Die Bedeutung der Landeswährung Renminbi („Yuan“) für die Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen und Investitionen nimmt in China weiter zu.
Aus aktuellen Daten geht hervor, dass im August 54 Prozent aller grenzüberschreitenden Transaktionen und Rechnungen mit chinesischer Beteiligung in Yuan abgewickelt wurden. Auf den US-Dollar entfielen demnach noch 41 Prozent. Die Daten erfassen Zahlungsvorgänge für gehandelte Waren und Dienstleistungen sowie grenzüberschreitende Investitionen.
Der Yuan erhält mehr Gewicht
Die Bedeutung des Renminbi bei der Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungsvorgänge nimmt seit Jahren zu, während der Dollar in Chinas Außenhandel kontinuierlich an Gewicht verliert.
Daten des Staatlichen chinesisches Devisenamtes zufolge wickelten chinesische Unternehmen und Banken im Jahr 2010 noch über 80 Prozent aller internationalen Transaktionen unter Verwendung des Dollars ab, seitdem sinken die Anteile abgesehen von einer kurzen Phase zwischen Sommer 2015 und Anfang 2017.
Seit Jahresbeginn hat sich der Trend noch einmal beschleunigt und im März des laufenden Jahres wickelten chinesische Unternehmen und Banken erstmals mehr Auslandstransaktionen in der eigenen Währung als im Dollar ab.
Peking diversifiziert Reserven
Der verstärkte Rückgriff auf den Yuan spiegelt eine gestiegene Bedeutung des Renminbi im Welthandel sowie verstärkte Zu- und Abflüsse ausländischen Kapitals ins chinesische Finanzsystem wider.
Peking versucht, die eigene Währung als international akzeptierte Handelswährung aufzubauen und hatte darüber hinaus das heimische Finanzsystem in den vergangenen Jahren schrittweise für ausländische Investoren geöffnet, um die anvisierte Rolle des Yuan in Übersee durch eine verstärkte Vernetzung mit anderen Finanzzentren und Währungen abzustützen.
In geostrategischer Sicht repräsentiert der verstärkte Rückgriff auf den Yuan eine Sicherheitsmaßnahme, die im Rahmen einer strategischen Umschichtung der chinesischen Währungsreserven und einer währungstechnischen Neuaufstellung der gesamten Wirtschaft gegenwärtig vollzogen wird.
Peking reagiert damit auf die zunehmend repressiven Aktionen der US-Regierungen seit 2018, die mithilfe von Sanktionen im Technologiebereich sowie Importzöllen gegen chinesische Produkte das wirtschaftliche (und damit auch politische) Erstarken des Landes verhindern wollen.
Im Bereich der Währungsreserven schlägt sich diese Strategie der Diversifikation weg vom US-Dollar in erster Linie in einer Aufstockung der Goldreserven und in einem Abbau des Bestandes amerikanischer Staatsanleihen nieder.
China kauft seit Monaten Gold auf den internationalen Märkten hinzu, wobei die zuletzt offiziell bekanntgegebenen Reserven von mehr als 2.100 Tonnen Beobachtern zufolge nur einen Teil der gesamten vom Staat kontrollierten Bestände abbilden könnten, weil China über eine im internationalen Maßstab bedeutende Förderkapazität des Edelmetalls verfügt.
Parallel zum Aufbau von Goldreserven treiben die chinesischen Behörden den Abbau ihrer Bestände von US-Schuldverschreibungen voran. Im Juni markierten Chinas amerikanische Staatsanleihen mit einem Gegenwert von rund 835 Milliarden Dollar den tiefsten Stand seit Mai 2009. Zwischen Juni 2022 und Juni 2023 schrumpfte Chinas Engagement im amerikanischen Anleihemarkt um mehr als 100 Milliarden Dollar.
China hatte zum Jahrtausendwechsel und insbesondere nach dem Ende der letzten Weltfinanzkrise im Jahr 2009 damit begonnen, im großen Stil amerikanische Staatsanleihen zu erwerben. Das Anlagevolumen stieg innerhalb weniger Jahre rapide an und erreichte zweimal – im Juli 2011 und im November 2013 – den bislang gültigen Spitzenwert von über 1,3 Billionen US-Dollar. Seit dem Höhepunkt Ende 2013 sind die Bestände allerdings kontinuierlich geschrumpft, vom Allzeithoch aus berechnet wurde das Portfolio jetzt um rund 500 Milliarden Dollar reduziert.
Ausblick
Die Regierung dürfte die verstärkte Nutzung des Renminbi im grenzüberschreitenden Handel und die Abkehr vom US-Dollar auch in den kommenden Monaten und Jahren fortsetzen, weil derzeit kein Ende der geopolitisch begründeten Rivalität zwischen Amerika und China zu erkennen ist.
Im Gegenteil – die Biden-Administration hat nicht nur den anti-chinesischen Handelskrieg von Trump übernommen und intensiviert, sondern forciert darüber hinaus eine Politik der militärischen Einkreisung Chinas.
So verstärken die US-Streitkräfte nicht nur demonstrativ ihre Präsenz im westlichen Pazifik und dem Südchinesischen Meer, sondern Washington hat auch mehrere implizit gegen China gerichtete Militärbündnisse („Quad“ und „AUKUS“) aufgebaut und eine Aufrüstung verbündeter und nahe an China liegender Länder wie Japan, Südkorea und der Philippinen angeschoben - wo der US-Armee zuletzt sogar die Nutzung weiterer Militärbasen zugestanden wurde.
All diese Entwicklungen – ebenso wie die von den USA geförderte Aufrüstung Taiwans sowie die Stärkung des nach Unabhängigkeit von China strebenden politischen Lagers – stellen aus chinesischer Sicht ernste Sicherheitsbedrohungen dar, auf die präventiv reagiert werden muss.
Da die USA die Weltleitwährung Dollar in den vergangenen Jahren zunehmend für die Verhängung von politischen Strafmaßnahmen instrumentalisiert hatten, erscheint eine forcierte Abkehr von eben diesem nur folgerichtig.
Da viele Anrainerstaaten Chinas die in Peking zirkulierenden Bedenken hinsichtlich des Dollar teilen – etwa die südostasiatischen Länder, die nicht nur vor den Risiken einer politischen Instrumentalisierung der Weltleitwährung warnen, sondern auch konkrete Schritte unternommen haben, die Abhängigkeit vom Dollar zu reduzieren – fällt Pekings Strategie einer Neuaufstellung der Währungssysteme in der Region auf fruchtbaren Boden.
Dollar bleibt König, aber der Thron wackelt
Global betrachtet ist der Dollar weiterhin die unangefochtene Handelswährung. 46 Prozent aller über das SWIFT-System koordinierten internationalen Zahlungen wurden im Juli in der US-Währung abgewickelt – verglichen mit 24 Prozent für den Euro und 3,1 Prozent für den Renminbi.
Wichtiger als diese Momentaufnahmen ist jedoch der Trend. Denn der Anteil des Yuan steigt seit vielen Jahren in kleinen Schritten an, während auch die Dollar-Nutzung ansteigt. Hingegen schrumopft die Bedeutung des Dollar als Reservewährung seit Jahrzehnten von früher über 80 Prozent auf aktuell unter 60 Prozent.
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass viele Länder inzwischen alternative Finanzkommunikationssysteme nutzen, weil auch das SWIFT-System zur Durchsetzung amerikanischer und europäischer Sanktionen dient. So hat Russland schon vor Jahren ebenso wie China ein eigenes System vorgestellt und beide Länder wickeln ihren Handel nur noch in eigenen Währungen oder dem Euro ab.
Der wahre Anteil der chinesischen Währung am internationalen Handels- und Investitionsgeschehen dürfte entsprechend der außerhalb des westlichen SWIFT-System getätigten Transaktionen deutlich größer als 3 Prozent sein.