Frankreich wurde nach dem Tod eines nordafrikanischen Jugendlichen durch die Waffe eines Polizisten von heftigen Krawallen erschüttert. Während die Administration die Unruhen relativierte, wuchs die Empörung in Osteuropa. Brüssel sei der größte Verursacher von Menschenhandel und Unruhen durch immigrierte Parallelgesellschaften, heißt es etwa von Außenminister Szijjártó aus Ungarn. Der Zwist zwischen Europas Westen und Osten könnte zu einem regelrechten Bruch in der Gemeinschaft der EU-Staaten führen, aber auch zu einem Umdenken westeuropäischer Politiker.
Brüssel: Verursacher von Menschenhandel und Krawallen?
Brennende Autos, verletzte Polizisten und Demonstranten — die Bilder aus etlichen französischen Städten sorgten europaweit für Unbehagen. Zwar ist Frankreichs Bevölkerung für ihren Hang zu Protest und Demonstration bekannt, an Phänomene wie die Krawalle der Gelbwesten oder die Unruhen Frankreichs von 2005 haben sich mittlerweile auch westliche Beobachter gewöhnt.
Doch in jenem Tage, in denen die EU ihre Migrationspolitik diskutiert, macht sich ein tiefer Graben zwischen den westlichen und östlichen Mitgliedsstaaten der EU bemerkbar. Ein neuer Migrationspakt der EU wird von Polen und Ungarn abgelehnt, denn es sei eben jene Migrationspolitik, die zu dem Entstehen von Parallelgesellschaften, Menschenhandel und letztlich Krawallen führe. Ungarns Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó bezeichnete die Integrationsbemühungen in Westeuropa als klar „gescheitert“, es sei unmöglich, derart große Gruppen von Migranten, wie sie die EU derzeit einwandern lassen wolle, zu integrieren. Er bezog sich dabei auf die ethnische Herkunft der Unruhestifter in Frankreich, die in vielen Fällen aus Afrika und Arabien stammten und die einheimische Bevölkerung terrorisierten. Es würde keine Tragödie ausreichen, um die Potentaten Brüssels zur Vernunft zu bringen.
Nicht nur Terror und Krawalle, auch Menschenhandel stehe in enger Verbindung zu Brüssels Politik. Die Quotierungen der EU zur Aufnahme von Migranten in durch alle EU-Staaten sei letztlich ein Anreiz, der das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler stärke, konstatierte der Politiker. Noch klarer formulierte es Ministerpräsident Orbán in Wien: Brüssel wolle in Ungarn Gettos für Migranten errichten. „Das können wir nicht zulassen! Die illegale Migration muss gestoppt, unsere Grenzen geschützt werden“, so der Minister.
Migration als Wundermittel: Ein Rezept des Westens
Ist es überhaupt alternativlos oder gar verantwortungsvoll, einen vermeintlichen Fachkräftemangel mit ungeregelter Migration zu beantworten? Tatsächlich stellt sich diese Frage in ganz Europa, sodass in vielen Staaten ein Wandel der Mentalität und manchmal auch der Zerfall politischer Strukturen beobachtet werden kann. Brüssel scheint fraglos von dem Immigrationskonzept der modernen USA überzeugt zu sein. Menschen seien gleich, junge Migranten brächten mehr Schwung in die Wirtschaft und retteten ihr Gastland vor der Vergreisung. Osteuropa und immer mehr Stimmen auch im Westen orientieren sich allerdings am südostasiatischen Beispiel. Länder wie Japan, China und Südkorea favorisieren keine Migration, sie wollen lieber bestehende Arbeitskräfte mobilisieren und mit technologischen Innovationen Arbeitsprozesse rationalisieren.
In Europa wird der gesellschaftliche Wandel immer deutlicher sichtbar. Einige Menschen begrüßen die Diversifizierung der Gesellschaft, andere lehnen sie ab. So brüsten sich Länder Osteuropas, insbesondere der Visegrád-Gruppe, die alten europäischen Werte zu schützen, während diese von Brüssel und Berlin diskreditiert würden. Und es ist offensichtlich, dass Unruhen wie jene in Frankreich nicht in Polen auftreten, dass es in Ungarn keine Krawalle in Freibädern gibt und im Baltikum kein Silvesterfest in massenhafte sexuelle Übergriffe unter den Augen der Polizei mündet.
Westeuropa zwischen Wandel und Zerfall
Szijjártó und Orbán wissen deshalb, dass sie mit ihren Äußerungen, die auch in Deutschland aufmerksam verfolgt werden, den Finger in die Wunde legen. Jüngste Krawalle in Deutschlands Freibädern, vorrangig von jungen Männern mit Migrationshintergrund verübt, führen zu mehr Migrationsskepsis vonseiten der Bevölkerung. Und es stellt sich die Frage, „drohen französische Verhältnisse auch in Deutschland", dem wohl einwanderungsfreundlichsten Mitgliedsstaat der EU?
Während deutsche Politiker wie Friedrich Merz nur zaghaft Kritik äußern und sich eher für mehr Polizeikräfte in Freibädern stark machen, fordern andere politische Instanzen Westeuropas eine härtere Gangart in der Migrationsdebatte. Das traditionell einwanderungsfreundliche Skandinavien fällt immer öfter durch seine Restriktionen in der Einwanderungspolitik auf, allen voran Dänemark und Schweden, welches durch Gangkonflikte in Städten wie Göteborg und Stockholm von seiner liberalen Haltung abgewichen ist und nun eher einen finnischen Weg favorisiert. Spanien erlebt einen Höhenflug seiner rechten Vox-Partei und Giorgia Meloni ist trotz ihrer Konzessionen gegenüber Brüssel eine der wichtigsten Kritikerinnen der ungezügelten Migration. Länder Westeuropas tun sich schwer mit solchen Kurswechseln, so zerbrach kürzlich die niederländische Regierung am Streit um die Neuausrichtung der Asylpolitik.
Auch Partner wie Österreich und Serbien stellen sich an die Seite Ungarns und fordern ein Ende der irregulären Einwanderung nach Europa. Diese ungewohnten Allianzen sollten in Brüssel nicht unbeachtet bleiben. Es wäre fahrlässig, jeder Stimme, die Brüssels Entscheidungen kritisiert, als kurzsichtig, nicht hilfreich oder gar als rassistisch zu brandmarken. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union im Jahr 2016 war auch infolge der ungeregelten Migration nach der spontanen Grenzöffnung durch Berlin demokratisch beschlossen worden. Denn die Mitgliedschaft in der EU ist nicht alternativlos, und der Zusammenhalt der Gemeinschaft gilt heute als besonders fragil.