Ursprünglich sollte Intel für sein geplantes Werk, das das Unternehmen für 17 Milliarden Euro vor den Toren Magdeburgs bauen wollte, Subventionen in Höhe von 6,8 Milliarden Euro versprochen. Doch nun hat der US-Konzern seine Forderungen weiter nach oben geschraubt und verlangt nun, aufgrund höherer Bau- und Energiekosten Subventionen in Höhe von zehn Milliarden Euro.
Strategische Investition
Unterstützt wird der Konzern dabei nicht nur von der Landesregierung von Sachsen-Anhalt unter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), sondern auch vom Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Investition, so das Habeck-Ministerium, sei für Deutschland und für Europa von strategischer Bedeutung. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner, betonte in einem Gespräch mit der Financial Times, dass es im europäischen Interesse liege, seine Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Halbleiter-Produktion zu erlangen. Nachdem der Ukrainekrieg die Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland offengelegt habe, dürfe sich Ähnliches bei Halbleitern nicht wiederholen. So würde ein Angriff Chinas auf Taiwan, wo ein erheblicher Teil der höchstentwickelten Halbleiter produziert werden, zur Folge haben, dass in Europa weite Teile der industriellen Produktion lahmgelegt würden.
Tatsächlich wird dabei oft auf die USA verwiesen, die unter Präsident Joe Biden mit erheblichen Mitteln die Produktion amerikanischer Halbleiter subventionieren. Die Stiftung Neue Verantwortung, ein Think Tank, der sich auf das Gebiet der Digitalisierung spezialisiert hat, sieht deshalb keine Alternative für Europa oder Deutschland. „Ob man will oder nicht – ohne Subventionen können wir nicht konkurrieren“, so ihr Experte für die Chipindustrie, Jan-Peter Kleinhans.
Doch inzwischen hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) klargemacht, dass er wenig Neigung habe, sich auf einen milliardenschweren Subventionswettlauf einzulassen. In einem Interview hat er unmissverständlich klargemacht, dass er den weitergehenden Subventionsforderungen von Intel äußerst kritisch gegenübersteht. Er sei dabei, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, nicht diesen auszuweiten. Der Minister bündig: „Im Haushalt ist kein Geld mehr übrig.“
Lindners Skepsis
Mit seiner kritischen Haltung steht der Bundesfinanzminister nicht allein. Lindners Skepsis wird unter Ökonomen durchaus geteilt. So hatte ausgerechnet der Chef des in Halle in Sachsen-Anhalt ansässigen Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung, Reint Gropp, den Sinn des reichen Subventionsregens bezweifelt. Es sei zu bezweifeln, ob sich diese Subventionen für das Land auszahlten, denn die Strukturen in Magdeburg seien für eine solche Investition noch gar nicht entwickelt – die Stadt verfüge nicht über einen Flughafen, ja noch nicht einmal über einen ICE-Anschluss.
Aus anderen Gründen sieht auch der Chef des angesehenen IFO-Instituts Clemens Fuest den Subventions-Wettlauf kritisch. Fuest verweist auf die Milliardenzahlungen in Dresden und im Saarland. In Dresden wird ein Werk des Chipherstellers Infineon mit mindestens einer Milliarde an öffentlichen Mitteln unterstützt. Der Bau der geplanten Fabrik des US-Herstellers Wolfspeed im saarländischen Ensdorf soll insgesamt 2,75 Milliarden Euro kosten und der Chef des Unternehmens aus North Carolina, Gregg Lowe, hat deutlich gemacht, dass er mindestens 20 Prozent der Investitionssumme an öffentlichen Mitteln erwarte. In Ensdorf baut der US-Chiproduzent Wolfspeed in Kooperation mit dem Autozulieferer ZF ein Werk zur Produktion von Chips aus Siliziumkarbid. Diese seien besonders in der Autoindustrie gefragt.
Ordnungspolitische Bedenken
All diese Summen, so Fuest, würden aber die Abhängigkeit Europas aber nicht signifikant verringern. Derzeit betrage Europas Abhängigkeit von Halbleitern aus den USA und aus Asien 90 Prozent. Das Ziel der EU sei es, bis 2030 diese Abhängigkeit um lediglich zehn Prozent zu verringern. Und auch wenn dann dieses Ziel erreicht würde, so der Ökonom Fuest, sei für Europa nicht viel gewonnen, da auch eine in Europa beheimatete Chipindustrie von Rohstoffen abhängig sei, die erst eingeführt werden müssten. Zudem sei es ordnungspolitisch höchst fragwürdig, einen Arbeitsplatz mit Steuergeldern in Höhe von einer Million Euro zu subventionieren, wie es derzeit beispielsweise in Dresden geschehe. Klüger sei es, so der IFO-Chef, mit dem Geld die Forschung in Deutschland weiterzuentwickeln.
Zudem gibt es noch einen weiteren Aspekt, der Ökonomen Bauchschmerzen verursacht. Mit Milliardensummen sollen jetzt zu einem erheblichen Teil Unternehmen gefördert werden, die ihren Konzernsitz im Ausland haben. Doch die Erfahrung lehre, dass Unternehmen in der Regel dazu neigen, im Falle einer Krise ihre Kapazitäten zuerst im Ausland herunterzufahren - und nicht in ihrem jeweiligen Heimatmarkt.