Die weltweite Agrarwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Während der Klimawandel in nördlichen Regionen wie Russland die Hoffnung weckt, größere Ländereien bewirten zu können, wächst in weiten Teilen der Welt die Sorge vor Bodenerosionen, Ernteausfällen und neuartigen Krankheiten auf dem Feld. Zudem zeigt die kritische Versorgungslage im Nahen Osten und Afrika, dass die Abhängigkeit landwirtschaftlich unterentwickelter Länder von der Ukraine, Russland und anderen Staaten bei weitem zu hoch ist.
Dabei werden zurzeit moderne Technologien entwickelt, die Versorgungsengpässe beenden und armen Ländern den Wandel von Agrar- zu modernen Industriegesellschaften ermöglichen könnten. Selbstpflanzende Samen, die per Drohne abgeworfen werden können, Augmented Reality Applikationen, die Hydraten, Gesundheit und Wachstumsstand einer Pflanze ermitteln können oder vertikale Farmen, die den Wasserverbrauch bei gleichem Ertrag massiv senken, gehören etwa dazu. Das Internet of Things (IoT) wird hier eine besondere Funktion einnehmen, wenn ungelernte Feldarbeiter etwa per Smartphone-Kamera den genauen Zustand ihrer Pflanzen erfahren können.
Gentechnik gegen den Klimawandel
Doch neben den technologischen zählen auch biologische Errungenschaften zu den spannendsten Trends der modernen Landwirtschaft. Die Züchtung resistenter und ertragreicher Pflanzen mit hohem Nährstoffanteil stellt eine besonders wirksame Methode zur Erneuerung der Landwirtschaft dar. So bauen immer mehr europäische Winzer die Rebe „Solaris“ an, die deutlich robuster als der traditionelle Riesling ist, und Länder wie Argentinien pflanzen neue Weizensorten wie „HB4“ an, die große Erträge auf trockenen Böden liefern sollen.
Diese Projekte sind im Kern nicht neu. Die meisten Weizensorten, die heute als naturbelassen verkauft werden, entstanden aus jahrhundertelangen Züchtungen und wurden von Menschen kultiviert, um ihnen einen größtmöglichen Ertrag zu bieten. Doch die Grüne Revolution, welche die Landwirtschaft weltweit seit den 1940er Jahren verändert, schuf im Westen eine Innovationsfeindlichkeit, die den modernen Technologien gefährlich werden könnte.
Wohlstand für (fast) alle: Die Grüne Revolution
In den 1960er Jahren waren viele Länder noch deutlich ruraler geprägt als heute. Die ökologische Landwirtschaft war in weiten Teilen der Welt höchst ineffizient und reichte gerade dazu aus, um kleine Bevölkerungen zu versorgen. Mit der Einführung von günstigen Medikamenten konnte die Kindersterblichkeit in Asien und Afrika sukzessiv gesenkt werden, was wiederum zu einem sprunghaften Bevölkerungsanstieg führte.
Im Zuge der Entwicklung ertragreicher und resistenter Getreidesorten, der Professionalisierung der Landwirtschaft mittels Staffelungen von Ernten und einem verstärkten Einsatz von Pestiziden und schließlich Gentechnik gelang es, binnen weniger Jahrzehnte die Erträge massiv zu steigern und die wachsenden Bevölkerungen nachhaltig zu versorgen. So wurden nicht nur Kindersterblichkeit und Mangelernährung erfolgreich bekämpft, sondern auch die Grundlage für weiteres wirtschaftliches Wachstum gelegt. Länder wie China und Indien stiegen so binnen eines halben Jahrhunderts von bäuerlichen Staaten zu führenden Wirtschaftsnationen auf.
Durch einen massiven Pestizideinsatz und rapide Vergrößerungen der Anbauflächen riefen solche Projekte allerdings auch Umweltschäden hervor, die von Kritikern als integraler Bestandteil einer grünen Revolution erkannt werden. So fordern vornehmlich europäische Kritiker eine Grüne Renaissance statt einer Grünen Revolution, die die Kleinbauern schützt und weniger auf technische Errungenschaften als auf Beratungen und finanzielle Zugeständnisse setzt.
Korruption und grüne Ideologie hemmen das Wachstum
Ein Kontinent, der lange von den großen Erfolgen der Grünen Revolution ausgenommen war, ist Afrika. So haben massive Entwicklungshilfen nicht den erhofften Wandel gebracht und versickern in korrupten Strukturen lokaler Machthaber, anstatt den Menschen vor Ort zu helfen. Bei der Unterstützung von neuen Technologien und insbesondere Gentechnik heißt es, diese seien umweltschädlich und ungesund, sodass eine Diskussion über diese Technologien meist im Kein erstickt wird.
Doch heute rückt Afrika in den Fokus der Weltgemeinschaft, als wachsender, junger und vielversprechender Kontinent. Und Afrikas Potenzial, mit seinen riesigen Landflächen die ganze Welt zu ernähren, ist riesig, so der Präsident der African Development Bank Group, Akinwumu A. Adesina. Adesina sieht das Momentum gekommen, in dem Afrika mittels moderner Technologie von Lebensmittellieferungen autark werden und gigantische Fortschritte machen könnte. Neue Weizen- und Maisvarianten könnten durch ihre Hitze- und Dürretoleranz weitflächig angebaut werden und Millionen von Menschen versorgen. Äthiopien, gegenwärtig Anwärter der BRICS-Gemeinschaft, sei mittlerweile schon zum Selbstversorger in der Weizenproduktion aufgestiegen. Der Kontinent müsse nun selbst massiv in Straßensysteme und eine verarbeitende Infrastruktur investieren, um sich von ausländischen Importen unabhängig zu machen und den Klimawandel zu überstehen.
Adesinas Forderungen klingen wie das Gegenmodell grüner Ideologie. Neue Technologie wird als Chance, der Klimawandel als Herausforderung und Autarkie als Ziel definiert. Über Kleinbauern und die Romantik archaischer Anbaumethoden verliert der Präsident kein Wort.
Afrika auf Augenhöhe — die Angst des Westens?
Kluge Investitionen und Technologieoffenheit für eine neue Grüne Revolution könnten Afrika und agrarisch geprägten Ländern weltweit den Weg zum Wohlstand ebnen. Das würde allerdings auch bedeuten, mit den Lieferanten wichtigster Rohstoffe für grüne Energien auf Augenhöhe verhandeln zu müssen. Es wäre höchst verwerflich und tragisch, wenn Europa seine Entwicklungshilfe nicht optimieren und durch echte Veränderungsbestrebungen ersetzen würde, nur um die Instabilität afrikanischer Länder für eine bessere Verhandlungsposition auszunutzen. In dem Fall dürfte der Machtzuwachs der Schutzpatronen China und Russland in Afrika noch schneller vonstattengehen. Und dann helfen auch keine romantischen Verklärungen über Afrikas Kleinbauern mehr.