Politik

In Nordhausen steht die AfD möglicherweise vor einem großen Erfolg

Lesezeit: 3 min
11.09.2023 17:11  Aktualisiert: 11.09.2023 17:11
Knapp ein Jahr vor der wichtigen Landtagswahl in Thüringen steht die AfD in der siebtgrößten Stadt des Bundeslandes möglichweise vor einem entscheidenden Erfolg: Erstmals hat die Partei Chancen, einen Oberbürgermeister zu stellen. Beim ersten Wahldurchgang errang der Kandidat der AfD 42,1 Prozent und geht damit als klarer Favorit in die Stichwahl am 24. September.
In Nordhausen steht die AfD möglicherweise vor einem großen Erfolg
Das Rathaus von Nordhausen: Die Wahl in der Kreisstadt könnte weitreichende Folgen haben (Foto: dpa)
Foto: Martin Schutt

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Der Unternehmer Jörg Prophet hat allerbeste Chancen, der nächste Bürgermeister von Nordhausen zu werden. Die Industrie- und Universitätsstadt am Rande des thüringischen Harzes könnte damit der AfD einen der wichtigsten Erfolge ihrer Parteigeschichte bescheren, denn Prophet könnte der erste Oberbürgermeister in Deutschland werden, den diese Partei stellt.

Beim ersten Durchgang der Wahl in Nordhausen kam Prophet auf 42,1 Prozent der Stimmen – mit weitem Abstand zu seinen Mitbewerbern. Der Zweitplatzierte, der derzeitige Amtsinhaber Kai Buchmann, der als Parteiloser ins Rennen ging, folgte mit nur 23,7 Prozent. Die SPD-Kandidatin, Bürgermeisterin Alexandra Rieger, kam auf 18,6 Prozent der Stimmen, der Kandidat der CDU gar nur 11,2 Prozent. Damit kommt es in zwei Wochen zu einer Stichwahl zwischen dem AfD-Kandidaten Prophet und dem Parteilosen Buchmann.

Die Chancen der AfD in der Stichwahl

Dabei geht Prophet als Favorit in das Rennen. Zum einen ist sein Vorsprung auf den zweitplatzierten Buchmann erheblich, zum anderen sind im Stadtrat von Nordhausen die Parteien untereinander eher wenig kooperationsbereit. Und das Tischtuch zwischen Buchmann und seiner Stellvertreterin, Bürgermeisterin Rieger (SPD), gilt inzwischen als zerschnitten.

Buchmann selbst wurde von seinem Posten als Oberbürgermeister von Nordhausen im März dieses Jahres vom Dienst suspendiert. Dem 47-Jährigen wurden dabei 14 Dienstvergehen vorgehalten, darunter Mobbing gegen seine Stellvertreterin Rieger. Buchmann selbst zog vor Gericht - und bekam teilweise Recht. Das Verwaltungsgericht in Meiningen setzte ihn wieder im Amt ein, machte allerdings klar, dass zwar die Vorwürfe gegen ihn eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht rechtfertigen würden, allerdings gebe es Vorkommnisse, die „in der Gesamtschau die Schwelle eines Dienstvergehens“ erreichten. Im August zog also Oberbürgermeister Buchmann wieder in sein Büro im Rathaus zu Nordhausen. Allerdings scheint es vor diesem Hintergrund nur schwer vorstellbar, dass die Anhänger der SPD-Bürgermeisterin sich nun im zweiten Wahldurchgang hinter Buchmann stellen.

Von all diesen Entwicklungen und einer auch bundesweit für die AfD günstigen Stimmung profitierte Prophet. Dieser präsentierte sich im Wahlkampf in Nordhausen als ein in der Region verwurzelter zupackender Macher. Der gelernte Maschinenbau-Ingenieur und Unternehmer war 2016 in die AfD eingetreten und hatte sich fortan in der Kommunalpolitik engagiert. Tatsächlich trat Prophet auch mit einem umfangreichen kommunalpolitischen Programm zur Wahl in Nordhausen an, indem er sich zu Fragen der Ansiedlung- und Wirtschaftspolitik, zur Reform der städtischen Verwaltung oder auch zu den Problemen der Verkehrspolitik in der 41.000 Einwohner zählenden Stadt ausließ.

Das Ergebnis in Nordhausen spiegelt dabei einen allgemeinen Bundestrend und eine stark ausgeprägte Stimmung in Thüringen wider. Rund ein Jahr vor den Landtagswahlen in dem Bundesland steht die AfD letzten Umfragen zufolge bei etwa 32 Prozent, etwa zehn Prozentpunkten vor der Linkspartei unter Ministerpräsident Bodo Ramelow oder der CDU.

Die politische Statik Thüringens

Ein solches Ergebnis würde nicht nur die politische Statik in diesem Bundesland erheblich verändern – es hätte auch weitreichende bundespolitische Konsequenzen, nicht zuletzt für die CDU. Die CDU steht vor einem kaum auflösbaren Dilemma – in das sie sich freilich selbst hineinbegeben hat. Im Jahr 2018 hatte die Partei auf ihrem Hamburger Parteitag eine Art Doppelbeschluss gefällt. Mit diesem Beschluss verpflichtete sich die Partei, sowohl mit der AfD als auch mit der Linkspartei jedwede Zusammenarbeit abzulehnen. Dies allerdings verengt die Handlungsoptionen der CDU gerade in den neuen Ländern beträchtlich. Denn in den Neuen Ländern sind die Parteien, die sich zur politischen Mitte zählen, auf dem Rückzug. Besonders in Thüringen ist eine Regierungsbildung jenseits von AfD und Linkspartei den Umfragen zufolge inzwischen ausgeschlossen. Denn AfD und Linkspartei kämen in Thüringen zusammen auf über 50 Prozent. Folgte also die CDU ihren eigenen Beschlüssen, wäre eine Regierungsbeteiligung in Erfurt für sie ausgeschlossen. Tatsächlich unterhöhlt die CDU in Thüringen die eigenen Beschlüsse, da sie regelmäßig mit der Minderheitsregierung des Links-Ministerpräsidenten Ramelow Absprachen trifft, da sonst das Bundesland Thüringen keinen Haushalt hätte.

Bisher blieb die Missachtung des Beschlusses ohne Folgen für die Führung der CDU in Thüringen. Doch dürfte es der CDU-Parteiführung in Berlin in der Konsequenz zunehmend schwerfallen, jedwede Zusammenarbeit – auch auf kommunaler Ebene - mit der AfD auszuschließen, nachdem über längere Zeit eine stillschweigende Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf Landesebene toleriert worden ist.

Die Bedeutung von Nordhausen

Der Meinungsforscher Hermann Binkert, dessen in Erfurt beheimatetes Institut INSA zu den intimsten Kennern der politischen Stimmung in den Neuen Ländern zählt, sieht mit dem Ereignis von Nordhausen möglicherweise erhebliche Folgewirkungen. „Sollte es der AfD gelingen, im zweiten Wahlgang erfolgreich zu sein und damit erstmals eine Kreisstadt zu gewinnen, würde dies das Signal aussenden, dass die AfD eine erstzunehmende kommunalpolitische Kraft geworden ist.“ Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagt Binkert, dass nach den Erfolgen der AfD bei einer Landratswahl und der Bürgermeisterwahl in einer kleinen Gemeinde in Sachsen-Anhalt die Wahl in einer größeren Stadt für die Partei erhebliche Bedeutung hätte: „Für die AfD wäre es ein Aufbruchssignal für die Wahlen am 9. Juni.“

Am 9. Juni finden zeitgleich mit den Wahlen zum Europaparlament in mehreren Bundesländern Kommunalwahlen statt, darunter in allen Neuen Ländern.


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