Politik

Nach Heizungsgesetz: Experten fordern nächste Schritte fürs Klima

Kaum ist das Heizungsgesetz verabschiedet worden, da fordern Experten von den Bürgern schon weitere Opfer im Kampf für das Klima. Sie verweisen dabei auf Berechnungen.
09.09.2023 12:02
Aktualisiert: 09.09.2023 12:02
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Klimaforscher Gunnar Luderer hält das beschlossene Heizungsgesetz für unzureichend. "Damit ist es eigentlich ausgeschossen, dass wir unsere Klimaziele bis 2030 im Gebäudesektor erreichen", sagte der Leiter der Arbeitsgruppe Energiesysteme am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der Deutschen Presse-Agentur.

Die Berechnungen des von ihm geleiteten Kopernikus-Projekts Ariadne ergäben, dass innerhalb der nächsten Jahre der Einbau von Öl- und Gasheizungen auf nahe Null gebracht werden müsse, um das Ziel der Klimaneutralität erschwinglich und erreichbar zu halten.

Das beschlossene Gesetz schaffe aber bis 2026 und 2028 noch keine ausreichenden Anreize für eine Abkehr von den Fossilen bei den Neuanschaffungen. "Wir haben ein sehr, sehr großes Problem, und es ist unwahrscheinlich, dass das Gebäudeenergiegesetz in der aktuellen Form das Problem löst."

Auch Kai Bergmann von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch streicht heraus, dass das Gesetz nicht ausreiche. "So sind die Klimaziele nicht zu erreichen." Neben dem Heizungswechsel sei es auch unabdingbar, die Häuser besser zu dämmen, damit nicht so viel Energie nach außen abgegeben werde. "Dafür müsste der Staat aber mehr Geld aufbringen, denn Sanierungen sind aufwändig und teuer."

"Die allergrößte Sorge in Bezug auf die Klima-Neutralität"

Deutschland möchte bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, also rechnerisch keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen. "Für mich ist die allergrößte Sorge in Bezug auf die Klimaneutralität die Fehlentwicklungen bei Gebäuden", sagte Luderer, der auch Professor für Globale Energiesystemanalyse an der Technischen Universität Berlin ist. Denn noch immer würden jedes Jahr 600 000 neue Öl- und Gasheizungen eingebaut, derzeit sogar noch mehr.

Heizungen werden etwa 20 bis 30 Jahre genutzt. In dieser Zeit kämen bei fossilen Heizungen jede Menge CO2-Emissionen zusammen, sagt Luderer. "Das ist eine Menge, die wir uns nicht mehr leisten können." Die derzeit eingebauten Heizungen drohten, Deutschland die Klimaneutralität zu verbauen.

Luderer glaubt nicht, dass die Lösung darin besteht, in großem Maßstab Bio-Kraftstoffe oder Wasserstoff zum Heizen in Häusern einzusetzen. "Die Brennstoffe werden bis mindestens 2040 oder 2045 begrenzt und teuer sein", erklärt er. "Nutzt man sie für Häuser, schafft man Lücken an anderer Stelle, wo man sie eigentlich dringender bräuchte, etwa in der Industrie."

Um Verbraucher zum Umstieg auf klimafreundliche Heizsysteme zu bewegen, brauche es, so der Klimaforscher, zusätzlich zu Regulierung und Fördermaßnahmen auch einen CO2-Preis, der die ökologische Wahrheit spricht. Falls dieses Umsteuern nicht gelingt, werden bald sehr viele Heizungen vorzeitig wieder ausgebaut und ersetzt werden müssen - zu erheblichen Zusatzkosten für die Besitzer.

Ein anderes Szenario sei, dass die Politik und die Gesellschaft die eigenen Klimaziele aufweiche. "Dieses Risiko halte ich für sehr hoch", sagte er.

Der Expertenrat für Klimafragen hat der Bundesregierung kürzlich mit Blick auf ihre Klimapolitik das Zeugnis "ungenügend" ausgestellt. (dpa-AFX)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert über 3.450 Euro: Zahl neuer Goldkäufer in Deutschland vervierfacht sich
08.10.2025

Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen, auch in Euro, trotz ruhiger Märkte. Auch immer mehr Anleger in Deutschland...

DWN
Politik
Politik Regierungskrise in Frankreich - Premier ringt um Kompromiss
08.10.2025

Frankreich steht mitten in einer Regierungskrise vor einer Entscheidung. An diesem Mittwochabend endet eine Frist, die Präsident Emmanuel...

DWN
Panorama
Panorama Ukraine-Krieg heizt Klimakrise an - 237 Millionen Tonnen CO₂
08.10.2025

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur Zehntausende Menschen das Leben gekostet und Millionen in die Flucht...

DWN
Politik
Politik „Koalitionsausschuss der Ergebnisse“: Gelingen Durchbrüche bei Bürgergeld & Infrastruktur?
08.10.2025

Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine schwarz-rote Koalition haben sich für den Herbst einiges vorgenommen – und die Erwartungen sind...

DWN
Technologie
Technologie Wero soll PayPal Konkurrenz machen – und Europa weiter vom Bargeld entfernen
08.10.2025

Der europäische Bezahldienst Wero steht kurz vor dem Start im Online-Shopping. Noch in diesem Herbst sollen Kundinnen und Kunden erstmals...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität: Europas Nachfrage beflügelt Chinas Hybridfahrzeugindustrie
08.10.2025

Die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen wächst in Europa rasant. Während klassische Verbrenner an Marktanteilen verlieren, setzen immer mehr...

DWN
Politik
Politik Trump zieht in den Städtekrieg - Militär gegen die eigenen Bürger?
07.10.2025

Mit drastischen Worten attackiert US-Präsident Donald Trump demokratisch regierte Städte – und droht, dort Soldaten einzusetzen....