Finanzen

Index Hugging: Wenn der aktive Fonds tatsächlich ein ETF ist

Beim Index Hugging gibt ein Fondsmanager aktives Handeln vor, obwohl er bloß einen Index nachahmt. Laut Schätzungen könnte eine hohe Zahl von aktiven Fonds betroffen sein. Was können Anleger tun?
Autor
03.08.2023 09:34
Aktualisiert: 03.08.2023 09:34
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Index Hugging: Wenn der aktive Fonds tatsächlich ein ETF ist
Kritiker sehen in Index Hugging eine Irreführung der Verbraucher. (Foto: iStock.com/Sakorn Sukkasemsakorn) Foto: Sakorn Sukkasemsakorn

Finanzaufsichtsbehörden beschäftigten sich bereits mehrfach mit „Index Hugging“, auch „Closet Indexing“ genannt. Dabei bezeichnet eine Fondsgesellschaft einen Fonds als aktiv verwaltet, „obwohl dieser sehr eng an eine Benchmark angelehnt ist und damit eine eher passive Anlagestrategie verfolgt“, schreibt die Bafin.

Kritiker sehen darin eine Irreführung des Verbrauchers. Dieser erhalte falsche oder irreführende Informationen. Außerdem rechne die Kapitalverwaltungsgesellschaft überhöhte Gebühren ab, die nicht dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand entsprechen.

Beobachter halten Index Hugging für relativ verbreitet. Laut einer Schätzung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA könnten 5 bis 15 Prozent aller EU-Aktien-Publikumsfonds betroffen sein.

Index Hugging ist „unethisch“

Markus Schuller vom Finanzdienstleister Panthera Solutions vermutet sogar einen höheren Anteil an Closet Indexern als die ESMA. Er verweist gegenüber DWN auf eine Untersuchung des US-Finanzinformationsdienstleisters Peer Analytics, laut der über ein Drittel aller US-Aktienfonds Closet Indexers sein könnten.

Schuller hält Closet Indexing für „unethisch“. Mit dem Kunden werde ein klassisches Spiel nach der „Greater Fool Theory“ betrieben. Es werde also etwas Dummes hergestellt in der Hoffnung, jemand sei noch dümmer und kaufe es einem ab.

Der Portfoliomanager Andreas Beck von Index Capital ist hingegen etwas nuancierter. Die Datenlage, wie verbreitet Index Hugging sei, sei nicht so eindeutig. „Viele Indizes kann man gar nicht passiv abbilden“, erklärt Beck gegenüber DWN. „Hinter vielen sogenannten passiven Indexfonds liegt ein komplexes aktives Management, welches die Ähnlichkeit zum Index klein zu halten versucht.“ Der Unterschied aktiv versus passiv sei Vergangenheit.

Entscheidend sei letztlich, ob die Kosten angemessen seien. „Die Kosten bei ETF sind niedriger als bei den meisten klassischen Investmentfonds, da letztere in der Regel hohe Bestandsprovisionen an Vertriebe zahlen.“

Unethisch sei es, damit zu werben, man kaufe „unterbewertete Qualitätsaktien“ oder man sammle Gewinne ein und vermeide Verluste. Das seien mehr oder weniger Standardwerbesprüche. „Das weckt dann unerfüllbare Erwartungen beim Kunden. Das ist unethisch, egal ob das Portfolio in der Realität dann indexnah ist oder nicht.“

Je aktiver ein Fonds, desto geringer die Rendite

Laut Beck würden sich die betroffenen Fonds ohne Index Hugging schlechter entwickeln. Die Praxis schade daher dem Anleger aus reiner Rendite-Risiko-Sicht nicht. Fondsmanager würden Index Hugging aus „Demut und Weisheit“ betreiben.

„Je aktiver ein Manager umschichtet und je stärkere Wetten gegen den Markt er eingeht, umso schlechter ist im Durchschnitt seine Rendite“, schreibt Beck. „Insofern sollte man als Basisanlage ohnehin Fonds bevorzugen, die mit ruhiger Hand in erster Linie Marktrenditen einsammeln.“

Auch Markus Schuller hält die strukturelle Underperformance von aktiven Fonds für „gut dokumentiert“. Grund seien die relativ hohen Kosten von aktiven Fonds. Außerdem gebe es falsche Verhaltensanreize. Etwa würden die Manager von Publikumsfonds nach der Höhe des verwalteten Vermögens entlohnt und nicht nach der Performance.

Laut dem US-Finanzwissenschaftler Larry Swedroe wurde es in den vergangenen Jahrzehnten für Fondsmanager immer schwieriger, eine Outperformance zu erzielen. Viele Investoren mit weniger Können hätten aktives Handeln aufgegeben und setzten auf ETFs, schreibt er im Buch „The Incredible Shrinking Alpha“.

Zurückbleiben würden bloß die besten Investoren, die heutzutage zudem besser ausgebildet seien als vor einigen Jahrzehnten. Dadurch würde sich der Wettbewerb massiv verschärfen und eine herausragende Performance werde umso schwieriger.

Active Share als Hinweis auf Index Hugging

Swedroe nennt diese Entwicklung das „Paradox des Könnens“. Dieses lasse sich auch im Profisport beobachten. „Obwohl die Athleten von heute geschickter sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie die herausragenden Ergebnisse erzielen, die die Legenden von früher erzielten.“

Laut Schuller können Privatanleger über zwei Messzahlen prüfen, ob ein Fonds ein Closet Indexer ist. „Active Share (kleiner als 60) und Tracking Error sind die dominant verwendeten Indikatoren zum Erkennen von Closet Indexing“, schreibt er.

Bei gelisteten Aktien und Anleihen aus den entwickelten Ländern rät Schuller indes vom Kauf von aktiven Fonds ab. „Als Privatanleger sollte man nicht in aktive Fonds investieren, solange in Märkte mit relativ hoher Effizienz alloziert wird“, erklärt er. Aktives Management mache allenfalls bei bestimmten Sachwerten Sinn, bei denen die Märkte informationsineffizient seien.

Andreas Beck rät ebenfalls dazu, Finanzprodukte mit geringen Kosten zu erwerben. „Es geht eigentlich darum, dass Selbstentscheider darauf achten, in Anlagelösungen zu investieren, die keine Bestandsprovisionen zahlen und damit günstig sind. Beratungskunden sollten hingegen darauf achten, dass die Beratung und Betreuung, die sie mit den Provisionen bezahlen, das Geld auch Wert ist.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

Elias Huber

Elias Huber arbeitet als freier Journalist und Honorar-Finanzanlagenberater. Der studierte Volkswirt schreibt vor allem über die Themen Wirtschaft und Geldanlage. 

DWN
Technologie
Technologie Cybersecurity: Was Firmen jetzt tun müssen, um den Cyberkrieg zu überleben
19.10.2025

Die digitale Kriegsführung ist längst Realität, doch viele Unternehmen verkennen das Ausmaß der Bedrohung. Zwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft JPMorgan-Chef Dimon warnt: Die Party an den US-Börsen ist vorbei – jetzt zählen Waffen statt Aktien
18.10.2025

JPMorgan-Chef Jamie Dimon zeichnet ein düsteres Bild der Weltwirtschaft: Er warnt vor einer harten Marktkorrektur, kritisiert die Politik...

DWN
Unternehmen
Unternehmen CATL Testkapazitäten: Europas größtes Batteriezellen-Zentrum entsteht
18.10.2025

Der chinesische Batteriehersteller CATL verdoppelt seine Testkapazitäten in Arnstadt und baut eines der größten Batteriezellzentren...

DWN
Finanzen
Finanzen Nebenwerte als Chance: Warum Small Caps oft überdurchschnittliche Renditen bringen
18.10.2025

Nebenwerte im Fokus: Small-Cap-Aktien können enorme Kurschancen bieten – doch sie bergen auch Risiken. Warum vernachlässigte...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Credit in Europa: Boom, Blase oder Lehre aus der Finanzkrise?
18.10.2025

Die Private-Credit-Branche hat sich in den letzten Jahren zu einem der dynamischsten Segmente auf den globalen Kapitalmärkten entwickelt....

DWN
Technologie
Technologie Trotz Grünstrom-Rekord geht Energiewende nicht schnell genug
18.10.2025

Die weltweite Energiewende erreicht neue Rekorde: Nie zuvor wurde so viel Grünstrom installiert. Doch trotz Wachstum reicht das Tempo...

DWN
Panorama
Panorama Gen Z Proteste weltweit: Junge Generation erhebt sich gegen Misswirtschaft
18.10.2025

Die junge Generation erhebt sich weltweit gegen Korruption, Perspektivlosigkeit und Misswirtschaft. In Madagaskar stürzte der Präsident,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovationspolitik: Warum Europa seine besten Ideen selbst blockiert
18.10.2025

Der Wirtschaftsnobelpreis ist in diesem Jahr ein Weckruf für Europa. Die ausgezeichneten Forscher zeigen, dass Wohlstand nicht aus...