Es gibt zwar einen Ruck, doch die Immobilienwirtschaft will deutlich mehr und manche sagen das Maßnahmenpaket der Bundesregierung ist nicht ausreichend angesichts der massiven Wohn- und Baukrise. Das sind einige der Reaktionen nach dem Gipfel-Treffen diese Woche im Kanzleramt mit 30 Verbänden aus der Baubranche.
Die Bundesregierung hat zum Baugipfel am Montag ein größeres Hilfspaket für die Baubranche beschlossen. Auf sechs Seiten wurden 14 Maßnahmen aufgelistet, die für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sorgen sollen. Besonders hervorzuheben sind: Verzicht für den neuen Energieeffizienzstandard für Neubauten (EH-40), Familien sollen mehr Geld als bisher bekommen für Eigenheime oder Heizungstausche und die Regierung nimmt Abstand von Bestrebungen, in der Europäischen Union eine Sanierungspflicht einzuführen.
Der deutsche Wohnungsbau befindet sich in der schwersten Krise seit Gründung der Bundesrepublik. Die Zahl der Genehmigungen für den Bau neuer Wohnungen brach im Juli um 31,5 Prozent oder 9600 im Vergleich zum Vorjahresmonat ein, wie das Statistische Bundesamt vor Kurzem mitteilte. Insgesamt wurde damit die Erlaubnis für 21.000 neue Wohnungen erteilt. "Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben", erklärten die Statistiker den Negativtrend.
Branchen-Reaktionen nach Gipfel: Schnelles Handeln ist entscheidend
Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), reagierte vorsichtig optimistisch nach dem Baugipfel. „Die Gespräche der letzten Wochen haben sich gelohnt. Es gibt heute einen echten Ruck, und es ist mehr herausgekommen als die erforderlichen Beschleunigungsmaßnahmen.“ Doch Mattner fügte hinzu: „Um den meisten der hunderttausenden Menschen, die vergeblich nach Wohnraum suchten, konkret Hoffnung machen zu können, braucht es noch mehr“.
Ein wichtiger Beitrag des Bundes sei eine neue Abschreibungsmöglichkeit, die Projektentwicklern wieder das Arbeiten ermögliche. Positiv seien auch der vorläufige Abschied der Regierung von dem strengen Energieeffizienzstandard EH-40 beim Neubau und die Entscheidung des Bundes in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von günstigem Wohnraum zu beschleunigen.
Doch die Maßnahmen reichten so nicht aus und schnelles Handeln waren von entscheidender Bedeutung, so Mattner. „Der Bundeskanzler muss unter seiner Führung die Ressorts Bau, Finanzen und Wirtschaft/Klima in einem Baukabinett zusammenbringen, um an weiteren Stellen schnelle Reaktionen auf die dramatische Wohnungsnot umsetzen zu können.“ Der ZIA-Spitzenverband fordert ein KfW-Programm mit einem Zinssatz von zwei Prozent, um Investoren, die unter steigenden Preisen und hohen Zinsen zunehmend leiden, Bewegungsspielraum zu geben.
„Eine echter Ruck für mehr Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen“
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, sagte das Maßnahmenpaket war nicht ausreichend angesichts der massiven Wohn- und Baukrise. „Wir erkennen im Maßnahmenpaket des Wohngipfels durchaus positive Entwicklungen für die energetische Modernisierung im Bestand, aber mit Blick auf notwendige Impulse für den bezahlbaren Wohnungsbau ist für die sozial orientierten Wohnungsunternehmen leider nichts herausgekommen“.
Er fügte hinzu: „Wir brauchen einen echten und umfassenden Ruck für mehr Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen. Es müssen schnelle, direkt-wirksame Lösungen her, die in der akuten Notsituation wirklich helfen“.
Was Deutschland konkret bräuchte, sei ein neues Versprechen für bezahlbaren Wohnungsneubau für die Mitte der Gesellschaft. Zwei wesentlichen Teile dieses Versprechens müssten eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent für bezahlbaren Wohnungsbau, und ein KfW-Darlehen zu einem verbilligten Zinssatz von ein Prozent sein. „Im Gegenzug können die sozial-orientierten Wohnungsunternehmen dann wieder bezahlbare Neubaumieten von 9 bis 12 Euro pro Quadratmeter und Monat garantieren“, so Gedaschko.
„Bis zum Ende des Jahres müssen Taten folgen“
Wolfgang Schubert-Raab, Vizepräsident, Zentralverband Deutsches Baugewerbe, betonte, dass die geplanten Maßnahmen für zusätzliche Investitionen in die richtige Richtung gehen, aber noch nicht ausreichen. „Entscheidend ist jetzt, dass die Umsetzung zügig erfolgt. Der Druck auf die Beschäftigung ist enorm. Bund und Länder, deren Kooperation insbesondere bei der Grunderwerbssteuer und im sozialen Wohnungsbau gefragt ist, müssen jetzt den Turbo für den Wohnungsbau auch zünden“.
Schubert-Raab sagte, die Zeit für lange Diskussionen sei vorbei. „Wir schlagen daher ein weiteres Treffen mit Bund und Ländern bereits im Dezember vor. Bis zum Ende des Jahres müssen Taten folgen". Auch müssten bis dann Unklarheiten im Maßnahmenpapier beseitigt sein, wie zum Beispiel die Detailplanung zum Programm Klimafreundlicher Neubau.
Plan zur Bekämpfung der Wohnungs- und Baukrise
Unter anderem plant die Bundesregierung 14 Maßnahmen, die für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sorgen sollen. Einige der Wichtigsten sind:
- Die Regierung nimmt Abstand von Bestrebungen, in der Europäischen Union eine Sanierungspflicht einzuführen.
- Wegen der hohen Zinsen und deutlich gestiegenen Baukosten wird auf noch strengere Vorgaben zur Dämmung neuer Häuser in der Amtszeit der Ampel-Regierung verzichtet.
- Der Energieeffizienzstandard für Neubauten EH-40, der noch in dieser Legislaturperiode eingeführt werden sollte, wird ausgesetzt.
- Die Bundesregierung will in Städten mit besonders angespannten Wohnungsmärkten den Bau bezahlbarer Wohnungen für alle vereinfachen. Im Baugesetzbuch wird dafür eine Sonderregelung befristet bis Ende 2026 geschaffen. Für den sozialen Wohnungsbau sollen alle staatlichen Ebenen bis 2027 insgesamt rund 45 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
- Mehr Familien als bisher sollen zinsgünstige Baukredite bekommen, um sich ein Eigenheim oder Heizungstausch zu leisten. Die staatlich geförderten Kredithöchstbeträge werden um 30.000 Euro angehoben.
- Der Erwerb selbstgenutzten Eigentums soll erleichtert werden. Dazu sollen die Erwerbsnebenkosten gesenkt werden.
- Junge Familien sollen verstärkt sanierungsbedürftige Häuser älterer Menschen übernehmen können. In den Jahren 2024 und 2025 soll es dafür ein KfW-Förderprogramm geben.
- Die Regierung will leerstehende Gewerbeimmobilien zu Wohnungen umrüsten. Das entsprechende KfW-Förderprogramm soll 2024 und 2025 mit insgesamt 480 Millionen Euro ausgestattet werden.