Die DWN haben dem Bau-Ministerium Fragen zu den aktuellen Bau- und Wohnungskrisen in Deutschland gestellt. Wir wollten wissen, was die wichtigsten Schritte und Herausforderungen sind, um die Krisen zu beenden, und wie jetzt am schnellsten und am günstigsten gebaut werden kann.
Gibt es heute einen „Baustopp“ in Deutschland?
Vorweg sei gesagt, dass im vergangenen Jahr 295.275 Wohnungen fertig gebaut wurden, trotz schwieriger Rahmenbedingungen durch gestiegene Zinsen und Baukosten, ein Plus von 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Baubranche hat sich also als stabil erwiesen. Zwar unterscheiden sich die Prognosen der Verbände und Forschungsinstitute zurzeit stark, sie stimmen aber darin überein, dass es keinen „Baustopp“ gibt. Dennoch ist die Situation im Wohnungsneubau schwierig, weshalb die Bundesregierung gegensteuert.
Die deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft befindet sich momentan in einer ernsten Krise. Wie plant die Regierung, diese Krise im Immobilienmarkt zu beenden?
Wir haben in den letzten zwei Jahren unserer Regierungszeit viele Maßnahmen initiiert, um mehr Wohnraum schaffen zu können. Dazu zählen die vielen konjunkturellen Impulse mit einer Rekordsumme in einer Höhe von über 18 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, mit Unterstützungen für den Bau von Studierenden- und Azubiwohnheimen, mit einer Neubauförderung in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit unserer Genossenschaftsförderung, mit unseren Programmen zur Anpassung von Städten und Gebäuden an den Klimawandel oder für den altersgerechten Umbau des eigenen Zuhauses.
Außerdem sorgen wir für die Beschleunigung des Planens und Bauens etwa durch den Ausbau der Digitalisierung und die Einführung eines digitalen Bauantrags oder durch die Stärkung des seriellen Bauens. So haben wir bei der Bauakademie einen Runden Tisch und eine Geschäftsstelle eingerichtet. Und das ist lange nicht alles. Weitere Maßnahmen folgen: Das kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene Wachstumschancengesetz beinhaltet auf Initiative des BMWSB hin die Einführung einer degressiven Afa für den Wohnungsneubau in der Zeit zwischen Oktober 2023 und September 2029 in Höhe von sechs Prozent. Der Fokus liegt jetzt auf dem Baubeginn statt auf der Genehmigung, das gibt einen Anreiz, bereits geplante Projekte aus dem Bauüberhang (derzeit 884.826 Wohnungen) zügig umzusetzen. Außerdem haben wir Ende September ein Paket mit weiteren Maßnahmen zur Stärkung der Baukonjunktur vorgelegt.
Und dann haben wir das Bündnis bezahlbarer Wohnraum, das im letzten Oktober 2022 ein Maßnahmenpaket im Rahmen des Bündnis-Tages vereinbart hat. Bund, Länder und Kommunen sowie Vertreter/innen aus der Wohnungs- und Bauwirtschaft, aus Umweltverbänden und Zivilgesellschaft arbeiten seither in fünf Themenfeldern daran, um mit einer Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Themenfelder beschäftigen sich u. a. mit der Begrenzung von Baukosten, öffentlichen Förderungen, investiven Impulsen sowie Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Am 25. September standen bei der Bündnis-Spitzenrunde und beim Bündnis-Tag gerade auch die aktuelle wirtschaftliche Situation der Bau- und Immobilienwirtschaft und notwendige zusätzliche Impulse für Investitionen im Mittelpunkt.
Inwiefern sind die neuen Klima-Vorschriften (das Gebäudeenergiegesetz) Teil der aktuellen Krise in der Bau-Branche, und welche Lösungen gibt es hier?
Die Vorschriften an den Klimaschutz sind sinnvoll ausgestaltet und erstrecken sich über einen langen Zeitraum. Angesichts zunehmender Wetterextreme wollen viele Eigentümer und Hausbauer auch etwas verändern und in klimafreundlichen Häusern leben. Die gesetzlichen Vorgaben an neu zu errichtende Gebäude sind seit Inkrafttreten der erhöhten Neubau-Anforderungen aus der Energieeinsparverordnung (EnEV) zum 1. Januar 2016 nur geringfügig verändert worden: Mit der Novelle des aktuellen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum 1. Januar 2023 zur Anpassung an den Effizienzhausstandard EH-55 erfolgte eine leichte Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen an neu zu errichtende Gebäude.
Hierbei wurden lediglich die Anforderungen an den zulässigen Jahres- Primärenergiebedarf für Neubauten von bisher 75 Prozent des Primärenergiebedarfs des Referenzgebäudes auf 55 Prozent reduziert. Die Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz von Neubauten - also die Dämmanforderungen - wurden hingegen seit 2016 nicht verändert und liegen damit weiterhin bei 100 Prozent des Referenzgebäudes. Ein entsprechendes Begleitgutachten belegt zudem die Wirtschaftlichkeit des aktuellen GEG-Anforderungsniveaus für Neubauten.
Die aktuelle Novelle des GEGs mit ihrer 65 Prozent EE-Vorgabe für ein Heizen mit erneuerbaren Energien befindet sich derzeit noch im parlamentarischen Verfahren und stellt somit noch kein geltendes Recht dar. Diese zukünftigen Anforderungen betreffen den Einbau von Heizungen, nicht aber Anforderungen an den Primärenergiebedarf oder die Dämmung von Gebäuden.
Unabhängig davon sieht der GEG-Entwurf eine technologieoffene Ausgestaltung der 65 Prozent EE-Vorgabe vor. Gebäudeeigentümer können frei wählen, mit welcher Heizungsanlage sie diese Vorgabe erfüllen wollen. Dazu zählen alle Arten von Heizungstechnologien, die 65 Prozent der Wärme mit erneuerbaren Energien oder Abwärme erzeugen. Der Eigentümer kann die Vorgabe entweder durch einen individuellen Nachweis oder durch die Wahl einer der im GEG-Entwurf genannten verschiedenen pauschalen Erfüllungsoptionen umsetzen. Die neuen Anforderungen greifen ab dem 01.01.2024 grundsätzlich nur für Neubauten in Neubaugebieten. Für alle übrigen Gebäude greift die 65 Prozent EE- Vorgabe erst später, wobei die Fristen mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt sind. Zudem gelten großzügige Übergangsfristen für die Erfüllung der 65 Prozent EE-Vorgabe. Es ist also genug Zeit, sich langsam umzustellen.
Wie kann das Bauen in Deutschland günstiger werden, das heißt, welche wichtigen Maßnahmen müssen jetzt unmittelbar umgesetzt werden?
Ein wichtiges Anliegen ist die Überprüfung der DIN-Normen und ihrer Kosten. Dies hat auch das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ als Maßnahme zur Begrenzung der Baukosten bekräftigt. Klar ist, dass es sich bei der Normung um eine wichtige Arbeit handelt, ohne die ein sicheres Bauen nicht möglich wäre. Allerdings steht Normung nicht für sich allein. Deshalb setzen wir uns bei dem Deutschen Institut für Normung (DIN) dafür ein, dass bei der Erarbeitung von Normen im Bauwesen wirtschaftliche Zusammenhänge eine Rolle spielen, und dass im DIN eine Folgekostenermittlung in allen für den Wohnungsbau relevanten Normungsprozessen stattfindet.
Das Maßnahmenpaket im Bündnis bezahlbarer Wohnraum umfasst darüber hinaus im Themenfeld „Begrenzung der Baukosten“ Maßnahmen, mit denen das serielle und modulare Bauen gestärkt wird. Dazu gehören die Ausweitung der Förderung für den Aufbau von Kapazitäten für den seriellen und modularen Neubau und für die Einrichtung einer Geschäftsstelle und eines runden Tisches „Serielles, modulares & systemisches Bauen“ in Berlin bei der Bundesstiftung Bauakademie. Wichtig ist auch die Verankerung von Regelungen in den Landesbauordnungen durch die Länder, dass bereits einmal erteilte Typengenehmigungen auch bundesweit gelten.