Politik

Annäherung zwischen Iran und Irak schafft neue Handelswege

Erstmals werden Irak und Iran durch eine Eisenbahnlinie verbunden. Die großen Chancen der Kooperation drängen alte Konflikte in den Hintergrund. Die geopolitischen Auswirkungen sind massiv.
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08.09.2023 11:03
Aktualisiert: 08.09.2023 11:03
Lesezeit: 3 min
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Am 2. September hat der irakische Premierminister Shia al-Sudani die Bauarbeiten für die erste Eisenbahnverbindung zum benachbarten Iran eingeweiht. Das "Basra-Chalamja-Verbindungsprojekt" führt von der Millionenstadt Basra im Süden des Irak über den Grenzübergang Chalamja bis ans iranische Eisenbahnnetz, sagte ein Beamter des Verkehrsministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Basra, die wichtigste Hafenstadt des Landes, liegt am Schatt al-Arab, der durch das Zusammenfließen von Euphrat und Tigris gebildet wird, etwa 100 Kilometer entfernt von dessen Mündung in den Persischen Golf.

Die Hälfte der 32 Kilometer langen Bahnstrecke wird auf der iranischen Seite der Grenze verlaufen, wie die iranische Nachrichtenagentur IRNA berichtete. Das Projekt wird schätzungsweise zwischen 18 und 24 Monaten dauern, wird also voraussichtlich 2025 fertiggestellt. Ziel sei es, "Reisende aus der Islamischen Republik Iran und den zentralasiatischen Ländern" zu den heiligen Städten der Schiiten zu befördern, sagte Premierminister Mohammed Shia al-Sudani in einer Rede. Er wies darauf hin, dass das Projekt seit Jahren diskutiert worden sei, bevor man 2021 eine Einigung erzielt habe.

Nach Angaben von irakischen Beamten wird die Verbindung zum Iran 3 Millionen Menschen versorgen. Durch die Überquerung der Grenze wird eine schnelle Verbindung zu Iraks wichtigsten Touristenzielen geschaffen, zu den schiitischen Heiligtümern von Karbala und Nadschaf. Die neue Eisenbahnverbindung dürfte auch den Handel mit Zentralasien und China erleichtern, da der Irak praktisch wieder an die traditionelle Seidenstraße angeschlossen wird, von der er unter der Regierung der Baath-Partei abgeschnitten war, die bis zum Jahr 2003 herrschte.

Alte Feinde werden Partner

Bei der Zeremonie am 2. September legte Sudani zusammen mit dem ersten Vizepräsidenten des Iran, Mohammad Mokhber, einen symbolischen Grundstein. Sudani dankte Teheran für die geplanten Minenräumarbeiten an der Grenze, um den Weg für die Bahnlinie freizumachen, sowie für eine Eisenbahnbrücke über den Schatt al-Arab, wo die Flüsse Tigris und Euphrat zusammenfließen, bevor sie in den Golf münden. Mokhber lobte das "strategische" Projekt, das laut iranischen Staatsmedien "in den nächsten zwei Jahren" abgeschlossen werden soll.

Der Irak und der Iran führten in den 80-er Jahren einen achtjährigen Krieg, nachdem Saddam Hussein im Gefolge der islamischen Revolution im Iran 1979 in den Iran einmarschiert war. Der Irak leidet auch wegen der Kriege gegen die USA und wegen der Sanktionen unter einer veralteten Infrastruktur. Sudanis Regierung bemüht sich um den Aufbau regionaler Partnerschaften. Im Mai stellte Bagdad ein 17-Milliarden-Dollar-Projekt vor. Diese "Entwicklungsroute" soll die Grenze zur Türkei im Norden des Irak über eine 1.200 Kilometer lange Straßen- und Eisenbahnstrecke mit dem Persischen Golf im Süden verbinden.

Einer direkten Eisenbahnverbindung zwischen dem Irak und dem Iran standen immer wieder erhebliche Hindernisse im Weg. Denn die Grenze zwischen den beiden Staaten markiert auch eine kulturelle Bruchlinie zwischen der arabischen und der persischen Welt, die seit Jahrtausenden Quelle für Konflikte ist. Doch nun ist die Anziehungskraft des östlichen Nachbarlandes für den Irak so groß geworden, dass die Konflikte der Vergangenheit in den Hintergrund getreten sind. Und auch für den Iran bietet die neue Verbindung erhebliche Vorteile.

Sanktionen als Chance für den Iran

Der Iran ist entscheidend sowohl für Chinas Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) als auch für Russlands Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC). Er hat in den letzten Jahren die Verkehrsverbindungen zu seinen sieben Nachbarländern massiv ausgebaut, um die westlichen Sanktionen besser umgehen zu können, wie der Economist berichtet. Im Juli wurde gerade eine Eisenbahnlinie nach Afghanistan wiedereröffnet. Eine weitere Strecke verbindet den Iran bereits mit China - über Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan.

Außerdem arbeitet der Iran an einer 164 Kilometer langen Strecke zur Grenze mit Aserbaidschan. Sobald diese fertiggestellt ist, könnte der Iran über den Hafen von Bandar Abbas als Russlands Brücke zum Indischen Ozean dienen. Die neue Eisenbahnstrecke zwischen dem Iran und Irak wird vor allem den bilateralen Handel ankurbeln, der nach Schätzungen iranischer Beamter in diesem Jahr auf ein Volumen von 12 Milliarden Dollar ansteigen wird. Zudem entsteht durch die neue Strecke eine Eisenbahnverbindung vom Iran zur syrischen Hafenstadt Latakia am Mittelmeer, wo der Iran eine Leasingvereinbarung abgeschlossen hat.

Doch nicht alle sind begeistert von der neuen Eisenbahnanbindung. Die Araber fürchten eine weitere Annäherung des Irak an den Iran. Kuwait, das seit langem eine Eisenbahnverbindung vom Irak zu seinen Häfen vorschlägt, fühlt sich zurückgewiesen. Die Saudis haben letztes Jahr eine Strecke nahe der irakischen Grenze eröffnet und warten nun darauf, dass die Iraker ihren Abschnitt bauen. Und irakische Händler befürchten, dass ihre Regierung den Ausbau des irakischen Hafens in Faw einstellen und stattdessen iranische Häfen nutzen wird.

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