Politik

USA unter Druck: Arabische Staaten verlieren Geduld mit Israel

Lesezeit: 4 min
30.07.2023 13:06  Aktualisiert: 30.07.2023 13:06
Seit Israel eine härtere Linie gegenüber Palästina verfolgt, wächst in den arabischen Staaten der Frust über den einst von Trump vermittelten Friedensprozess. Dies ist ein Problem für Washington.

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Drei Jahre nach dem historischen unter US-Präsident von Donald Trump ausgehandelten Abraham-Friedensabkommen zwischen Israel den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain nehmen die Spannungen zwischen drei Staaten wieder zu. Dies ist ein Rückschlag für die Bemühungen der USA um eine Fortsetzung der Integration zwischen Israel und den anderen Ländern im Nahen Osten, insbesondere der Großmacht Saudi-Arabien.

US-Präsident Joe Biden hatte am Freitag erklärt, möglicherweise sei eine Annäherung im Gange. Doch die Regierung in Riad besteht bislang darauf, dass Forderungen der Palästinenser erfüllt werden, bevor formelle Beziehungen zu Israel aufgenommen werden. Seit Antritt der neuen nationalistisch-religiösen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben die Spannungen im besetzten Westjordanland zugenommen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain haben bei hochrangigen Kontakten mit Israel ihre Enttäuschung über das Ergebnis der Friedensvereinbarungen von 2020 zum Ausdruck gebracht, wie Bloomberg mit Verweis auf Insider berichtet. Grund sei vor allem auf Israels Umgang mit den Palästinensern, darunter eine tödliche Razzia in einem Flüchtlingslager in der Stadt Dschenin und hetzerische Kommentare einiger israelischer Kabinettsmitglieder.

Saudi-Arabien zeigt Washington kalte Schulter

Die USA haben den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ermutigt, auf Israel zuzugehen. Doch der De-facto-Herrscher leitete stattdessen im März unter Vermittlung Chinas eine Normalisierung der Beziehungen zu Israels Erzfeind Iran ein. Saudi-Arabien hatte die Beziehungen 2016 gekappt, nachdem die Botschaft des Königreichs im Iran wegen der Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien gestürmt worden war.

Doch die jüngste Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran könnte das Ende für das Abraham-Abkommen bedeuten. "Israel wollte es als anti-iranische Achse", zitiert Bloomberg Aziz Alghashian, einen in Riad ansässigen Analyst, der die saudische Politik gegenüber Israel untersucht. "Die Region bewegt sich jetzt in eine andere Richtung" - also weg von dem Friedensabkommen des Jahres 2020.

Saudi-Arabien hat öffentlich erklärt, dass ein unabhängiger palästinensischer Staat eine Vorbedingung für die Anerkennung Israels als Verbündeter ist. Während der Verhandlungen hat Saudi-Arabien von den USA zudem feste Verteidigungsgarantien gefordert sowie Zugang zu erstklassigen US-Waffen und grünes Licht für sein Atomprogramm, einschließlich der Urananreicherung im eigenen Land.

Auch der Vorsitzende des Außen- und Verteidigungsausschusses in der Knesset und wichtiges Mitglied der Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu, Yuli Edelstein, hat Hoffnungen auf eine rasche Annäherung an Saudi-Arabien gedämpft. "Es ist noch zu früh, um von einem bevorstehenden Abkommen zu sprechen", sagte er am Sonntag im israelischen Armeerundfunk. Netanjahu stellte unterdessen eine Eisenbahnverbindung zwischen Israel und Saudi-Arabien in Aussicht.

VAE und Bahrain stehen unter Druck

Die jüngste israelische Regierung von Ministerpräsident Netanjahu unterstützt weitere jüdische Siedlungen im besetzten Westjordanland und enthält Mitglieder wie den Finanzminister Bezalel Smotrich, der im März erklärte, dass es "so etwas wie ein palästinensisches Volk nicht gibt". In der Folge sind die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain wegen ihres Abkommens mit Israel in der arabischen Öffentlichkeit unter Druck geraten.

Der Druck wurde durch die jüngste Offensive im Westjordanland noch verschärft, die sich nach israelischen Angaben gegen Militante richtete und deren Waffen zerstören sollte. Die Vereinigten Arabischen Emirate verurteilten die Operation, bei der zwölf Palästinenser und ein israelischer Soldat ums Leben kamen sowie die Äußerungen von Israels Finanzminister Smotrich.

Marokko, das etwa zur gleichen Zeit wie die VAE und Bahrain diplomatische Beziehungen zu Israel aufnahm, verschob im Juni ein arabisch-israelisches Treffen, um gegen Israels Pläne zum Ausbau seiner Siedlungen zu protestieren. Später erklärte das nordafrikanische Königreich, Israel unterstütze nun seinen Wunsch, die Westsahara zu kontrollieren, was die Lage verbessern könnte. Daraufhin teilte Netanjahus Büro mit, er sei nach Marokko eingeladen worden.

Nachdem die VAE einen bilateralen Besuch Netanjahus monatelang hinausgezögert hatten, luden sie den israelischen Staatschef lediglich zur internationalen Veranstaltung COP28-Klimakonferenz ein, die im Herbst in Dubai stattfinden wird. Netanjahus Schritte sind auch für die USA frustrierend. Seit seiner Rückkehr an die Macht Ende letzten Jahres wurde er noch nicht nach Washington eingeladen, obwohl Präsident Biden angedeutet hat, dies irgendwann zu tun.

Israel setzt auf seine wirtschaftliche Attraktivität

Dennoch wachsen die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die bilateralen Handelsströme, die sich vor 2020 lediglich auf einige 10 Millionen Dollar beliefen, erreichten im vergangenen Jahr ein Volumen von 2,6 Milliarden Dollar, womit die VAE zum 16. größten Handelspartner Israels wurden. Nach israelischen Schätzungen wird dieser Wert in diesem Jahr auf 3 Milliarden Dollar ansteigen.

Seit der Aufnahme der Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben mehr als eine Million Israelis die VAE besucht, obwohl nur wenige Emiratis in die andere Richtung gereist sind. "Die arabischen Länder, die diese Abkommen unterzeichnet haben, haben ein klares wirtschaftliches Interesse daran, die Beziehungen fortzusetzen", sagt Mairav Zonszein, Israel-Analyst bei der International Crisis Group, die sich mit der Verhütung von Konflikten befasst.

Um den Wandel zu demonstrieren, wurde im Februar neben einer katholischen Kirche und einer Moschee auch eine Synagoge in Abu Dhabi eröffnet. Laut Oberrabbiner Levi Duchman leben heute 7.000 Juden in den VAE. Das sind zehnmal so viele wie noch im Jahr 2014. "Dies ist erst der Anfang. Die Menschen wollen hierher ziehen, weil es eine außergewöhnliche Gelegenheit gibt, in einem Land zu leben, in dem es Sicherheit und Lebensqualität gibt."

Israel hofft, dass seine wirtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten auch andere arabische Länder dazu ermutigen, das Land anzuerkennen. Die VAE sind der Ansicht, dass das Abraham-Abkommen trotz aller Enttäuschungen ein Erfolg war und dass diplomatische Beziehungen zu Israel dazu beitragen können, ihre Bedenken auszuräumen, sagte ein Insider zu Bloomberg, der mit den Überlegungen in Abu Dhabi vertraut ist.

Ein weiterer wunder Punkt ist, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Gespräche über den Kauf moderner F-35-Kampfflugzeuge von den USA Ende 2021 ausgesetzt haben, nachdem Washington darauf bestanden hat, einen Vertrag mit dem chinesischen Unternehmen Huawei über 5G-Mobilfunktechnologie zu kündigen. Die Waffen wurden den VAE versprochen, als sie der Aufnahme von Beziehungen zu Israel zustimmten.

Laut dem saudischen Analysten Alghashian hat Saudi-Arabien die Erfahrungen der Vereinigten Arabischen Emirate mit dem Abraham-Abkommen genau beobachtet. "Es hat die Grenzen der Zusammenarbeit mit Israel erkannt", zitiert ihn Bloomberg. Auch die Hinwendung Saudi-Arabiens und der VAE nach China stellt die USA vor ein Problem. Denn beiden Staaten haben Interesse an einem Beitritt zum BRICS-Bündnis bekundet.


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