Finanzaufsichtsbehörden beschäftigten sich bereits mehrfach mit „Index Hugging“, auch „Closet Indexing“ genannt. Dabei bezeichnet eine Fondsgesellschaft einen Fonds als aktiv verwaltet, „obwohl dieser sehr eng an eine Benchmark angelehnt ist und damit eine eher passive Anlagestrategie verfolgt“, schreibt die Bafin.
Kritiker sehen darin eine Irreführung des Verbrauchers. Dieser erhalte falsche oder irreführende Informationen. Außerdem rechne die Kapitalverwaltungsgesellschaft überhöhte Gebühren ab, die nicht dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand entsprechen.
Beobachter halten Index Hugging für relativ verbreitet. Laut einer Schätzung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA könnten 5 bis 15 Prozent aller EU-Aktien-Publikumsfonds betroffen sein.
Index Hugging ist „unethisch“
Markus Schuller vom Finanzdienstleister Panthera Solutions vermutet sogar einen höheren Anteil an Closet Indexern als die ESMA. Er verweist gegenüber DWN auf eine Untersuchung des US-Finanzinformationsdienstleisters Peer Analytics, laut der über ein Drittel aller US-Aktienfonds Closet Indexers sein könnten.
Schuller hält Closet Indexing für „unethisch“. Mit dem Kunden werde ein klassisches Spiel nach der „Greater Fool Theory“ betrieben. Es werde also etwas Dummes hergestellt in der Hoffnung, jemand sei noch dümmer und kaufe es einem ab.
Der Portfoliomanager Andreas Beck von Index Capital ist hingegen etwas nuancierter. Die Datenlage, wie verbreitet Index Hugging sei, sei nicht so eindeutig. „Viele Indizes kann man gar nicht passiv abbilden“, erklärt Beck gegenüber DWN. „Hinter vielen sogenannten passiven Indexfonds liegt ein komplexes aktives Management, welches die Ähnlichkeit zum Index klein zu halten versucht.“ Der Unterschied aktiv versus passiv sei Vergangenheit.
Entscheidend sei letztlich, ob die Kosten angemessen seien. „Die Kosten bei ETF sind niedriger als bei den meisten klassischen Investmentfonds, da letztere in der Regel hohe Bestandsprovisionen an Vertriebe zahlen.“
Unethisch sei es, damit zu werben, man kaufe „unterbewertete Qualitätsaktien“ oder man sammle Gewinne ein und vermeide Verluste. Das seien mehr oder weniger Standardwerbesprüche. „Das weckt dann unerfüllbare Erwartungen beim Kunden. Das ist unethisch, egal ob das Portfolio in der Realität dann indexnah ist oder nicht.“
Je aktiver ein Fonds, desto geringer die Rendite
Laut Beck würden sich die betroffenen Fonds ohne Index Hugging schlechter entwickeln. Die Praxis schade daher dem Anleger aus reiner Rendite-Risiko-Sicht nicht. Fondsmanager würden Index Hugging aus „Demut und Weisheit“ betreiben.
„Je aktiver ein Manager umschichtet und je stärkere Wetten gegen den Markt er eingeht, umso schlechter ist im Durchschnitt seine Rendite“, schreibt Beck. „Insofern sollte man als Basisanlage ohnehin Fonds bevorzugen, die mit ruhiger Hand in erster Linie Marktrenditen einsammeln.“
Auch Markus Schuller hält die strukturelle Underperformance von aktiven Fonds für „gut dokumentiert“. Grund seien die relativ hohen Kosten von aktiven Fonds. Außerdem gebe es falsche Verhaltensanreize. Etwa würden die Manager von Publikumsfonds nach der Höhe des verwalteten Vermögens entlohnt und nicht nach der Performance.
Laut dem US-Finanzwissenschaftler Larry Swedroe wurde es in den vergangenen Jahrzehnten für Fondsmanager immer schwieriger, eine Outperformance zu erzielen. Viele Investoren mit weniger Können hätten aktives Handeln aufgegeben und setzten auf ETFs, schreibt er im Buch „The Incredible Shrinking Alpha“.
Zurückbleiben würden bloß die besten Investoren, die heutzutage zudem besser ausgebildet seien als vor einigen Jahrzehnten. Dadurch würde sich der Wettbewerb massiv verschärfen und eine herausragende Performance werde umso schwieriger.
Active Share als Hinweis auf Index Hugging
Swedroe nennt diese Entwicklung das „Paradox des Könnens“. Dieses lasse sich auch im Profisport beobachten. „Obwohl die Athleten von heute geschickter sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie die herausragenden Ergebnisse erzielen, die die Legenden von früher erzielten.“
Laut Schuller können Privatanleger über zwei Messzahlen prüfen, ob ein Fonds ein Closet Indexer ist. „Active Share (kleiner als 60) und Tracking Error sind die dominant verwendeten Indikatoren zum Erkennen von Closet Indexing“, schreibt er.
Bei gelisteten Aktien und Anleihen aus den entwickelten Ländern rät Schuller indes vom Kauf von aktiven Fonds ab. „Als Privatanleger sollte man nicht in aktive Fonds investieren, solange in Märkte mit relativ hoher Effizienz alloziert wird“, erklärt er. Aktives Management mache allenfalls bei bestimmten Sachwerten Sinn, bei denen die Märkte informationsineffizient seien.
Andreas Beck rät ebenfalls dazu, Finanzprodukte mit geringen Kosten zu erwerben. „Es geht eigentlich darum, dass Selbstentscheider darauf achten, in Anlagelösungen zu investieren, die keine Bestandsprovisionen zahlen und damit günstig sind. Beratungskunden sollten hingegen darauf achten, dass die Beratung und Betreuung, die sie mit den Provisionen bezahlen, das Geld auch Wert ist.“