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Kommentar

Die Krokodilstränen von Erfurt

Lesezeit: 3 min
15.09.2023 16:25  Aktualisiert: 15.09.2023 16:25
Nachdem die AfD zusammen mit der FDP einem Antrag der CDU im Erfurter Landtag zugestimmt hatte, schlagen die Wellen der Empörung hoch. Jetzt also ist es geschehen: Der „Pakt mit dem Teufel“ ist geschlossen, die „Brandmauer“ steht nicht mehr! Fast könnte man meinen, dass nun in Thüringen der Faschismus marschiert, weil dort eine Steuer gesenkt werden soll.
Die Krokodilstränen von Erfurt
„Pakt mit dem Teufel“: Der Landtag in Erfurt (Foto: dpa)

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Der Antrag, den die oppositionelle CDU in den Landtag eingebracht hat, ist auf den ersten Blick reichlich unspektakulär: Die Steuer auf den Erwerb von Grund und Boden soll in Thüringen gesenkt werden – und zwar von 6,5 auf dann fünf Prozent. In Zeiten akuter Wohnungsnot vielleicht auch nicht die allerdümmste Idee. Dies vorausgeschickt zu haben, ist schon deshalb wichtig, weil nach der ganzen politischen und medialen Entrüstung der Ursprung der ganzen Aufregung vielen kaum noch präsent ist.

Dabei ist es eine normale Angelegenheit, dass eine Regierung wie die von Links-Ministerpräsident Bodo Ramelow einen Antrag auf Senkung einer Steuer für keine gute Idee hält. Das ist ihr gutes Recht. Wie es das genauso gute Recht der oppositionellen CDU ist, genau diese Steuersenkung zu fordern. So weit, so vollkommen normal.

Das Recht der Opposition

Nun ist es eigentlich auch unstrittig, dass in einem parlamentarischen System eine Opposition das Recht hat, eigene Ideen im Parlament zur Abstimmung zu stellen. Die Welle der Empörung, die jetzt durchs Land rauscht, weil eine Regierung, die nie eine eigene Mehrheit hatte, im Parlament mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD überstimmt wurde, ist entweder Ausdruck von Unredlichkeit - oder von blanker Ahnungslosigkeit.

Ein oft vorgebrachtes Argument ist dabei, dass die CDU zuvor hätte sicherstellen müssen, dass es bei der Abstimmung auf die Stimmen der AfD nicht ankomme. Diese Vorstellung ist einigermaßen weltfremd. Denn dann hätte die CDU ihren Vorschlag zurückziehen müssen, nachdem die Ramelow-Regierung klar gemacht hatte, dass sie die Vorstellung der CDU ablehnt. Dies hätte für die CDU die Preisgabe ihrer politischen Identität bedeutet. Der CDU-Chef im Thüringer Landtag wäre – würde er diesen Vorschlägen folgen - am Ende immer gezwungen sein, nur Anträge von Ramelows Gnaden einzubringen, um so auszuschließen, dass die Stimmen der AfD nicht ins Gewicht fallen. Dass diese Idee dem Ministerpräsidenten Ramelow gefällt, überrascht nicht wirklich.

Im Ergebnis hätte dies zur Folge, dass dann die AfD als die einzige Oppositionspartei im Landtag von Thüringen in Erscheinung träte. Es darf bezweifelt werden, dass all jene, die in den Medien das laute Klagelied über die Ereignisse in Erfurt anstimmen, dies auch wirklich bedacht haben. Es wäre dann ausgerechnet jener Björn Höcke, der dann als Thüringer AfD-Chef bei jeder politischen Initiative je nach Lust und Laune den Daumen heben oder senken könnte. Tatsächlich müssen sich die Dauer- und Berufsempörten in den überwiegend links-grün gewirkten Medien die Frage gefallen lassen, ob ihre Ratschläge in Sachen AfD, die sie allen so großzügig zuteilwerden lassen, auch wirklich etwas taugen.

Es sieht nicht so aus.

Der Irrtum der Gralshüter

Seit Jahr und Tag verkünden die selbsternannten Gralshüter des Wahren, Edlen und Guten, dass es das Gebot der Stunde sei, als komplettes Teufelszeug zu brandmarken, was immer irgendein Vertreter der AfD sagt, selbst wenn dieser feststellt, dass das Wetter schön ist, wenn draußen die Sonne scheint. So verstieg sich ausgerechnet Herr Ramelow zu der Äußerung, dass es „ein Pakt des Teufels“ war, dass ein CDU-Antrag zur Senkung einer Steuer Zustimmung in den Reihen der AfD fand. Was, ganz nebenbei, auch etwas darüber aussagt, wie Herr Ramelow über seine Bürger in Thüringen denkt. Denn – jüngsten Umfragen zufolge – liegt die AfD in Thüringen bei etwa 30 Prozent, mit guten Chancen, bei der nächsten Wahl dort stärkste Partei zu werden.

Nicht nur in Thüringen, in allen anderen Neuen Ländern und nun auch in den westlichen Bundesländern gewinnt die AfD dazu – und das teilweise beträchtlich. Trotz des konzentrischen Sperrfeuers eines nicht geringen Teils unserer Medienelite. Genau diese Vertreter haben aber immer einen Grundfehler gegangen: Stets verwechselten sie inhaltliche Abgrenzung mit kultureller Ausgrenzung. Sie mochten das Milieu, das die AfD ansprach, nicht nur nicht – sie verachteten es. Und sie tun es auch heute noch. Die Menschen sind aber nicht so dumm, als würden sie das nicht spüren. Und so schert es diese Menschen seit geraumer Zeit nicht, was die medialen Gralshüter so verkünden. Die einst so Wirkmächtigen sind heute dabei, mehr und mehr ihre kulturelle Deutungshoheit zu verlieren.

Zu Recht.


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