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Mietensteuer in Deutschland: Gefahr für die Eigentümer?

Lesezeit: 3 min
06.08.2023 07:04  Aktualisiert: 06.08.2023 07:04
Eine Mietensteuer wird als eine mögliche Lösung für die Wohnraumkrise diskutiert. Experten sehen darin eine Gelegenheit, Immobilienbesitzer moderat über die Steuer zu „enteignen“, um den drängenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken. Die Auswirkungen könnten weitreichend sein.
Mietensteuer in Deutschland: Gefahr für die Eigentümer?
In der Diskussion: Eine Steuer zur Abschöpfung von Mieterträgen (Foto: iSTock.com/Franck-Boston)
Foto: Franck-Boston

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Im November 2021 sorgte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit einem radikalen Vorschlag für Aufsehen: Die Einführung einer progressiven Mietensteuer in Berlin, um Mieterträge abzuschöpfen. Dabei sollen alle Nettokaltmieten über 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete mit Steuersätzen von 10 bis 30 Prozent belastet werden. Die Experten sehen darin eine interessante Möglichkeit, Immobilienbesitzer moderat über die Steuer zu "enteignen", insbesondere jene, die von den Preissteigerungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt profitiert haben. Das DIW hat Berechnungen angestellt und prognostiziert, dass dies in Berlin zusätzliche Steuereinnahmen von 201 Millionen Euro generieren könnte. Diese Mittel könnten gezielt in den deutschen Wohnungsbau fließen, um beispielsweise mehr Sozialwohnungen zu errichten oder Mieten zu subventionieren. Konkret schätzt das DIW, dass dadurch die Mieten von 100.000 Wohnungen um 2,50 Euro pro Quadratmeter und Monat gesenkt oder jährlich 7.500 neue Wohnungen finanziert werden könnten – ein vielversprechender Schritt zur Lösung des immensen Wohnraumbedarfs.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Trotz dieser vielversprechenden Aussichten stießen die Pläne auf Kritik. Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. äußerte Bedenken, dass das eingenommene Geld nicht zweckgebunden verwendet wird, sondern möglicherweise "einfach irgendwann im allgemeinen Landeshaushalt versickert". Ein weiterer Aspekt, der hervorgehoben wurde, ist der erhebliche Erhebungsaufwand, der notwendig wäre, um die Steuern zu ermitteln. Darüber hinaus bestehen Rechtsunsicherheiten bezüglich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Mietensteuer. Diesbezüglich stützte sich die Kritik auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, welches klar aufzeigt, dass eine Mietensteuer als Steuer einzustufen wäre und somit den Bestimmungen der Finanzverfassung unterliegt. Weder der Bund noch die Länder verfügen derzeit über die Befugnis, eine solche Abgabe einzuführen.

In Anbetracht dieser Herausforderungen hat Berlin beschlossen, von einer Mietensteuer Abstand zu nehmen. Die Landesregierung sieht keine Möglichkeit, eine verfassungskonforme Sonderabgabe auf hohe Mieten zu erlassen, obwohl das Ziel im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Somit bleibt die progressive Mietensteuer vorerst eine theoretische Option zur Bewältigung der Wohnraumkrise.

Wohnraumkrise in Deutschland: Dringender Handlungsbedarf

Allerdings sind weiterhin dringende Lösungsansätze erforderlich, um den wachsenden Wohnraumbedarf effektiv zu decken. Denn die Wohnraumversorgung in Deutschland entwickelt sich zu einem immer drängenderen Problem. Laut Prognosen des renommierten Eduard-Pestel-Instituts wird bereits für das Jahr 2023 ein bundesweiter Mangel von 700.000 Wohnungen erwartet, der sich bis 2040 auf 3,3 Millionen Wohnungen verschärfen wird.

Insbesondere in Ballungsräumen fehlt es an verfügbarer Wohnfläche, und der Bau neuer Wohnungen gerät immer mehr ins Stocken. Die zusätzliche Herausforderung der Integration von Flüchtlingen verstärkt den ohnehin bestehenden Bedarf an Wohnraum, während steigende Immobilienpreise Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum erschweren. Vor diesem Hintergrund schlägt das Pestel-Institut vor, dass „Bund und Länder ein Sondervermögen „sozialer Wohnungsbau“ mit einer Ausstattung von 50 Milliarden Euro auflegen.

Die entscheidende Frage ist jedoch, wie ein solches Sondervermögen finanziert werden kann. Die bisherigen staatlichen Mittel erscheinen offensichtlich unzureichend, um den wachsenden Wohnraumbedarf zu decken. Die für 2025 vorgesehenen Bundesmittel von 3,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau wirken angesichts der aktuellen Herausforderungen als "geradezu bescheiden", wie die Experten betonen. Aus diesem Grund sind dringend weitere Lösungsansätze erforderlich, um der Wohnraumkrise angemessen zu begegnen.

Historische Modelle

Verbraucher sollten wissen, dass die Idee, Mieten oder Wohnraum zu besteuern, keineswegs neu ist. Neben den Plänen der Berliner Landesregierung empfahl das deutsche Umweltbundesamt bereits in 2016 die Einführung einer progressiven Wohnsteuer für alle, die „übermäßig großen Wohnraum besitzen“, um den Energiebedarf zu reduzieren. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages untersuchte 2020 das Thema "Steuern bei Wohnimmobilien" und analysierte historische Modelle sowie Vergleiche mit Nachbarländern.

Bereits im Jahr 1924 wurde in Preußen die sogenannte Hauszinssteuer eingeführt, um inflationsbedingte Schuldnergewinne von Immobilienbesitzern abzuschöpfen. In Frankreich gab es ebenfalls eine langjährige Besteuerung, bei der alle Nutzer von Wohnraum, einschließlich Eigentümer, Mieter und kostenlose Bewohner, eine Steuer auf ihre Wohnfläche entrichten mussten. Etwa 20 Prozent der französischen Haushalte waren von der Wohnraumsteuer betroffen. Ähnliche Besteuerungsmodelle gab es auch in Ländern wie Schweden und Österreich. Die Betrachtung von Nachbarländern, historischen Beispielen und bisherigen politischen Vorstößen lässt erkennen, dass die Umsetzung von "kleinen Enteignungen" durchaus realistisch sein könnte – trotz rechtlicher und praktischer Herausforderungen. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass solche Maßnahmen in Deutschland schneller in Betracht gezogen werden als einschneidendere Schritte wie die Vermögenssteuer oder ein Lastenausgleich.

Zudem liegen bereits Daten vor, die eine mögliche Grundlage für die Umsetzung solcher Steuermaßnahmen bilden könnten. Die jüngste Zensus-Zählung aus dem Jahr 2022 hat erstmals die Wohnfläche der Haushalte ermittelt und bietet wertvolle Informationen zu Wohnungsgrößen und ortsüblichen Vergleichsmieten. Diese Daten könnten eine wichtige Grundlage für weitere politische Überlegungen darstellen.


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