Die Bundesregierung will leerstehende Büros und Gewerbeimmobilien zu Wohnungen auszurüsten, um so die dramatische Wohnungsnot in Deutschland zu bekämpfen. In den Jahren 2024 und 2025 soll 480 Millionen Euro für Investoren bereitgestellt werden, um Gewerbeimmobilien zu sanieren und so schätzungsweise 235.000 neue Wohneinheiten zu schaffen.
Aktuell wird laut Experten der bundesweite Bedarf an Wohnungen in Deutschland auf rund 700.000 Einheiten eingeschätzt.
Zum Baugipfel Ende September hat die Regierung ein größeres Hilfspaket für die krisengeschüttelte Baubranche beschlossen. Auf sechs Seiten wurden 14 Maßnahmen aufgelistet, die für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sorgen sollen, unter anderem der Plan, leerstehende Büros in Wohnungen umzuwandeln.
Die Immobilienwirtschaft reagierte vorsichtig optimistisch nach dem Baugipfel, doch es gab auch heftige Kritik, dass die Maßnahmen nicht ausreichen und schnelles Handeln von Seiten der Regierung jetzt von entscheidender Bedeutung ist. Ein echter und umfassenden Ruck für mehr Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen sei jetzt dringend nötig, so einige Verbände.
ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner zufolge sieht die Immobilienwirtschaft die kommenden Wochen als eine entscheidende Phase für die Zukunft der Branche. „Wir haben beim Wohn-Gipfel im Kanzleramt eine Reihe erfreulicher Signale aufgenommen, bleiben aber in Hab-Acht-Stellung, wenn es jetzt an die Umsetzung geht", so Mattner. Die Lage der Immobilienwirtschaft sei seit insgesamt fast 20 Monaten nach Beginn des russischen Angriffs gegen die Ukraine „über weite Teile ernst“.
Bürosektor unter Druck
Laut dem Immobilien-Forum 2023 des Verbands deutscher Pfandbriefbanken, der im September in Berlin stattfand, wirkt sich das unsichere gesamtwirtschaftliche Umfeld - gekennzeichnet von gestiegenen Energiepreisen, hohen Steuern und dem verstärkten Fachkräftemangel - belastend auf den deutschen Büroimmobilienmarkt aus. Senior Managerin Real Estate Research and Finance bei dem Verband, Hildegard Höhlich, sagte Firmen stellten weiterhin ihren Flächenbedarf und Arbeitsweltkonzepte auf den Prüfstand. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage sei mit einem erneuten Anstieg des Büroimmobilien-Leerstands zu rechnen. Höhlich fügte hinzu: „Insgesamt ist in den nächsten Monaten mit einem weiteren Preisrückgang bei Büroimmobilien zu rechnen“.
Umwandlungen: „Nur ein Baustein“
Einer Jones Lang LaSalle (JLL) Studie zufolge bieten leerstehende Büroflächen in den sieben Hauptmetropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart ein Potenzial für insgesamt fast 20.000 Wohnungen bis zum Jahr 2025. Dies entspricht fast 40 Prozent des Zusatzbedarfs an Wohnungen in den Metropolen, den der Immobilienspezialist auf etwa 51.000 Wohnungseinheiten einschätzt.
In Berlin, wo bis 2025 jedes Jahr 6.500 Einheiten fehlen, ist die Lücke zwischen geplanten Fertigstellungen und Wohnungsbedarf besonders groß. In Frankfurt müssten zusätzlich 3.500 Wohnungen geschaffen werden und in München 3.300. Nur in Düsseldorf sei ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebots- und Nachfrageentwickelung, so JLL. Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Germany, wies jedoch darauf hin, dass die Umnutzung von Büros nur ein Baustein sein könnte, um die städtische Wohnungsknappheit in Deutschland zu lindern. „Der gesamte bundesweite Bedarf an Wohnungen wird auf rund 700.000 Einheiten geschätzt, der Vergleich mit dem Angebot zeigt also eine immense Diskrepanz. Dabei kumuliert sich die Problematik besonders in den großen und attraktiven Städten wie in den Big-7-Städten in Deutschland“.
Bis jetzt spielten Büro-Umnutzungen kaum eine Rolle, so die Studien Autoren, bis auf Frankfurt, wo sich die Zahl der Umwandlungen in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt hat. "In Frankfurt gibt es im Vergleich zu den anderen Metropolen relativ viele Flächen in Bürotürmen, die sich aufgrund der hohen Ausnutzung der Grundfläche besonders für das Umwandeln in Wohnraum eignen, da sie einen natürlichen Lichteinfall bieten", so Scheunemann.
Vorteile und Hürden
JLL zufolge liegen die Kosten für die Büro-Umwandlungen in den Metropolen um fast 50 Prozent niedriger als im Neubau und die Co2-Emissionen sind bei Umnutzungen deutlich niedriger. Hürden liegen hauptsächlich im technischen Bereich (zum Beispiel Deckenhöhen) aber auch Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr, an Schulen, Kindergärten und Geschäfte können problematisch sein.
Laut Jochen Möbert, Volkswirt und Immobilienexperte bei Deutsche Bank Research, ist infolge der immer größer werdenden Ballungsräume in Deutschland ein struktureller Mangel an bezahlbarem Wohnraum entstanden. Politische Maßnahmen, die Anreize zur Verringerung der Nachfrage nach Büros setzen, könnten den Weg für die Umwandlung von Büros in Miet- und Eigentumswohnungen ebnen. Ebenso dürften knappe Neubauflächen eher für Wohn- als Gewerbebauten genehmigt werden, sagte Möbert.