Finanzen

Warum zahlen US-Unternehmen derzeit historisch niedrige Zinsen?

Lesezeit: 2 min
28.07.2023 11:47  Aktualisiert: 28.07.2023 11:47
Trotz des aggressiven Zinsanstiegs seit letztem Jahr leisten die Unternehmen in den USA derzeit nur extrem geringe Zinszahlungen. Sie profitieren derzeit sogar von der straffen Geldpolitik. Wie ist das möglich?

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Federal Reserve hat ihren Leitzins seit März 2022 in einem historisch straffen Tempo angehoben und stellt damit sowohl die USA als auch den Rest der Welt vor erhebliche Probleme. So wird die Zinslast der Regierung in Washington in Kürze auf über eine Billion (!) Dollar jährlich ansteigen. Damit gibt die USA derzeit mehr für Zinszahlungen aus als sogar für ihr massives Militärbudget.

Der Rest der Welt sah sich gezwungen, der Fed zu folgen und die Zinsen ebenfalls stark anzuheben, was in der Eurozone zu einem historischen Einbruch der Kreditaufnahme und zu einer Rezession geführt hat. Nur die USA können eine Rezession vorerst vermeiden und dies hat einen ganz erstaunlichen Grund: Die Unternehmen in den USA zahlen netto so wenig Zinsen wie zuletzt im Jahr 2008.

Die US-Staatsschulden haben Laufzeiten zwischen einigen Tagen bis zu 30 Jahren, was dazu führt, dass sich die gestiegenen Zinssätze relativ schnell auf die tatsächlichen Zinszahlungen auswirken. Eine ähnliche Entwicklung würde man für die Zinszahlungen der US-Unternehmen erwarten. Doch stattdessen zeigt sich hier etwas, was der Analyst Albert Edwards von der Societe Generale als "das verrückteste Makrodiagramm seit vielen Jahren" bezeichnet.

In seiner neuesten Global Strategy Weekly Analyse hält Edwards zunächst fest, dass die US-Unternehmen ein massiver Nettokreditnehmer ist. Und dann kommt er zur Überraschung: "Wenn die Zinssätze steigen, dann steigen normalerweise auch die Nettozinszahlungen, was die Gewinnmargen schmälert und die Wirtschaft verlangsamt. ABER NICHT DIESES MAL. Stattdessen sind die Nettozinszahlungen der Unternehmen zusammengebrochen."

Wie die Grafik oben zeigt, sind die Nettozinszahlungen der US-Unternehmen im Verlauf des letzten Jahres nicht nur nicht angestiegen (wie es bei den Zinszahlungen der US-Regierung der Fall ist), sondern sie sind sogar geradezu eingebrochen. Der Analyst zieht daraus den Schluss, "dass etwas sehr Seltsames passiert ist und dass es hilft, die Verzögerung der Rezession zu erklären". Aber wie ist das überhaupt möglich?

Edwards kommt zu dem Schluss, dass ein beträchtlicher Teil der "riesigen, festverzinslichen Kreditaufnahmen in den Jahren 2020/21 immer noch in variabel verzinslichen Einlagen in den Bilanzen der Unternehmen verbleibt". Das bedeutet, dass die Unternehmen weiterhin von den extrem niedrigen Zinsen in den Jahren 2020 und 2021 profitieren, während zugleich ihre eigenen Zinserträge in die Höhe schnellen.

Edwards zufolge "haben die Unternehmen die Renditekurve effektiv umgekehrt und sind zu Nettonutznießern der höheren Zinsen geworden". Im letzten Jahr haben die massiven Zinserträge 5 Prozent zu den bereits erheblichen Nachsteuergewinnen der Unternehmen in den USA hinzugefügt, anstatt wie üblich mehr als 10 Prozent von den Gewinnen abzuziehen. "Die Zinssätze funktionieren einfach nicht mehr so wie früher. Es ist wirklich eine verrückte, verrückte Welt."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...