wartungsarbeiten in Norwegen, dem größten europäischen Erdgasförderer, wurden verlängert, wie Bloomberg berichtet. Außerdem wird befürchtet, dass die starken Zuflüsse von verflüssigtem Erdgas (LNG), die dem Kontinent geholfen haben, sich von der Krise zu erholen, in den kommenden Monaten nach einer Phase rückläufiger Preise zurückgehen könnten.
"Die physischen Bedenken in Bezug auf LNG haben zu einem so starken Preisanstieg geführt, dass viele Händler, die Leerverkäufe auf diesem Markt getätigt haben, plötzlich zu Käufen gezwungen waren", sagt James Waddell, Leiter für europäisches Gas und globales LNG beim Beratungsunternehmen Energy Aspects. "Das hat dem TTF zusätzlichen Auftrieb gegeben."
Europa und Asien liefern sich Preiskampf um LNG
Die Sorge um das schwache Angebot fällt mit den steigenden Temperaturen im Sommer zusammen, die den Kühlbedarf in Europa und Asien erhöhen und den Wettbewerb um Flüssiggas anheizen könnten. Nach Angaben von BloombergNEF sind LNG-Lieferungen aus den USA nach Asien im Juli, August und September derzeit profitabler, als nach Europa.
Die Hitzewelle in Nordostasien in den nächsten Wochen wird auch die Nachfrage nach Kühlung ankurbeln, und es wird mehr Interesse an Ladungen von preissensiblen Käufern in der Region geben, so Waddell. "Außerdem rechnen wir in diesem Sommer mit umfangreichen Wartungsarbeiten an den LNG-Exportanlagen", sagte er.
Indes zeigt die industrielle Nachfrage nach Gas in den größten europäischen Volkswirtschaften keine Anzeichen für eine nennenswerte Erholung, obwohl die Preise gegenüber ihren Höchstständen von 2022 wieder um etwa 90 Prozent gesunken sind. Laut S&P Global Commodity Insights ist die Gasnachfrage in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und Großbritannien im Mai gegenüber dem Vorjahr um fast 10 Prozent gesunken.
Trotz des starken Preisanstiegs um mehr als 18 Prozent vom Freitag erwarten Händler und Analysten, dass die Rezession in Europa wahrscheinlich die industrielle Nachfrage weiter beeinträchtigt. Daher könnte der jüngste Preisanstieg wieder nur von kurzer Dauer sein. Schon von Anfang November bis Mitte Dezember hatte sich die TTF-Benchmark mehr als verfünffacht, bevor sie ihren Rückgang wieder mit schnellen Schritten fortsetzte.