Ungeachtet russischer Drohungen ist das Containerschiff einer deutschen Reederei am Mittwoch aus dem Hafen der ukrainischen Stadt Odessa ausgelaufen. Der Frachter soll durch den von der Regierung in Kiew eingerichteten "humanitären Korridor" fahren. Die "Josef Schulte" werde durch Hoheitsgewässer der Ukraine, Rumäniens und der Türkei mit Ziel Istanbul fahren, teilte die Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) in Hamburg mit.
Das Schiff, das mehr als 30.000 Tonnen Fracht, darunter Lebensmittel, geladen hatte und seit dem 23. Februar letzten Jahres - einen Tag vor Beginn des Kriegs - in der Ukraine im Hafen von Odessa lag, verließ Odessa im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Ukraine und der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation. Es gehöre einer chinesischen Bank und der Hamburger Firma Bernhard Schulte. Der Besatzung gehe es gut.
Durch den "humanitären Korridor" sollen Frachtschiffe, die seit Kriegsbeginn in ukrainischen Häfen festsitzen, das Land verlassen können. Über den Korridor soll nach ukrainischen Regierungsangaben auch Getreide transportiert werden. Russland hat allerdings Schiffe auf dem Weg von und zu ukrainischen Häfen zu militärischen Zielen erklärt. Zudem greift das russische Militär verstärkt ukrainische Häfen und Getreide-Silos an.
Warum blockiert Russland Getreide aus der Ukraine?
Im vergangenen Monat hatte die russische Regierung eine Verlängerung des Abkommens zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine verweigert. Das Abkommen zwischen Moskau und Kiew zur Erleichterung der ukrainischen Getreideexporte durch das Schwarze Meer war im Sommer 2022 von den UN und der Türkei vermittelt worden. Es sollte in den ärmsten Ländern der Welt eine Nahrungsmittelkrise vermeiden.
Doch dann kritisierte Moskau wiederholt, der Westen würde das Abkommen missbrauchen, da er von den billigen ukrainischen Lebensmittelexporten profitiere. Nur ein winziger Teil des im Rahmen des Abkommens aus der Ukraine exportierten Getreides würde an bedürftige Länder geliefert, während der Großteil des Getreides in Europa landete.
Mitte Juli lehnte es die Regierung in Moskau ab, das Getreide- Abkommen mit Kiew erneut zu verlängern. In diesem Zusammenhang forderte Russland erneut die Erfüllung der gegebenen Versprechen, die dem Land im Rahmen des Abkommens gegeben worden waren und die das Ziel verfolgten, eine mögliche Nahrungsmittelkrise einzudämmen. Dazu gehörten unter anderem:
- die Wiederanbindung der Rosselkhozbank, der wichtigsten russischen Bank für die Landwirtschaft, an SWIFT
- die Wiederinbetriebnahme einer wichtigen Ammoniak-Pipeline,
- die Genehmigung für die Einfuhr von landwirtschaftlichen Maschinen und Teilen nach Russland
- die Freigabe von Transportversicherungen und anderen Logistikleistungen für russisches Getreide
Konflikt eskaliert
In der Nacht zum Mittwoch griff das russische Militär mit Drohnen Getreidesilos und Lagerhäuser in einem Donauhafen an, wie der Gouverneur von Odessa, Oleh Kiper, mitteilte. Demnach wurden die Gebäude schwer beschädigt. Laut Präsidentenberater Andriy Yermak war der Hafen der Ortschaft Reni betroffen. Die Regierung in Moskau äußerte sich zunächst nicht. Nach Angaben aus Industriekreisen konnte der Hafen seinen Betrieb aber aufrechterhalten.
Nach dem Abkommen sollte ukrainisches Getreide über das Schwarze Meer zu Abnehmern weltweit exportiert werden. Dafür war ein Korridor eingerichtet worden, in dem Russland keine Schiffe angegriffen hat. Die russische Flotte beherrscht das Schwarze Meer. Die Exporte spielen eine wichtige Rolle bei den globalen Getreide-Preisen. Besonders arme Länder sind auf günstigen Importweizen angewiesen. (Reuters/gu)