Lesezeit: 5 min
06.10.2023 16:49  Aktualisiert: 06.10.2023 16:49
Der Irak verbietet das Bezahlen mit Dollar-Noten. Und auch aus dem Geldautomaten kommen künftig nur noch Dinar. Die USA unterstützen diese „De-Dollarisierung“.
Irak verbietet Dollar-Bargeld
Der Irak verbietet die Nutzung von Dollar-Banknoten - mit Unterstützung der USA. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Ab dem 1. Januar 2024 darf man im Irak kein Dollar-Bargeld mehr abheben und auch nicht mehr damit bezahlen. Der Schritt ziele darauf ab, die "illegale Verwendung" von Dollar-Bargeld zu unterbinden, sagte Mazen Ahmed, Generaldirektor für Investitionen und Überweisungen bei der irakischen Zentralbank, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Nach Angaben des hochrangigen Zentralbankmitarbeiters werden 50 Prozent der 10 Milliarden Dollar Bargeld, die der Irak jedes Jahr von der New Yorker Federal Reserve erhält, "illegal verwendet". Hintergrund ist, dass die irakische Bevölkerung den Dollar der eigenen Landeswährung vorzieht, was die Behörden mit der geplanten De-Dollarisierung unterbinden wollen.

"Sie wollen überweisen? Überweisen Sie. Sie wollen eine Karte in Dollar? Bitte sehr, Sie können die Karte im Irak zum offiziellen Kurs benutzen, oder wenn Sie Bargeld abheben wollen, können Sie das zum offiziellen Kurs in Dinar tun", sagte der hochrangige Zentralbanker. "Aber reden Sie mit mir nicht mehr über Dollar-Bargeld."

Dollar-Bargeld, das die Iraker noch vor Ende 2023 Dollar bei den Banken einzahlen, werden sie auch 2024 noch in Dollar abheben können, so Ahmed. Dollar, die im Jahr 2024 eingezahlt werden, könnten jedoch nur in der Landeswährung zum offiziellen Kurs von 1,320 abgehoben werden. Der Kurs des irakischen Dinars auf dem Schwarzmarkt lag Reuters zufolge am Donnerstag bei 1.560 und damit etwa 15 Prozent unter dem offiziellen Kurs.

Irak kämpft gegen Dollar-Schwarzmarkt

Der Irak hat bereits eine Plattform zur Regulierung von Überweisungen eingerichtet, die den größten Teil seiner Dollarnachfrage ausmachen und die früher eine Brutstätte für gefälschte Quittungen und betrügerische Transaktionen waren, durch die Dollars in den Iran und nach Syrien flossen, beides Länder, die unter US-Sanktionen stehen.

Dieses System, das in Absprache mit den US-Behörden eingerichtet wurde, sei nun nahezu dicht, sagte Ahmed, und stelle denjenigen, die legitime Geschäfte wie die Einfuhr von Lebensmitteln und Konsumgütern tätigen, Dollar zum offiziellen Kurs zur Verfügung. Die Bargeldabhebungen würden jedoch weiterhin missbraucht unter anderem von Reisenden, die mit einem staatlichen Kontingent von 3000 Dollar ausgestattet werden.

Doch die irakische Regierung steht nicht nur unter dem Druck der USA. Sie wird auch von mächtigen Parteien und bewaffneten Gruppierungen unterstützt, die dem Iran nahe stehen. Daher war der Irak zugleich darauf bedacht, weder den Iran noch diese ihm nahe stehenden Parteien und bewaffneten Gruppierungen zu verärgern, die großes Interesse an der ausgeprägten Bargeld-Wirtschaft im Irak haben.

Banken verzeichnen Dollar-Mangel

Viele örtliche Banken haben bereits in den vergangenen Monaten die Abhebung von Dollar-Bargeld eingeschränkt, was den Dollar-Mangel noch vergrößert hat und den Wechselkurs auf dem Parallelmarkt weiter hat ansteigen lassen. Hinzu kommt Ahmed zufolge, dass einige Banken auf Dollar lautende Kredite gewährt haben, die dann in Dinar zurückgezahlt würden.

Die irakische Zentralbank habe auch die Dollarmenge begrenzt, die sie im Rahmen einer Vereinbarung mit der US-Notenbank zur Begrenzung des Bargeldumlaufs und zur Umstellung auf den elektronischen Zahlungsverkehr zur Verfügung stelle, sagte er. Seine Zentralbank rechne damit, dass der Dinar mit dem Inkrafttreten der neuen Maßnahmen an Wert verlieren werde, doch sei dies ein akzeptabler Nebeneffekt.

"Die Kosten, die wir heute tragen, sind nichts im Vergleich zu diesem Ziel", sagte er zu Reuters. "Wir haben kein Problem damit, wenn der Wechselkurs auf 1.700 steigt. Wenn sie mir sagen, dass der Kurs bei 1.700 liegt, sage ich ihnen: Ihr wollt aus dem Iran importieren. Ihr wollt schmuggeln. Ihr habt korruptes Geld, das ihr loswerden wollt." Solange alles zum offiziellen Kurs laufe, sei der Rest egal.

Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Pläne der Zentralbank auf Gegenwehr stoßen. Am Donnerstag kursierte in den sozialen Medien ein Video, das einen Einleger einer Bank in Bagdad zeigt, der damit droht, die Bank niederzubrennen, wenn er seine Einlage nicht in barer Münze erhält. "Ich schwöre, ich werde sie niederbrennen. Ich schwöre, dass ich in den Safe eindringen und mein Geld mitnehmen werde", so der Mann.

Irak ist abhängig von den USA

Ein Grund für die Dollar-Knappheit im Irak besteht auch darin, dass die USA es abgelehnt haben, eine erbetene zusätzliche Milliarden Dollar Bargeld in den Irak zu liefern. Denn irakische Einnahmen aus Öl-Verkäufen im Umfang von 120 Milliarden Dollar werden bei der Federal Reserve gelagert. Die Weigerung, zusätzliches Bargeld an den Irak zu liefern, begründen die USA damit, dass es in die falschen Hände gelangen könnte.

Die zusätzliche Milliarde Dollar benötigt der Irak eigenen Angaben zufolge, um seine strauchelnde Währung zu stützen. Nachdem die USA schon den ersten Antrag des Irak im September abgelehnt hatten, reichte die irakische Zentralbank letzte Woche einen formellen Antrag ein, den das US-Finanzministerium noch immer prüft, sagte ein hoher irakischer Beamter gegenüber dem Wall Street Journal.

Seit dem militärischen Sieg der USA über den Irak vor zwei Jahrzehnten haben die USA mit halbmonatlichen Frachtflügen, die riesige Paletten mit Bargeld aus den irakischen Öl-Verkäufen transportierten, die bei der US-Notenbank hinterlegt wurden, jährlich mindestens 10 Milliarden Dollar nach Bagdad geliefert. Nach Angaben irakischer Beamter sind noch in diesem Jahr zwei regelmäßige Bargeldlieferungen von US-Dollar geplant.

Das Gerangel hinter den Kulissen verdeutlicht die Abhängigkeit des Irak von den USA. Eine riesige Menge an Dollar fließt durch locker regulierte irakische Banken und Wechselstuben, die nach Ansicht der USA und einiger irakischer Beamter voller Betrug und Geldwäsche sind. Seit November letzten Jahres hat Washington 18 irakischen Banken den Handel mit dem Dollar untersagt und strengere Vorschriften für elektronische Dollarüberweisungen von irakischen Banken erlassen.

USA unterstützen die De-Dollarisierung

Beamte des US-Finanzministeriums hätten ihnen mitgeteilt, dass die Lieferung des zusätzlichen Bargeld dem Ziel Washingtons zuwiderläuft, die Verwendung von US-Banknoten durch den Irak zugunsten von leichter nachvollziehbaren elektronischen Transaktionen zu reduzieren, sagen irakische Beamte. US-Beamte erklärten, es gebe Beweise dafür, dass Dollar-Bargeld für den Irak seit Jahren in den Iran, die Türkei, den Libanon, nach Syrien und Jordanien geschmuggelt wird.

Eine Sprecherin des US-Finanzministeriums sagte dem Wall Street Journal, dass die USA die irakischen Schritte zur "Förderung der Verwendung der lokalen Währung innerhalb des Irak" unterstützen würden. Doch Washingtons Versuche, das Dollar-Bargeld für den Irak zu beschränken, habe Panikkäufe von Greenbacks und das Horten von Dollars an den Börsen ausgelöst, so die Beamten. Seit Juli ist der inoffizielle Dollar-Wechselkurs von 1.470 auf 1.560 Dinar gestiegen.

Irakische Beamten sind wegen der für Dezember angesetzten Provinzwahlen alarmiert. Die mächtigen Milizen im Land haben das Vorgehen der USA als Verletzung der irakischen Souveränität bezeichnet. Die amerikanische Seite erfinde Ausreden, um dem Irak sein ihm zustehendes Geld vorzuenthalten, sagte Moeen Al Kadhimi, Mitglied des Finanzausschusses im irakischen Parlament und der schiitischen Badr-Miliz, die eng mit dem Iran verbunden ist.

Wie der Dollar in den Irak kam

Ende 2004 entwickelten irakische Beamte und US-Berater die so genannte "Dollar-Auktion", um Dollar Bargeld in Umlauf zu bringen. Dabei handelt es sich um einen täglichen Dollar-Verkauf durch die irakische Zentralbank zu einem festen Kurs an irakische Banken und Geldwechselgeschäfte gegen die Landeswährung Dinar. Die Dollars wurden dann von den Banken und Geldwechslern zu einem höheren Kurs weiterverkauft.

Das System ist weitgehend unverändert geblieben, hat aber Korruption und zügelloser Geldwäsche Vorschub geleistet, wie Beamte beider Staaten berichten. Zusätzlich zu dem über Frachtflüge gelieferten Bargeld hat die US-Notenbank jahrelang einen weitaus größeren Betrag - bis zu 40 Milliarden Dollar pro Jahr - in Form von Überweisungen im Namen irakischer Banken an ausländische Banken, vor allem in Dubai, ausgezahlt, angeblich um Importe zu bezahlen.

Im Jahr 2020, als die irakischen Bargeldreserven nach einer Abwertung des Dinar das letzte Mal knapp wurden, gaben die USA einem Ersuchen statt und lieferten zusätzliche Banknoten. Im Gegenzug erklärte sich Bagdad damals bereit, eine langfristige Reduzierung der Bargeldlieferungen und andere Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Dollarströme zu prüfen, so ein irakischer Beamter.

Die von der Fed und der irakischen Zentralbank im November letzten Jahres erlassenen strengeren Vorschriften für Überweisungen führten dazu, dass im Januar und Februar mindestens 80 Prozent der täglichen irakischen Dollarüberweisungen, die sich zuvor auf mehr als 250 Millionen Dollar pro Tag beliefen, wegen unzureichender Informationen über den Bestimmungsort der Gelder oder anderer Fehler blockiert wurden, so US-Beamte und offizielle irakische Daten.

Als Reaktion darauf lockerte die irakische Zentralbank die Vorschriften für die Verwendung von Prepaid-Karten durch die Banken und erlaubte ihnen, Dollar zum niedrigeren offiziellen Kurs zu kaufen, um sie auf die Karten aufzuladen. Dies führte dazu, dass die Banken Milliarden von Dollar auf die Karten aufluden, die nach Angaben der irakischen Behörden in großer Zahl aus dem Land geschmuggelt und außerhalb des Irak gegen Dollar eingetauscht wurden.

Um Dollars zu sparen, hat die irakische Zentralbank die Menge an Bargeld, die zum offiziellen Wechselkurs in der täglichen "Dollar-Auktion" an Banken und Wechselstuben verkauft wird, um 30 Prozent oder mehr reduziert und neue Regeln erlassen, die darauf abzielen, dass der Dinar für viele inländische Transaktionen verwendet werden muss.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik IW-Ökonom Hentze: Deutschland braucht mutigere Schuldenregeln
12.05.2024

Ein Festhalten an der aktuellen Schuldenbremse macht ein geringeres Wirtschaftswachstum immer wahrscheinlicher. Davon ist IW-Ökonom Tobias...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Betrug erkennen und vermeiden: Tipps zum Schutz von Bitcoin, Ether und Co.
11.05.2024

Während der Kryptomarkt wieder an Dynamik gewinnt und der Bitcoin immer teurer wird, ist es entscheidend, sich vor betrügerischen...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt-Preiskorrektur dauert an, Marktlage bleibt angespannt
11.05.2024

Die Immobilienpreise in Deutschland sind im ersten Quartal des Jahres weiter gefallen – in unterschiedlichem Ausmaß in den verschiedenen...

DWN
Immobilien
Immobilien Checkliste: Das sollten Sie wissen, bevor Sie eine Immobilie kaufen!
11.05.2024

Eine Immobilie zu kaufen ist ein einschneidendes Ereignis im Leben der Käufer. Schließlich bleibt das Objekt mit hoher Wahrscheinlichkeit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Selbstständigkeit: Die Zusammenarbeit mit Freiberuflern kann Ihr Budget gefährden!
11.05.2024

Die öffentlichen Kassen scheinen erschöpft zu sein und die Sozialversicherungsträger müssen nach Wegen suchen, um sie wieder...

DWN
Finanzen
Finanzen Wachstumschancengesetz: Höhere Nachsteuerrendite bei Rürup-Rente
11.05.2024

Steuervorteile für Rürup-Sparer: Wie Kunden einer Basisrente mit dem Wachstumschancengesetz künftig Steuern sparen können.

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag vor dem Aus? Bundesverfassungsgericht prüft Verfassungsmäßigkeit
11.05.2024

Milliarden Steuergelder auf der Kippe: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die Zukunft des Solidaritätszuschlags. Steht...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden-ETFs: Passives Einkommen an der Börse beziehen
11.05.2024

Dividenden-ETFs bieten Ausschüttungen von bis zu 12 Prozent der investierten Summe pro Jahr. Lohnt sich ein Investment?