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Trotz Schulden und Dauer-Verspätungen – Bahn zahlt Millionen Boni

Was in jedem anständig geführten Betrieb undenkbar wäre, macht die im Staatsbesitz befindliche Deutsche Bahn möglich: Trotz Rekorden in Sachen Unpünktlichkeit und Zugausfällen, trotz heilloser Überschuldung, zahlt die Bahn Millionen an Boni an ihre Mitarbeiter – mit Rückendeckung der Politik.
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19.05.2023 09:15
Aktualisiert: 19.05.2023 09:15
Lesezeit: 3 min
Trotz Schulden und Dauer-Verspätungen – Bahn zahlt Millionen Boni
Die Deutsche Bahn zahlt massive Boni an ihre Manager aus, die Kunden kämpfen mit Verspätungen. (Foto: dpa) Foto: Daniel Karmann

Von dem Geldsegen, den sich die Bahn gönnte, profitierten etwa 3800 Führungskräfte des Unternehmens, die mehrere Zehntausend Euro bekamen. Immer noch satte Prämien bekamen weitere 4700 Beschäftigte, die übertariflich bezahlt werden, sowie 22.000 Bahn-Mitarbeiter, die zwar eine tarifliche Vergütung erhalten, einen Teil des Gehalts aber als variable Vergütung bekommen. Insgesamt wurden in diesem Frühjahr mehr als 100 Millionen Euro ausgezahlt.

Die Auszahlung der üppigen Boni ist umso bemerkenswerter, als die Bilanz der Bahn einigermaßen düster ist: Nur 65,2 Prozent der Halte waren im Fernverkehr pünktlich. Auch das sowieso bescheidene Ziel, dieses Jahr eine Pünktlichkeitsquote von über 70 Prozent zu erreichen, dürfte nach den Leistungen der ersten vier Monate kaum noch zu erreichen sein, so interne Analysen der Bahn. Im vergangenen Jahr waren im Fernverkehr (ICE und IC) insgesamt 4700 Züge komplett ausgefallen, im Regionalverkehr sogar 37.000. Dazu kamen 34.000 Weichenstörungen und 32.000 Störungen an Bahnübergängen. Insgesamt gab es im Kalenderjahr 2022 offiziell mehr als 80.000 Störungen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf mehrere Parlamentarische Anfragen von Abgeordneten der Linkspartei hervorgeht. Auch mit der Energiewende klappt es bei der Bahn nicht so richtig – bei der Elektrifizierung bestehender Bahnstrecken kommt die Bahn nur schleppend voran. Im vergangenen Jahr wurden lediglich 56 Kilometer neue Oberleitungen verlegt, ginge es in diesem Tempo weiter, wäre das Ziel, 75 Prozent des gesamten Schienennetzes zu elektrifizieren, erst in knapp 90 Jahren erreicht – und nicht wie ursprünglich vorgesehen schon im Jahre 2030.

Doch bei der Auszahlung der Boni spielte das bei der Bahn nicht wirklich eine Rolle. Denn die Kriterien „Pünktlichkeit“ und „Kundenzufriedenheit“ wurden bei der Berechnung der Bonizahlungen mit null Prozent bewertet. Hingegen kamen vermeintlichen Erfolgen bei der Erreichung der internen Frauenquote besondere Bedeutung zu, da diese zur Begründung der Zahlung angeführt werden. Doch nicht nur in Sachen Pünktlichkeit und Modernisierung ist die Bahn ein Sanierungsfall – sie ist es auch wirtschaftlich. Nach offiziellen Angaben ist die Deutsche Bahn mit sage und schreibe mehr als 28 Milliarden Euro verschuldet. Doch selbst diese Summe werde noch um rund sieben Milliarden Euro überschritten, wenn man die Pensionsverpflichtungen dazurechne, zu der deren Auszahlung die Bahn verpflichtet sei, wie der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), Mario Reiß, gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten erklärt.

Reiß verweist darauf, dass seiner Meinung nach das Bonus-System der Bahn „auf möglichst wenig Transparenz angelegt“ sei. Indem Kriterien wie Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit erst gar nicht bei der Auszahlung der Boni berücksichtigt worden seien, habe die Führung der Bahn zu erkennen gegeben, dass ihr „die Kundschaft letztlich egal ist“. Genauso wenig wie auf die Bedürfnisse der Bahnfahrer sei, so Reiß, auf die wirtschaftliche Situation der Bahn Rücksicht genommen worden. Denn: „Ein Unternehmen, das so heillos überschuldet ist wie die Bahn, muss sich zuallererst um eine Ergebnisverbesserung bemühen anstatt derartige Boni auszuzahlen“, so der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende gegenüber den DWN.

Das für die Bahn zuständige Bundesverkehrsministerium erklärt sich für nicht zuständig, nachdem es von den DWN zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde: Man werde diesen Vorgang nicht bewerten, so ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums gegenüber den DWN, denn, so die Begründung: „Die Auszahlung von Boni ist einzig und allein Angelegenheit des Aufsichtsrates, da die Bahn eine Aktiengesellschaft ist.“ Tatsächlich ist das allenfalls eine Schutzbehauptung – in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist trotz der Rechtsform einer Aktiengesellschaft der Bund alleiniger Eigentümer der Bahn. Zum anderen sind die zuständigen Bundesministerien auf der Arbeitgeberseite des Bahn-Aufsichtsrates prominent vertreten: Chef des Aufsichtsrates ist der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Werner Gatzer. Vom Bundeswirtschaftsministerium ist die Staatssekretärin Anja Hajduk dabei. Und das Bundesverkehrsministerium entsendet gleich zwei Vertreter in den Aufsichtsrat: nämlich ihre Staatssekretärin Susanne Henckel und den Abteilungsleiter für Bundesfernstraßen, Michael Sven Puschel. Diverse Bundestagabgeordnete vervollständigen die Runde.

Tatsächlich versucht die Bahn das Vorgehen zu begründen: So sei die Auszahlung der Boni unter anderen durch eine gute Klimabilanz zu rechtfertigen. Zudem seien in den vergangenen Jahren aufgrund der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine Abstriche gemacht worden. Außerdem, so die Bahn, gehe man „auf gesetzlicher Grundlage“ vor - „wie andere Unternehmen“ auch. Doch diese Erklärung will der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Reiß der Bahnführung und vor allem dem Aufsichtsrat nicht durchgehen lassen: „Im Aufsichtsrat sitzen Vertreter der wesentlichen Ministerien.“ Es sei seiner Meinung nach die Frage zu stellen, warum der Aufsichtsrat seiner eigentlichen Verpflichtung nicht nachkomme, für das Wohlergehen der Firma zu sorgen. „Ich kenne keine stichhaltige Begründung, warum ein Unternehmen, das alle wesentlichen Ziele verfehlt, auch noch Boni auszahlt“, so Reiß gegenüber den DWN.

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