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Intel baut Chipfabrik in Magdeburg - wichtige Fragen bleiben offen

Nach monatelangem Poker ist der Vertrag für den Bau einer neuen Chipfabrik in trockenen Tüchern. Deutschland steuert Milliarden-Subventionen bei. Das Ifo-Institut bleibt skeptisch.
19.06.2023 10:43
Aktualisiert: 19.06.2023 10:43
Lesezeit: 2 min
Intel baut Chipfabrik in Magdeburg - wichtige Fragen bleiben offen
Ein Wissenschaftler in einem Reinraum zur Herstellung von Halbleiterstrukturen. (Foto: dpa) Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Nach monatelangem Poker ist der Vertrag für den Bau einer neuen Chipfabrik Intel in Magdeburg in trockenen Tüchern. Die Bundesregierung lud am Montag zu einem Fototermin anlässlich der Unterzeichnung einer Vereinbarung im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Intel-Chef Pat Gelsinger ein. Weitere Details wurden nicht genannt.

Bis zuletzt war um die Höhe der Subventionen für dieses Projekt gerungen worden. Intel hatte auf gestiegene Kosten verwiesen. Einem Bericht der Agentur Bloomberg zufolge wurde die Fördersumme wie zuletzt diskutiert auf zehn Milliarden Euro aufgestockt, obwohl sich Bundesfinanzminister Christian Lindner dagegen gesträubt hatte. Ursprünglich hatte der Bund 6,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Von der Regierung gab es zunächst keine Bestätigung des Subventionsvolumens.

Unklar blieb auch, ob Intel ebenfalls mehr Geld in die Hand nimmt. Mit den Verhandlungen vertraute Personen hatten dies unter Hinweis auf EU-beihilferechtliche Fragen zuvor ins Gespräch gebracht. Ursprünglich waren für das Projekt insgesamt 17 Milliarden Euro veranschlagt worden. Bloomberg berichtete unter Berufung auf mit den Plänen Vertraute, Intel werde nun 30 Milliarden Euro investieren.

Ifo ist skeptisch

Ifo-Präsident Clemens Fuest hält die milliardenschweren Subventionen für die Ansiedlung einer Fabrik des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg für "fragwürdig". "Lieferrisiken gibt es bei vielen Produkten, das gehört zum normalen Geschäftsleben", sagte der Chef des Münchner Instituts am Montag der Nachrichtenagentur Reuters angesichts der Halbleiteroffensive der EU, die damit die Abhängigkeit von Lieferungen aus Asien und den USA verringern will. "Absicherung dagegen ist primär Aufgabe der Unternehmen, nicht des Staates." Die im Raum stehende Fördersumme von bis zu zehn Milliarden Euro sei eine sehr hohe Versicherungsprämie. Zudem gebe es Alternativen zu heimischer Produktion wie etwa Diversifizierung der Lieferanten, Lagerhaltung und Recycling. "Darüber hinaus ist nicht klar, was eigentlich genau in Magdeburg produziert wird, ob es die Chips sind, die Deutschland oder Europa brauchen, und an wen diese Chips im Krisenfall geliefert werden", kritisierte Fuest.

Hinzu komme, dass die als extrem energieintensiv geltenden Chipfabriken durch den geplanten Industriestrompreis zusätzlich subventioniert werden sollen. "Im Übrigen passt die Neuansiedlung derartig energieintensiver Firmen nicht zu anderen Maßnahmen wie etwa der Deckelung des Energieverbrauchs durch das Energieeffizienzgesetz", sagte der Ökonom. "Zumindest sollte man darauf bestehen, dass in erheblichem Umfang Forschung und Entwicklung in Magdeburg angesiedelt werden." Wegen der positiven Wirkung auf andere Unternehmen und Akteure, zum Beispiel durch Wissensübertragungen, ließen sich Subventionen dann eher rechtfertigen.

Der US-Chipkonzern ist weltweit auf Expansionskurs: In den vergangenen Tagen hatte Intel den Bau eines 25 Milliarden Dollar schweren Werks in Israel angekündigt. "Das ist die größte Investition, die jemals ein internationales Unternehmen in Israel getätigt hat", sagte Benjamin Netanjahu, der Ministerpräsident des Landes. Rund 4,6 Milliarden Dollar will Intel außerdem in Polen investieren: In Breslau soll ein Werk zum Test und zur Montage von Prozessoren entstehen.

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