Finanzen

Euro-Banken melden Rekord-Einbruch der Kreditnachfrage

Die Nachfrage der Unternehmen nach Krediten ist so stark eingebrochen wie noch nie. Dies deutet darauf hin, dass die Eurozone sich in einer Rezession befindet. Eine Reaktion der EZB ist wahrscheinlich.
Autor
26.07.2023 15:05
Aktualisiert: 26.07.2023 15:05
Lesezeit: 4 min

In ihrer vierteljährlichen Umfrage unter 158 Großbanken stellte die Europäische Zentralbank (EZB) fest, dass die Kreditnachfrage der Unternehmen in den letzten drei Monaten so stark zurückgegangen ist wie noch nie zuvor (die Zeitreihe beginnt 2003) und dass die Banken zudem ihre Kreditvergabe an die Verbraucher in den letzten drei Monaten verschärft haben. Der Rückgang betrug insgesamt netto 42 Prozent nach 38 Prozent im ersten Quartal. Die Notenbank merkt an:

"Der Rückgang war erneut wesentlich stärker als von den Banken im Vorquartal erwartet. Der Nettorückgang der Kreditnachfrage war bei den KMUs [kleinen und mittleren Unternehmen] am stärksten seit Beginn der Erhebung im Jahr 2003 (netto minus 40 Prozent, siehe Abbildung 7), während der Nettorückgang der Kreditnachfrage bei Großunternehmen (netto von minus 34 Prozent) etwas geringer ausfiel als während der globalen Finanzkrise. Darüber hinaus war der Nettorückgang der Nachfrage nach langfristigen Krediten (um 46 Prozent) der stärkste in der Geschichte der Erhebung, während die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten weniger stark zurückging (um 22 Prozent), aber immer noch in der Nähe des historischen Tiefpunkts während der globalen Finanzkrise lag."

Zu den Ursachen des Einbruchs der Kreditnachfrage durch Unternehmen der Eurozone in Rekordhöhe schreibt die EZB, dass die steigenden Zinsen und rückläufige Anlageinvestitionen nach wie vor die Hauptursachen waren.

"Ein geringerer Finanzierungsbedarf für Fusionen und Übernahmen (enthalten in "Sonstiger Finanzierungsbedarf"), verfügbare interne Finanzmittel mit verbesserten Unternehmensgewinnen und, in geringerem Maße, die Emission von Schuldverschreibungen (enthalten in "Nutzung alternativer Finanzierungsformen") trugen zum Rückgang der Kreditnachfrage der Unternehmen bei. Auch Vorräte und Betriebskapital hatten einen geringen dämpfenden Einfluss auf die Kreditnachfrage. Sowohl bei den KMU als auch bei den Großunternehmen waren das allgemeine Zinsniveau und der Finanzierungsbedarf der Unternehmen für Anlageinvestitionen die Hauptfaktoren für die geringere Kreditnachfrage (siehe Abbildung 7)."

Der Prozentsatz der Banken, die im zweiten Quartal eine Verschärfung der Kreditrichtlinien meldeten, war zwar geringer als noch im ersten Quartal, lag aber weiterhin über dem historischen Durchschnitt der Umfrage und kam außerdem zu einer bereits erheblichen Verschärfung hinzu, so die EZB. Die Nachfrage nach Hypothekenkrediten ging ebenfalls stark zurück, wenn auch nicht so stark wie in den beiden vorangegangenen Quartalen, aber ein weiterer moderater Rückgang ist der EZB zufolge auch im dritten Quartal wahrscheinlich.

Die Banken gaben an, dass ihr Bestand an notleidenden Krediten sie ebenfalls zu einer Verschärfung der Kreditstandards veranlasst hat. Während sich die Quoten an notleidenden Krediten nicht wesentlich verändert haben, ist die Wahrnehmung der Banken hinsichtlich des Refinanzierungs- und Rückzahlungsrisikos gestiegen, so die EZB weiter. Die Banken gehen davon aus, dass sie ihre Kreditvergabekriterien im laufenden dritten Quartal weiter verschärfen werden. Da sowohl die Kreditstandards verschärft werden als auch die Nachfrage nach Krediten nachlässt, dürfte sich die Investitionstätigkeit weiter abschwächen.

Alles deutet auf Rezession

Der Rückgang der Investitionen könnte zwar die Bemühungen der EZB zur Eindämmung der Inflation unterstützen, bedeutet aber zugleich, dass die Wirtschaft sich weiter abschwächen dürfte. In diese Richtung deutet auch der jüngste Bericht des Münchner Ifo-Institut vom Dienstag. Demnach trübt sich die Stimmung in den Chefetagen der Wirtschaft weiter ein und nährt die Sorge vor einer Rezession im zweiten Halbjahr. Das Ifo-Geschäftsklima sank im Juli auf 87,3 Punkte von 88,6 Zählern im Vormonat. Es war bereits der dritte Rückgang in Folge.

Auch der jüngste Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft sank im Juli um 2,3 auf 48,3 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Montag zu seiner monatlichen Umfrage unter etwa 800 Unternehmen mitteilte. Dies ist nicht nur der dritte Rückgang in Folge, sondern auch der schlechteste Wert seit acht Monaten. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Rückgang auf 50,3 Zähler erwartet. Damit liegt das Barometer erstmals seit Januar unterhalb der Schwelle von 50 Zählern, ab der es Wachstum signalisiert.

"Das ist ein schlechter Start in das dritte Quartal für die deutsche Volkswirtschaft", sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB), die die Umfrage sponsert. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte in einer Rezession befindet, ist gestiegen." Schon Ende 2022 und Anfang 2023 ist Europas größte Volkswirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und befindet sich seither in einer sogenannten technischen Rezession. "Der Abschwung wird nach wie vor vom verarbeitenden Gewerbe angeführt", sagte de la Rubia.

Von der Schwäche Deutschlands wird die Eurozone insgesamt nach unten gezogen. Hier sank der Einkaufsmanagerindex im Juli um einen auf 48,9 Punkte. Das ist der zweite Rückgang und Folge und der schlechteste Wert seit November. "Die EZB wird ihre optimistische Wachstumsprognose für das zweite Halbjahr deutlich senken müssen", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mit Blick darauf, dass die Europäische Zentralbank am Donnerstag ihre neue Vorhersage veröffentlicht. "Das stärkt die Position der EZB-Ratsmitglieder, die gegen eine weitere Zinserhöhung auf der übernächsten Sitzung im September sind."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Weshalb selbst starke Zahlen ein strukturelles Problem nicht lösen
07.12.2025

Die Nvidia-Aktie glänzt mit beeindruckenden Ergebnissen, doch Anleger übersehen oft ein zentrales Risiko. Die enorme Größe des Konzerns...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mautkosten in Europa steigen: Wie sich Speditionen jetzt Wettbewerbsvorteile sichern
07.12.2025

Trotz wachsender Belastungen im europäischen Transportsektor zeigt sich immer deutlicher, dass Mautgebühren weit mehr sind als ein...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachten mit kleinerem Budget: Viele Menschen müssen bei Weihnachtsgeschenken sparen
07.12.2025

Weihnachten rückt näher, doch viele Haushalte kalkulieren strenger als je zuvor. Eine neue Umfrage zeigt, wie stark Preissteigerungen die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OpenAI-Bilanz: Deloitte prüft Milliardenpläne und Michael Burry entfacht Debatte
07.12.2025

OpenAIs rasanter Aufstieg und die enormen Investitionspläne des Unternehmens rücken die Transparenz der OpenAI-Bilanz in den Mittelpunkt....

DWN
Politik
Politik Elektromobilitätssteuer Großbritannien: Wie London die E-Auto-Revolution abbremst
07.12.2025

Großbritannien setzt mit einer kilometerbasierten Abgabe ein hartes Signal an alle E-Autofahrer und stellt die finanzielle Logik der...

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...