Finanzen

Heftige Reaktion in Washington: USA verlieren Top-Bonität

Lesezeit: 3 min
02.08.2023 13:23  Aktualisiert: 02.08.2023 13:23
Die Ratingagentur Fitch hat den USA überraschend die Spitzen-Bonität entzogen. Für die USA wird es wohl teurer werden, am Finanzmarkt neue Schulden aufzunehmen. Regierung und Opposition streiten regelmäßig über einen Schuldendeal, was die weltgrößte Volkswirtschaft immer wieder an den Rand einer Staatspleite treibt.
Heftige Reaktion in Washington: USA verlieren Top-Bonität
Deutschland kann von der Abstufung der USA profitieren, hier Bundeskanzler Olaf Scholz mit Janet Yellen, US-Finanzministerin. (Foto: dpa)
Foto: Bernd von Jutrczenka

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Die Ratingagentur Fitch hat den USA überraschend die Spitzen-Bonität entzogen und damit heftige Reaktionen in Washington ausgelöst. Die Note für die Kreditwürdigkeit werde angesichts der steigenden öffentlichen Defizite und dem wiederkehrenden Streit um eine Anhebung der Schuldenobergrenze um eine Stufe von „AAA“ auf „AA+“ gesenkt, kündigten die Bonitätswächter in der Nacht zu Mittwoch an. Trotzdem werden Investitionen in US-Staatsanleihen damit immer noch als sichere Anlage bewertet, mit einem so gut wie vernachlässigbaren Ausfallrisiko. Dennoch könnte es künftig für die Regierung teurer werden, am Finanzmarkt neue Schulden aufzunehmen.

US-Finanzministerin Janet Yellen kritisierte die Entscheidung als „willkürlich“. „Ich stimme mit der Entscheidung von Fitch Ratings absolut nicht überein“, sagte die Demokratin. „Die Arbeitslosenquote liegt nahe einem historischen Tiefstand, die Inflation ist seit vergangenem Sommer deutlich zurückgegangen und die Konjunkturdaten von voriger Woche zeigen, dass die US-Wirtschaft weiter wächst.“ Der Wahlkampf-Sprecher von Präsident Joe Biden, Kevin Munoz, machte dessen Vorgänger Donald Trump verantwortlich. „Diese Herabstufung ist eine direkte Folge einer extremen Agenda der Republikaner, die von Chaos, Gefühllosigkeit und Rücksichtslosigkeit geprägt ist und die die Amerikaner weiterhin ablehnen“, sagte Munoz. Trump habe die Republikaner im Kongress angestachelt, beim Streit um die Schuldenobergrenze auf eine Zahlungsunfähigkeit hinzuarbeiten.

Rezession erwartet

Seit vielen Jahren ringen die jeweiligen Regierungen und die Opposition regelmäßig über einen Schuldendeal, was die weltgrößte Volkswirtschaft immer wieder an den Rand einer Staatspleite treibt. Zuletzt wurde Anfang Juni nach zähem Ringen ein Kompromiss zur Aussetzung der Schuldenobergrenze von derzeit 31,4 Billionen Dollar vereinbart – wenige Tage später hätte den USA sonst die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Unter diesem wiederkehrenden Problem leide das Vertrauen in die Finanzpolitik, ein mittelfristiger Finanzrahmen fehle, begründete Fitch die Herabstufung. Zudem wird auf eine steigende Neuverschuldung verwiesen, die in diesem Jahr bei 6,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen soll – nach 3,7 Prozent 2022. Zudem erwarten die Bonitätswächter, dass die US-Wirtschaft um den Jahreswechsel 2023/24 in eine Rezession abrutschen wird.

Fitch ist bereits die zweite führende Ratingagentur, die den USA die Spitzennote entzogen hat. Standard & Poor's stufte die Bonität schon 2011 herab auf „AA-plus“. Auch damals wurde auf die zunehmende politische Polarisierung im Land verwiesen, die eine solide Haushaltsführung erschwere.

Die Herbstufung ließ Anleger rund um den Globus vorsichtiger werden. Der Dax notierte rund 1,5 Prozent im Minus. An der japanischen Börse in Tokio schloss der 225 Werte umfassende Nikkei-Index 2,3 Prozent tiefer. In China lag die Börse Shanghai 1,1 Prozent schwächer. „Die Herabstufung zeigt uns, dass die Regierung der größten Volkswirtschaft der Welt ein Problem mit ihren Ausgaben hat“ erklärte Chefökonom Steven Ricchiuto von der Investmentbank Mizuho Securities die Börsenentwicklung.

Deutschland könnte profitieren

Deutschland kann Ökonomen zufolge nach dem Entzug der Top-Bonitätsnote für die USA zum Nutznießer werden. „Insbesondere in unruhigen Zeiten wird der Bund von seinem Triple-AAA-Status nun wohl noch stärker profitieren können“, sagte der Steuerschätzer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), Jens Boysen-Hogrefe, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Da sich nun die Nachfrage nach Papieren mit der Bestnote „AAA“ auf „kleinere Emittenten konzentrieren wird, von denen Deutschland der größte ist, werden diese einen Vorteil haben“. Wie groß der sein werde, hänge von den allgemeinen Marktbedingungen und der Risikowahrnehmung ab.

Die US-Herabstufung habe zwar keinen direkten Einfluss auf die Attraktivität deutscher Staatsanleihen, hieß es bei der europäischen Ratingagentur Scope. „Allerdings könnten einige institutionelle Anleger mit sehr konservativen Investmentvorgaben nicht mehr in gewohntem Umfang in US-Treasury investieren“, hieß es. Dies wiederum könne zu einer gewissen Umschichtung von Investorengeldern zugunsten deutscher Anleihen führen. „Der Umfang dieser Umschichtungen ist allerdings schwer einschätzbar und dürfte eher moderat sein“, so Scope.

Mit deutlich sinkenden Zinskosten für den Bund rechnet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer nicht. „Der Zins-Effekt auf Bundesanleihen dürfte kaum messbar sein“, sagte Krämer. „Andere Faktoren sind zurzeit an den Rentenmärkte viel wichtiger und überlagern alles.“ So schauten die Anleger vor allem auf die Entwicklung der Inflationsraten und darauf, ob der Zinsgipfel bei der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits erreicht sei.

Anders als die USA wird die Bonität Deutschlands von allen großen Ratingagenturen mit der Bestnote „AAA“ bewertet. Das signalisiert Käufern von Bundeswertpapieren ein sehr sicheres Investment mit einem extrem geringen Ausfallrisiko. Durch diesen Status als „sicherer Hafen“ kann sich Deutschland vergleichsweise günstig verschulden: Investoren sind für diese hohe Sicherheit bereit, eine niedrigere Rendite in Kauf zu nehmen. Hinzu kommt, dass Bundesanleihen hochliquide sind – Besitzer können sie weltweit jederzeit kaufen oder verkaufen.

Hauptgrund für die Bestnote für Deutschland ist die vergleichsweise geringe Verschuldung. Den Wirtschaftsweisen zufolge wird der Schuldenstand in diesem Jahr auf 65,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sinken, 2024 dann auf 63,5 Prozent. Zum Vergleich: Fitch sagt den USA für dieses Jahr 112,9 Prozent voraus, für 2025 sogar 118,4 Prozent.


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