Politik

Warum König Dollar unangefochten bleibt

Lesezeit: 7 min
02.09.2023 09:35  Aktualisiert: 02.09.2023 09:35
Der US-Dollar wird auf unabsehbare Zeit die dominierende Währung auf der Welt bleiben, schreibt Ronald Barazon. Eine BRICS-Währung habe keine Chance.
Warum König Dollar unangefochten bleibt
Der US-Dollar wird auf unabsehbare Zeit die dominierende Währung auf der Welt bleiben, schreibt Ronald Barazon. (Foto: dpa)

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Wladimir Putin ind XI Jinping haben so oft und so lange die Beherrschung der Welt durch den Westen, also durch die USA beklagt, bis sie jetzt die Herrschaft des Ostens errichten wollen. Die anti-westlichen Tiraden waren die Folgen eines psychologischen Phänomens – der Projektion.

Sie unterstellen dem Präsidenten der USA, dass er sich zum Diktator der Welt aufspielt, weil sie selbst das täten, wären sie Präsident der USA. Putin herrscht in Russland als Diktator, der keinen Widerspruch duldet und Xi herrscht in China als absoluter Herrscher, der systematisch alle tatsächlichen und alle potenziellen Gegner aus dem Weg räumt. Beide verlangen totalen Gehorsam und mit dieser Grundeinstellung bemühen sie sich jetzt viele Länder als Partner zu gewinnen, die bereit sind dem Diktat der beiden zu folgen, wobei XI die Position als Nummer 1 für sich in Anspruch nimmt und Putin nur als Kopilot duldet.

Die Währung – für Diktatoren ein unbekanntes Wesen

Als besonders störend und als sichtbaren Ausdruck der amerikanischen Machtgier empfinden die beiden Anwärter auf die Weltherrschaft die Dominanz des US-Dollar auf den Finanzmärkten. Daher wollen sie nun gemeinsam mit den im Rahmen der BRICS-Gruppe verbündeten Staaten eine neue Währung einführen, die den Dollar vom Thron stürzen soll. Nennen wir die vorerst noch inexistente, neue Währung „BRICS-Kauri.“ Kaurischnecken waren das Zahlungsmittel im China der Kaiserzeit, Marco Polo berichtete 1295, dass für ein Huhn 5 Kauri und für eine Kuh 320 Kauri zu zahlen waren. Gefangen in den anti-westlichen Parolen und dem eigenen Machtrausch zeigen Xi und Putin, dass sie keine Ahnung haben, was eine Währung ist und auch nicht das Schicksal der bisherigen Versuche, den Dollar zu stürzen, kennen.

Über die Qualität einer Währung entscheiden die Koffer-Träger in den Hotels und die Kellner in den Restaurants. Wenn weltweit nur der Dollar als Trinkgeld willkommen ist, dann ist der Dollar die Weltwährung und die Initiatoren einer neuen Währung müssen wissen, dass sie ihr Ziel, den Dollar zu stürzen, nur erreichen, wenn es ihnen gelingt, den Dollar-Ersatz als Trinkgeld zu positionieren. Die Vorstellung, dass die BRICS-Mitglieder eine gemeinsame Währung verwenden würden, entspricht einer Wahnidee eines Drogensüchtigen. Jedes Unternehmen, dessen Lieferung mit dem BRICS-Kauri bezahlt wird, kann mit dem Zahlungseingang nichts anfangen, weil es anderswo keinen Partner gibt, der gegen BRICS-Kauri etwas liefern würde.

China allein hätte die Chance, die Finanzmärkte zu verändern

Die Brics-Sprecher kommen zwar mit Hilfe ihrer Statistik auf den Nachweis eines Anteils am Welt-BIP von vielleicht 40 Prozent, doch bilden China, Russland, Brasilien und Indien und die anderen keinen gemeinsamen Markt mit einem regen Austausch von Waren und Dienstleistungen, die man mit BRICS-Kauri bezahlen könnte.

China allein hätte durchaus Chancen, aus der eigenen Währung Yuan/ Renminbi eine Weltwährung zu machen. Um dies zu erreichen, müssten die Devisenbeschränkungen fallen. Überweisungen aus China in andere Länder dürften nicht immer wieder in vermeintlichen technischen Hindernissen stecken bleiben. Touristen müssten nach Belieben mit Bargeld ein- und ausreisen dürfen. Interessenten sollten problemlos an der chinesischen Börse Aktien kaufen und verkaufen können.

Der Gegenwert aller chinesischen Einfuhren und Ausfuhren bewegt sich bei 5.000 Milliarden Dollar im Jahr. Wenn es gelingt, die Einfuhren in Yuan/Renminbi zu bezahlen, dann kommen Jahr für Jahr Milliarden in Umlauf, die umgekehrt auch zur Bezahlung von Lieferungen aus China eingesetzt werden können. Sehr rasch würde der Yuan/Renminbi zu einem wichtigen Faktor im internationalen Zahlungsverkehr werden und eine Rolle auf den Finanzmärkten spielen. Damit wäre der US-Dollar noch nicht abgelöst, würde aber an Bedeutung verlieren.

Bislang stießen alle Bemühungen, China zu überzeugen, aus dem Yuan eine tatsächlich frei konvertierbare Währung zu machen, auf den Widerstand der kommunistischen Partei Chinas, die im Rahmen der so genannten sozialistischen Marktwirtschaft die Kontrolle in allen Bereichen behalten möchte.

Theoretisch könnte China den Yuan-Renminbi beseitigen und den BRICS-Kauri zur nationalen Währung machen. In der praktischen Anwendung würde man den BRICS-Kauri als de-facto chinesische Währung erleben. Indien, das trotz der gemeinsamen BRICS-Mitgliedschaft ein gespanntes Verhältnis zu China hat, wird kaum bereit sein unter den dann gegebenen Umständen auch den BRICS-Kauri zur nationalen Währung zu machen. Gleiches ist von Russland zu erwarten, das vermutlich den Rubel nicht beseitigen wird. Auch bei Brasilien dürfte eine Unterwerfung unter das Währungsdiktat aus Peking auf Widerstand stoßen. Das Land bemüht sich um gute Beziehungen zu den USA und zu China.

Die Währung taugt nicht als politisches Instrument

China allein wird also den Dollar nicht stürzen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass bei der Einführung des EURO die Europäer dachten, sie hätten nun die neue Weltwährung geschaffen. Das ist nicht gelungen. Dabei ist das Außenhandelsvolumen der Euro-Zone, Importe und Exporte zusammengerechnet, etwa so groß wie der chinesische Vergleichswert. Die schiere Größe des Handelsvolumens ist noch kein Erfolgsgarant.

Seit vielen Jahren sichert der US-Dollar die Welt-Liquidität. Es sind so viele Dollar in Umlauf, dass die anderen Notenbanken bei der Geldschöpfung auf den Dollar achten müssen, um nicht eine Überliquidität auszulösen, die die Welt-Inflation anheizen würde. Dieser Faktor müsste auch von den Initiatoren des BRICS-Kauri beachtet werden. Die neue Währung, die zudem als Machtinstrument gedacht ist, könnte leicht das heikle Gleichgewicht in der Welt-Liquidität zum Schaden aller erschüttern.

Eine Währung ist auch kein brauchbares Instrument, um Politik zu betreiben. Der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing glaubten, dass eine gemeinsame Währung die europäische Integration vorantreiben werde. Sie hielten die Währung für das geeignete Instrument, um endlich das „Haus Europa“ zu bauen. Die gemeinsame Währung würde die Teilnehmer zu einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zwingen. Alle würden zur Kenntnis nehmen, dass Fehler wie etwa ein übertrieben hohes Budgetdefizit in einem Land die gesamte Euro-Zone schwächt. Disziplin bei den Staatsausgaben käme sich gleichsam von selbst zustande. Die für alle Teilnehmer am Euro zuständige Zentralbank würde besonders gewissenhaft auf eine angemessene und nicht überbordende Geldversorgung achten.

Nichts davon ist eingetreten, die Staaten achten in der Budgetpolitik nicht auf die Interessen der gesamten Euro-Gemeinschaft und die EZB betreibt eine großzügige Geldschöpfung, die einmalig ist in der Geschichte der Währungen.

Ein Rückblick zeigt, wieso der Dollar zur Weltwährung wurde

- Nach 1945 haben die USA mit dem Aufbauprogramm für Europa, das als Marshall-Plan bezeichnet wird, .Milliarden Dollar in die europäische Wirtschaft gepumpt. Die Mittel aus dem European Recovery Program ERP wurden nicht an die USA zurückgezahlt, sondern an regionale ERP-Fonds, die die Mittel immer wieder vergeben haben.

-Von 1950 bis 1953 folgte der Korea-Krieg, dessen Finanzierung zu hohen Budgetdefiziten der USA führte. Diese Milliardenbeträge fanden auch den Weg auf die Weltmärkte. Gleiches geschah im Vietnam-Krieg von 1955 bis 1975.

-Ab 1973 löste die Erdölkrise enorme Verwerfungen aus. Öl wurde in Dollar bezahlt. Der Ölpreis stieg ab 1973 zuerst von 2 Dollar je Fass um 100 Prozent auf 4 Dollar und erreichte in der Folge immer höhere Werte. In den Ölländern sammelten sich Milliardenbeträge an Dollar, die die Ölstaaten nicht benötigten. In der Folge wurden große Teile dieser Schwemme an so genannten Petro-Dollar auf den Weltmärkten angelegt und zu einem großen Teil auch bei der US-Zentralbank Federal Reserve Board platziert.

Es waren somit vier Schübe, die neben dem Aufstieg der USA zur führenden Wirtschaftsmacht den Dollar zur Weltliquidität machten: ERP, Korea-Krieg, Vietnam-Krieg, Ölkrise.

Gold ist keine Garantie für die Sicherheit einer Währung

Der Dollar war als Goldwährung gegründet worden und so galt der Grundsatz. Man konnte jeden Dollar in Gold tauschen. Dies wurde durch den gigantisch wachsenden Dollar-Umlauf zur Illusion, weil die Goldreserven der USA nicht so groß waren, dass jeder Dollar hätte umgetauscht werden können. Im Jahr 1971 wurde die Dollar-gegen-Gold-Umtausch-Regel beendet.

Einen ersten Test erlebten die USA als der französische Staatspräsident Charles de Gaulle 1958 verlangte, dass die Dollar-Reserven der französischen Nationalbank gegen Dollar getauscht werden und das Gold nach Frankreich gebracht werden musste. Die französische Aktion blieb allerdings ein Einzelfall.

Bei den Diskussionen im Rahmen der BRICS-Gruppe wird auch über die Einführung einer Goldwährung diskutiert. Mit diesem Begriff wir die Illusion einer soliden Währung verbunden, die durch das kostbare Metall abgesichert wäre. Die Sehnsucht nach Sicherheit kommt aus der Skepsis gegenüber Scheinen, die nur aus Papier bestehen und Münzen, deren Silber- oder Kupfergehalt schwankt. Allerdings ist eine Goldwährung aus vielen Gründen ein unsinniges Konzept.

- Die verfügbare Goldmenge ist begrenzt, durch die Ergiebigkeit der Goldminen und durch die Bereitschaft der zahllosen Besitzer von Gold, ihre Bestände zu verkaufen.

- Eine Zentralbank, die nur Geld in Umlauf bringt, das durch Gold gedeckt ist, orientiert also das Zahlungsmittel an einer Größe, die nichts mit der tatsächlichen Volkswirtschaft und dem praktischen Geldbedarf zu tun hat.

- Außerdem ist Gold ständig Gegenstand von Spekulationen, die zu großen Preisschwankungen führen. Man kann also nie präzise sagen, wie viel der Goldschatz einer Zentralbank wert ist und welchen Geldumlauf diese Reserven absichern würden.

Währungspolitik ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst

Das einzige valide Maß für eine Währung ist die Volkswirtschaft, die dahinter steht und nicht die zufällige Goldmenge in den Tresoren der Zentralbank. Die im BIP ausgedrückte Wirtschaftsleistung eines Landes oder des Globus ist das erste Kriterium, der Umfang des Binnen- und des Außenhandels sind weitere Maßgrößen für den Geldbedarf, auch die Umlaufgeschwindigkeit, wie oft und wie rasch eine Währungseinheit den Besitzer wechselt, ist zu berücksichtigen. Deswegen hat auch die US-Zentralbank als Hüterin der Welt-Liquidität eine globale Verantwortung. Alle entscheidenden Faktoren sind keine genau bestimmbaren Größen. Daher ist Währungspolitik keine Wissenschaft, sondern eine Kunst, das richtige Maß bei der Geldversorgung laufend zu finden. Eine zu große Geldmenge führt in die Inflation, eine zu kleine bremst die Wirtschaft.

Auch die Erfinder von Bitcoin wollten die bestehenden Währungen beseitigen und glaubten, mit der Begrenzung der Zahl der Bitcoins mit 21 Millionen für Sicherheit zu sorgen. Bitcoin steht allein für sich und hat keinen Bezug zu einer realen Wirtschaft. Die Schwankungen an den Börsen sind extrem und übertreffen die Veränderungen beim Goldpreis um ein Vielfaches.

Keine Chancen für eine währungspolitische Zeitenwende

Auch XI und Putin werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Währung besonderen Gesetzmäßigkeiten folgt und sich nicht dem Diktat von Diktatoren beugt und auch als schlaues Instrument zur Steuerung politischer Entwicklungen nicht taugt. Ihr Ziel, die Vormachtstellung des US-Dollar zu beseitigen, könnten sie leicht erreichen, indem sie ihre eigenen Währungen, den Yuan und den Rubel tatsächlich zu frei konvertierbaren Währungen machen, die den eigenen Bürgern wie den Ausländern ohne bürokratische Hürden als Zahlungsmittel zur Verfügung stehen. Nachdem die BRICS-Gruppe die Plattform für die neue Währung sein soll, könnten auch gleich Indien die Rupie und Brasilien den Real liberalisieren. BRICS könnte eine Erfolgsstory schreiben und sich die unvermeidliche Blamage mit einem BRICS-Kauri sparen.

Zu dieser währungspolitischen Zeitenwende, die die gesamte Weltwirtschaft beleben würde, wird es aber nicht kommen. Die kommunistischen Vorstellungen einer Staatswirtschaft, die alles beherrscht und alles kontrolliert, prägen Xi und Putin, die nicht dulden werden, dass sich Bereiche entwickeln, in denen frei und ohne staatliche Zensur In- und Ausländer zusammenarbeiten und Projekte realisieren. Die beiden Diktatoren sind vermutlich entsetzt, dass allein die vermeintlich geniale Idee einer Anti-Dollar-Währung bereits dazu führt, dass die chinesische und die russische Zentralbank in Frage gestellt werden.

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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