Mit dem Näherrücken des Termins zur Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 Mitte April diesen Jahres dürfte es wohl sogar dem ein oder anderen dafür verantwortlichen Minister mulmig geworden sein, wenn auch nur inoffiziell und bei ungewohnt neutraler Betrachtung der Sachlage. Dass der Verzicht auf verlässliche Stromerzeugung, insbesondere in Zeiten einer veritablen Energiekrise, so konsequent (oder: rücksichtslos) durchgesetzt wird – wohlgemerkt, ohne entsprechende Alternativen für gleichwertigen Ersatz in der Hinterhand zu haben – hat jedoch enorme Symbolkraft.
Sollte bis dahin noch jemand Zweifel gehegt haben, ob es die aktuelle Regierungskoalition mit dem Beschreiten neuer Wege in Sachen Energieerzeugung ernst meint, dürften diese damit endgültig ausgeräumt worden sein. Dass man damit an der falschen Stelle, sprich mit dem Verzicht auf eine nahezu CO2-freie Erzeugungsart begonnen hat und nun stattdessen (übergangsweise…) pro Jahr 15 Mio. Tonnen dieses Treibhausgases mehr in die Erdatmosphäre bläst, ergibt zwar keinen Sinn, passt jedoch zur Ideologie. Endgültigen Ersatz sollen Windkraft und Photovoltaik liefern, ganz im Sinne eines vollkommen elektrifizierten Landes.
Die Grundstoffversorgung ist unser Problem
Um diesem Ziel zumindest näher zu kommen, braucht es vor allem eines: Batteriemetalle, und diese in enormer Menge. Neben den Problemen, die mit der Förderung speziell dieser Rohstoffe einhergehen, die schwere Umweltbelastungen, dramatische gesellschaftliche Auswirkungen und menschliche Dramen beinhalten, und über die wir hier, in der sogenannten „Ersten Welt“ gerne hinwegsehen, ist es vor allem die bereits jetzt knappe oder zukünftig sinkende Verfügbarkeit dieser Rohstoffe, die uns Sorge bereitet.
34 Mineralien listet die EU aktuell mit dem Zusatz „kritisch“, die meisten davon tragen dieses Prädikat auf Grund ihrer Rolle beim Aufbau einer kohlenstoffemissionsfreien Infrastruktur. Zwar sind viele dieser Metalle weltweit in großen Mengen vorhanden, die Crux aber ist – neben der oftmals sehr kostenintensiven und komplexen Fördertechnik selbst – deren örtliche Konzentration. Damit verbunden ist der Umstand, dass dieser Sektor von nur wenigen Ländern dominiert wird. Und unglücklicherweise besteht zu einigen dieser immer wichtiger werdenden Lieferanten eine eher fragile gegenseitige Vertrauensbasis.
So dominiert insbesondere China bei vielen dieser Grundstoffe die gesamte Wertschöpfungskette und vereint mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion von Batteriemetallen wie Lithium, Kobalt und Mangan auf sich, bei den sogenannten Seltenen Erden ist die Dominanz noch weitaus höher. Selbst bei weniger seltenen Metallen wie Kupfer haben die Prognosen eines massiven Nachfragewachstums zu der Sorge geführt, dass möglicherweise nicht genug für alle da ist. Anfang dieses Jahres stufte die EU erstmals Kupfer und Nickel als kritische Rohstoffe ein, obwohl es auf der ganzen Welt genügend befreundete Förderländer gibt, es mangelt hier schlicht an Lagerstätten.
Deutschland legt Geld zur Seite
Es liegt klar auf der Hand, dass der vor allem in den USA und Europa vorangetriebene grüne und digitale Wandel zur einer explodierenden Nachfrage nach den dafür notwendigen Mineralien führen wird. Die allein daraus erwachsenden Schwierigkeiten werden durch vor allem Chinas Dominanz erheblich verstärkt, wodurch eine Verringerung dieser Abhängigkeit durch eine Diversifizierung der Lieferketten und eine engere Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern erreicht werden muss.
So legte die Europäische Kommission In ihrem im März veröffentlichten Gesetz über kritische Rohstoffe fest, dass die Mitgliedstaaten bis 2030 10 Prozent der von der EU benötigten kritischen Rohstoffe im eigenen Land gewinnen und mindestens die Hälfte davon auch dort verarbeiten sollen. Auch das Ziel für die Steigerung der Recyclingkapazitäten wurde von bisher 15 Prozent auf 20 Prozent angehoben
Deutschland, als anerkannte moralische Speerspitze im Kampf gegen jegliches Unbill in der Welt, zieht auch in dieser Schlacht sein schärfstes Schwert: Geld! Die Pläne Berlins zur Verringerung unserer Rohstoffabhängigkeit von China drehen sich um die Errichtung eines eigenen staatlichen Fonds, der zweckgebunden Gelder bereitstellen soll, um den Abbau jener Rohstoffe zu unterstützen, die für die Beschleunigung von Energiewende und Elektrifizierung hierzulande besonders von Bedeutung sind.
Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll sich auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an entsprechenden Bergbauprojekten beteiligen. Die dafür ursprünglich vorgesehenen Mittel von zwei Milliarden Euro stehen Habeck zwar nicht mehr zur Verfügung, was Christian Lindners Sparplänen für den 2024er Bundeshaushalt geschuldet ist. Dieser sieht im Jahresvergleich sinkende Ausgaben um 30 Milliarden Euro vor, wovon auch, und zudem in ganz erheblichem Maße, das Wirtschaftsministerium betroffen ist.
Es bleiben somit gut eine Milliarde Euro, die mehr Unabhängigkeit bei den „Rohstoffen des grünen Wandels“ sicherstellen sollen. Habeck argumentiert diesbezüglich auch mit Blick auf die europäischen Nachbarn. Frankreich und Italien nutzen bereits ähnliche Finanzierungsinstrumente, Deutschland müsse aufholen, damit heimische Unternehmen nicht gegenüber anderen benachteiligt würden. In trockenen Tüchern ist der Plan allerdings noch nicht. Habeck zufolge habe das Wirtschaftsministerium das Konzept zwar fertig, jedoch fehle es noch an einer endgültigen Abstimmung mit anderen betroffenen Ministerien.
Nur ein Tropfen auf den heißen Stein
Eine Milliarde Euro ist eine gigantische Summe. Zumindest im Allgemeinen. In der Welt der Rohstoffe, speziell des Bergbaus, jedoch eher nicht. Kupfer beispielsweise ist unabdingbar für den Ausbau der hierzulande enorm populären Windkraft. Inklusive der dafür benötigten Infrastruktur stecken im Durchschnitt allein 30 Tonnen dieses Metalls in einer einzigen der heute üblichen Anlagen. Wollte man die kompletten Mittel des Fonds einzig und allein für die Beschaffung von Kupfer verwenden, könnte man zu aktuellen Preisen (um 7.600 Euro pro Tonne) gut 132.000 Tonnen beschaffen, was für 4.400 Windkraftanlagen reicht.
Ist das viel? Dazu kurz folgende Relation: eben jene im April ausgemusterten deutschen Atomkraftwerke produzierten pro Jahr rund 33,7 TWh Strom. Eine Windkraftanlage schafft im Schnitt, über On- und Offshore gerechnet, etwa 4,5 GWh. Mit anderen Worten: die Leistung der drei Kraftwerke könnte durch etwa 7.500 Windräder ersetzt werden. Jedoch wissen wir aus Erfahrung, dass der Wind nicht rund um die Uhr in ausreichendem Maße weht. Beispielsweise ließ sich im windschwächsten Monat des vergangenen Jahres nur gut 54 Prozent der durchschnittlichen Leistung erzielen. Berücksichtigt man dies unter der optimierten Annahme, dass der Wind dann zwar weniger weht, aber immerhin weht, wären Sicherheitshalber etwa 13.900 neue Windkraftanlagen nötig.
Nun kommt jedoch erschwerend hinzu, das der Strombedarf aller Voraussicht nach nicht stagniert. Prognosen sehen bis 2030 einen Mehrbedarf von 200 TWh an „grünem Strom“, was zu einem ebensolchen Mehrbedarf an Windkraftanlagen führen wird. Nach Adam Riese um weitere 44.400 Stück. Selbstverständlich wird nicht der komplette Strom per Windkraft erzeugt werden, auch andere alternative Energiequellen sollen ihren Beitrag leisten. Aber selbst unter der Annahme, dass nur die Hälfte per Windkraft produziert wird, wären immer noch 36.100 Anlagen nötig.
Mehr Schein als Sein
Auch wenn diese Rechnung möglicherweise im Sinne des Verfassers leicht idealisiert ist, die Relationen werden deutlich, und die Antwort auf eingangs gestellte Frage „ist das viel?“ lässt sich erahnen. Zudem geht es nicht nur um Kupfer, und angesichts der zwangsläufig erwartbaren Nachfragesteigerung nach sämtlichen für den Dekarbonisierungsprozess notwendigen Metallen, sind sektorweit erhebliche Preissteigerungen zu erwarten.
Darüber hinaus, und das ist entscheidend, sind die Mittel des Fonds nicht für den simplen Metalleinkauf gedacht, sondern sollen Unternehmen zugutekommen, die diese Rohstoffe fördern und verarbeiten. Es ist natürlich ein guter und sehr zu befürwortender Ansatz, die Versorgung mit derart wichtigen Güter in die eigenen Hände nehmen zu wollen. Unabhängigkeit ist wichtig.
Die dafür mit großen Worten freigegebenen Mittel sind jedoch geringer als sie scheinen, insbesondere, da Bergbau ein extrem teures, komplexes und langwieriges Betätigungsfeld ist, welches zudem von wenigen, in diesem Metier sehr erfahrenen, Ländern dominiert wird und in dem Deutschland bislang überhaupt keine Rolle spielt. Einige wenige Unternehmen werden selbstverständlich davon profitieren, es steht jedoch zu befürchten, dass das angepeilte Ziel nicht mittels Portokasse zu erreichen sein wird.