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Konkurrenz aus China: Großbank UBS stuft Ausblick für VW herab

Lesezeit: 4 min
01.09.2023 12:26  Aktualisiert: 01.09.2023 12:26
Die europäischen E-Autobauer bekommen die Konkurrenz aus Fernost zu spüren. Es zeigt sich, dass deutsche Elektroautos international wenig wettbewerbsfähig sind.
Konkurrenz aus China: Großbank UBS stuft Ausblick für VW herab
Europäische E-Autobauer drohen ins Hintertreffen zu geraten. (Foto: istockphoto.com/Blue Planet Studio)
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Die Schweizer Großbank UBS fürchtet wachsende Konkurrenz für europäische Autobauer durch chinesische Produzenten. Vor allem Massenhersteller dürfte das laut den Experten betreffen, weshalb sie die Aktien von Volkswagen und Renault jeweils von "Neutral" auf "Sell" abstuften. Sie sehen eine Handvoll chinesischer Elektrofahrzeughersteller auf dem Weg "zu neuen globalen Champions".

Volkswagen werde auf globaler Ebene am stärksten bedrängt von der zunehmenden Konkurrenz aus Fernost, sagt Analyst Patrick Hummel. Der Gegenwind, dem der Konzern auch in Europa durch chinesische Elektroautos ausgesetzt sei, werde am Markt unterschätzt. Die Aktie wirke zwar derzeit günstig, doch in den kommenden ein bis zwei Jahren dürfte sich dies zum Negativen wenden. Das Kursziel kappte er von 135 auf 100 Euro.

Auch Renault ist für die UBS ein Kandidat, dem die Konkurrenz aus China zusetzen dürfte. Finanziell werde es für den französischen Autobauer nicht mehr viel besser laufen. Vielmehr stehe ihm "eine turbulente Landung" bevor, schrieb Analyst David Lesne zu den Franzosen. Auch vom geplanten Börsengang der E-Auto-Sparte Ampere verspricht sich der Experte nicht mehr viel zusätzlichen Wert für die Anleger. Er senkte das Renault-Kursziel von 42 auf 31 Euro.

In einer parallel zu den beiden Abstufungen veröffentlichten Branchenstudie beschäftigten sich die UBS-Analysten mit der Einführung des Modells Seal durch den chinesischen Autobauer BYD. "Unsere Schlussfolgerung ist, dass BYD ungeachtet wachsender Handelshemmnisse einen nachhaltigen Kostenvorteil von etwa 25 Prozent gegenüber seinen Konkurrenten hat", schrieben sie.

Auch vor diesem Hintergrund könnten Autobauer aus China ihren globalen Marktanteil bis 2030 fast verdoppeln von 17 auf 33 Prozent. Umgekehrt bedeute dies, dass etablierte Hersteller bis 2023 mehr als 20 Prozentpunkte ihres Marktanteils einbüßen könnten. Dieser drohe von 81 auf 58 Prozent zu sinken. Dies werde auch Folgen haben für viele Autozulieferer, die in China und bei Tesla kein so gutes Standbein hätten.

Mit Blick auf die globalen Massenmarkt-Hersteller raten die Experten dazu, solche mit Präsenz in China und Europa besonders zu meiden. Negativ sehen sie neben VW und Renault auch den schwedischen Hersteller Volvo Cars sowie die Japaner von Honda.

Generell aber dürften koreanische und japanische Hersteller sowie Premium-Fahrzeugbauer zumindest außerhalb Chinas weniger negativ betroffen sein. Dem US-Elektroautospezialisten Tesla trauen die Experten zu, bis 2030 einer der größten Automobilhersteller der Welt zu werden.

Mit der Einstufung "Sell" geht die UBS davon aus, dass die Gesamtrendite der Aktie (Kursgewinn plus Dividende) auf Sicht von zwölf Monaten um mindestens sechs Prozent unter der von der UBS erwarteten Marktrendite liegt.

E-Autos nicht wettbewerbsfähig

Elektroautos haben Reichweitenprobleme - nicht nur bei den gefahrenen Kilometern am Stück, sondern auch bei der Akzeptanz der Kundschaft. Das in den vergangenen Jahren stürmische Wachstum der Neuzulassungen hat sich in Deutschland verlangsamt. Branchenkenner rechnen auch für die kommenden Jahre mit einer Schleichfahrt.

"Dass der große Siegeszug des Elektroautos derzeit stockt, liegt an den Preisen", sagt Fabian Piontek, Partner und Autoexperte der Unternehmensberatung Alixpartners. Unter 30.000 Euro sei in Europa fast kein neues kompaktes Elektroauto zu haben. "Das ist für die große Masse der Privatkunden zu teuer." Diese wollen laut einer Erhebung der Marktforschung Dataforce im Schnitt nicht mehr als 25.000 Euro für einen Neuwagen ausgeben.

Auch Mercedes-Chef Ola Källenius sieht den Umschwung vom Benzin- oder Dieselauto zum emissionsfreien Stromer nicht geradlinig nach oben verlaufen. Die Pionierkunden hätten sich mittlerweile eingedeckt, sagte er vergangenen Monat. "Jetzt müssen wir die Mehrheit gewinnen." Als Hemmnis sieht der Manager weniger den Preis als vielmehr die noch immer ungenügende Ladeinfrastruktur. In Brüssel und Berlin rate er den Politikern deshalb, dafür mehr Geld zuzuschießen.

Am Tropf des Steuerzahlers

Kostentreiber des Elektroautos ist die Batterie, die rund ein Drittel der Gesamtkosten ausmacht. Experten sagen, dass bei der Marke von 100 Dollar pro Kilowattstunde die Kosten für ein E-Auto in etwa so hoch sind wie für einen Verbrenner. Diese sei aber in die Ferne gerückt, erklärt Piontek. Die Kilowattstunde Stromkapazität verteuerte sich wegen höherer Energie- und Rohstoffkosten auf 160 Dollar.

Als Bremsklotz beim Verkauf wirkt nach Einschätzung von Experten auch das Kürzen der staatlichen Förderung für den Kauf von Elektroautos seit Jahresbeginn. Ab September wird es zudem keinen Zuschuss mehr für Flottenkunden geben, die das Wachstum bisher trieben. "Der Wegfall des Umweltbonus für gewerbliche Zulassungen im September wird den Hochlauf stark verzögern", sagt Dataforce-Autoexperte Benjamin Kibies.

Im Januar soll die Prämie für Privatkäufer weiter gekürzt werden und Ende 2024 ganz auslaufen. Auf kurze Sicht steigen die Preise, wie das Center Automotive Research (CAR) bei seiner jüngsten Untersuchung der Rabatte herausfand. Das dämpft die Nachfrage, während der US-Autobauer Tesla den Wettbewerb mit Preissenkungen anheizt. "Die Folge wird nach unserer Einschätzung ein verschärfter Preiskampf im deutschen Elektroautomarkt sein, der bei deutschen Autobauern zu deutlichen Gewinneinschnitten führt", schrieben die CAR-Forscher. Der Staat solle den Markt noch länger stützen, bis sich die Preisschere zwischen Elektroauto und Verbrenner schließe, folgert Dataforce-Experte Kibies.

Mitte des Jahrzehnts, wenn die 100-Dollar-Marke bei den Batterien dank des technischen Fortschritts und einer global wachsenden Stückzahl in Sicht komme, werde sich das Blatt wenden, behauptet Berater Piontek. Der von der Politik mit Verboten vorangetriebene Trend zum Elektroauto sei unumkehrbar, auch wegen der mehr als 570 Milliarden Euro, die die globale Autoindustrie investiere. Die Volumenhersteller hätten Modelle zu Preisen von 20.000 bis 25.000 Euro für 2025/26 angekündigt. Bis 2035, wenn in der Europäischen Union faktisch neue Verbrennerautos verboten sind, sieht Alixpartners den Anteil batteriebetriebener Elektroautos in Europa bei 82 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es elf Prozent.

Eine nur vorübergehende Schwächephase erwartet auch Matthias Pfriem, Elektromobilitätsexperte beim Dienstleister PTV. Einen Gleichstand bei den Kosten Mitte des Jahrzehnts sieht er auch, weil sinkende Preise für E-Autos einhergehen dürften mit einer Verteuerung der Verbrenner, etwa wegen höherer CO2-Abgaben auf Sprit. Die Absatzziele der Hersteller für E-Autos bis 2030 - bei BMW mindestens 50 Prozent, bei Volkswagen in Europa 70 Prozent und bei Mercedes-Benz möglichst 100 Prozent des Gesamtabsatzes - seien nicht gefährdet. Die Hersteller hätten das weitgehend in der eigenen Hand. So wie sie vor einigen Jahren SUVs mit großen Werbebudgets unters Volk brachten, werde ihnen das auch mit Elektroautos gelingen.

Die Bundesregierung strebt als wichtigen Hebel zum Klimaschutz das Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 an. Das Center of Automotive Management (CAM) warnte kürzlich, das Ziel werde voraussichtlich um mehr als die Hälfte verfehlt, wenn nicht Politik, Autoindustrie und Ladeinfrastruktur-Anbieter gemeinsam kräftig gegensteuerten. Der Umweltverband Transport & Environment (T&E) fordert, die steuerlichen Vorteile für Diesel an der Tankstelle und bei Dienstwagen abzuschaffen. E-Auto-Quoten für gewerbliche Flotten und ein schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur könnten einen Schub bringen.


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