Positive Konjunktursignale aus der Euro-Zone: Befeuert von der Entwicklung in der Energiewirtschaft ist die Produktion zum Ende des zweiten Quartals überraschend hochgefahren worden. Die Unternehmen stellten im Juni 0,5 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Rückgang um 0,1 Prozent gerechnet. Im Mai stagnierte die Produktion noch.
Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist im Frühjahr erstmals seit Sommer 2022 wieder leicht gewachsen, wie das EU-Statistikamt nun in einer zweiten Schätzung bestätigte. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von April bis Juni um 0,3 Prozent zum Vorquartal. Die Wirtschaft in der Währungsunion hatte zu Jahresbeginn stagniert, nachdem sie Ende 2022 sogar um 0,1 Prozent geschrumpft war.
"Es bleibt dabei, dass sich die Wirtschaft in schwierigem Umfeld recht gut hält", sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte aus Sicht des Ökonomen ihren Wachstumsoptimismus größtenteils beibehalten: "Ihre Wachstumsprojektion von 0,9 Prozent für 2023 wird sie im September wohl nur wenig senken. Wachstumsseitig steht die Tür für eine weitere Zinserhöhung weit offen, inflationsseitig sowieso."
Auf ihrer jüngsten Zinssitzung im Juli hatten die Währungshüter im Kampf gegen die Inflation die Zinsen um einen viertel Prozentpunkt angehoben. Es war bereits die neunte Erhöhung in Folge. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder bei EZB erhalten, liegt bei 3,75 Prozent - das höchste Niveau seit Oktober 2000. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ließ für den weiteren Kurs nach der Sommerpause offen, ob ein weiterer Zinsschritt oder eine Zinspause ansteht.
Europas Börsen im Plus
Die unerwartet guten Konjunkturdaten für die Euro-Zone sorgen für vorsichtigen Optimismus an den europäischen Börsen. Der deutsche Leitindex Dax notierte am Mittwochvormittag 0,3 Prozent höher bei 15.809 Punkten. Sein europäisches Pendant, der EuroStoxx50, gewann genauso viel auf 4301 Zähler.
Anhaltende Sorgen um die Lage der chinesischen Wirtschaft grenzten allerdings die Kursgewinne an den Börsen ein. Am Dienstag hatte China eine Reihe von Wirtschaftszahlen unter Expertenerwartungen gemeldet, hinzu kamen trübe Nachrichten aus dem Immobiliensektor mit Schuldenproblemen beim Branchenriesen Country Garden. Am Mittwoch zeigten Daten zusätzlich einen Rückgang der Hauspreise.
"China dürfte im Jahresverlauf nicht nennenswert zum Wachstum der Weltwirtschaft beitragen", sagte Eduard Baitinger, ein Manager bei der Investmentgruppe FERI. "Dies würde vor allem die Euro-Zone und die Emerging Markets belasten, die jeweils einen hohen Bezug zu China und dem Welthandel haben."
Pfund steigt
Sorgen um die Nachfrage aus der Volksrepublik drückten die Rohstoffpreise. So verharrte der Kupferpreis mit 8215 Dollar je Tonne auf einem Sieben-Wochen-Tief. "Wir machen jetzt Verluste von bis zu 200 Yuan (umgerechnet rund 27 Dollar) pro Tonne, die wir verkaufen. Und wenn sich die Immobilienprobleme verschärfen, könnte die Nachfrage in den nächsten Monaten noch weiter sinken", sagte ein Hersteller von Kupferstäben.
Die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der britischen Zentralbank stützte unterdessen das Pfund, das um 0,4 Prozent auf 1,276 Dollar zulegte. Die britische Inflationsrate ist zwei weiter auf dem Rückmarsch. Die Teuerungsrate sank im Juli auf 6,8 Prozent von 7,9 Prozent im Juni. Doch ist das Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent trotz einer Serie von Zinserhöhungen noch weit weg. Als hartnäckig erweist sich zudem die sogenannte Kerninflation - also ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Lebensmittel und Tabak. Diese für die Währungshüter wichtige Rate war im Juli mit 6,9 Prozent genauso hoch wie im Juni.
Dermapharm und Demant
Gefragt bei den Einzelwerten war etwa die Aktie von Dermapharm, die um knapp 9 Prozent in die Höhe sprang. Der Vorstand des bayerischen Arzneimittelherstellers geht davon aus, dass Umsatz und bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) 2023 das obere Ende der Prognosen erreichten. Dermapharm hat 1,08 bis 1,11 Milliarden Euro Umsatz und ein bereinigtes Ebitda von 300 bis 310 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Positive Aussichten für die zweite Jahreshälfte trieben auch die Aktie des dänischen Hörgeräte-Herstellers Demant an. Die Titel steigen in Kopenhagen um knapp 4 Prozent. Das Unternehmen erwartet nach starken Zahlen für die ersten sechs Monate 2023 ein organisches Wachstum zwischen elf und 14 Prozent im Gesamtjahr. Zuvor war es von sechs bis zehn Prozent ausgegangen.
Die Aktien des Pharma- und Agrarkonzerns Bayer hingegen gaben um 2,3 Prozent nach. Die Experten der Privatbank Berenberg haben die Titel auf "Hold" nach zuvor "Buy" gesetzt. Das Unternehmen dürfte sich in den nächsten zwei Jahren schwer tun, Gewinne zu steigern, hieß es. Grund seien unter anderem die sinkenden Preise für Agrarrohstoffe. Zudem blickten die Analysten zunehmend pessimistisch auf die Aussichten von Bayer, Rechtsstreitigkeiten um das seit Jahrzehnten verbotene Stoffgemisch PCB beizulegen. (Reuters)