Wirtschaft

Der DWN-Marktreport: US-Wirtschaftsdaten treten wieder in den Vordergrund

Die vergangene Woche war eine Woche mit vielen makroökonomischen Ankündigungen, die die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte zusätzlich zu den herrschenden geopolitischen Unsicherheiten zu verdauen haben. Teils heftige Kursauschläge sind die Folge.
07.11.2023 11:01
Aktualisiert: 07.11.2023 11:01
Lesezeit: 4 min
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Der DWN-Marktreport: US-Wirtschaftsdaten treten wieder in den Vordergrund
Seit der vergangenen Woche stehen klassisch-makroökonomische Ankündigungen im Vordergrund der Preisfindung an den Märkten. (Foto: dpa) Foto: Hauke-Christian Dittrich

Zwar bleibt der an Heftigkeit zunehmende Nahost-Konflikt ein wichtiger, durchaus überraschungsbehafteter Faktor, allerdings stehen seit der vergangenen Woche andere, sozusagen klassisch-makroökonomische Ankündigungen im Vordergrund der Preisfindung an den Märkten.

US-Notenbank und Arbeitsmarktbericht im Fokus der Anleger

Die im Ergebnis ereignislose Zinssatzentscheidung der US-Notenbank vom vergangenen Mittwoch entsprach exakt den Erwartungen. Die in der auf die Zinssatzentscheidung folgenden Pressekonferenz verlautbarte Andeutung Jerome Powells, dass die Fed den aggressivsten Straffungszyklus seit vier Jahrzehnten nun beendet haben könnte, war jedoch ein Schwenk, der von den Märkten außerordentlich begrüßt wurde. So distanzierte sich der Fed-Chef von den sogenannten Dot-Plots vom September, die gezeigt hatten, dass die Beamten bis zum Jahresende mit einer weiteren Zinserhöhung gerechnet hatten. Auch wischte er die Besorgnis über steigende Inflationserwartungen beiseite, die in einer jüngsten Umfrage der University of Michigan ermittelt wurden - ein Indikator übrigens, den er bei der ersten Zinserhöhung der Fed noch als äußerst bedeutsam angeführt hatte. Während die Fed also keine formellen Änderungen ihrer Politik vornahm, wurde die Pressekonferenz von Powell weithin als dovish empfunden.

In der Zwischenzeit fielen die Wirtschaftsdaten größtenteils eher verhalten aus. Der Arbeitsmarktbericht vom Freitag war mit einem Zuwachs von 150.000 neugeschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft nicht schlecht, jedoch blieb die Zahl hinter den Erwartungen (180.000, Vormonatswert: 336.000) zurück. Außerdem wurden die Daten für die beiden Vormonate nach unten korrigiert.

Das monatliche Lohnwachstum fiel geringer aus als erwartet, und die Arbeitslosenquote stieg auf 3,9 % an. Auch andere Indikatoren fielen in der vergangenen Woche eher mittelmäßig aus, darunter der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe, bei dem der Teilindex für die Beschäftigung sogar in den Bereich der Kontraktion fiel. Den Märkten jedenfalls gefiel, was sie hörten. So legte der S&P 500 in der vergangenen Woche um mehr als 6 % zu und vollendete damit nicht nur seine stärkste Rally seit drei Wochen, sondern legte zudem die beste Wochenperformance seit einem Jahr hin. Auch bei den Anleihen hat sich die Lage entspannt.

Die 10-jährigen Rendite, die Mitte Oktober kurzzeitig die 5 %-Marke überschritten hatte, fiel auf 4,6 % zurück. Die Bewegungen an den Anleihemärkten vom Oktober, als die Benchmark-Renditen für längerfristige Anleihen den höchsten Stand seit der Finanzkrise erreichten, könnten, wenn sie anhalten, das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr um mehr als einen Prozentpunkt verringern. Zu diesem Schluss kommen unter anderem die Analysten von Standard Chartered. Dabei geben sie zu bedenken, dass eben genau diese Marktbewegung Powell & Co. einen Großteil seiner Arbeit abgenommen hat. Nicht nur, dass weitere Zinserhöhungen damit tatsächlich unwahrscheinlich werden, mittlerweile wird das Gerede über bevorstehende Zinssenkungen bereits sehr deutlich vernehmbar.

China als Bremsschuh

Die positive Grundstimmung fußt tatsächlich primär auf der US-amerikanischen Zinspolitik, der weitere Blick, insbesondere auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt offenbart jedoch Unruhefaktoren und global betrachtet keineswegs Homogenität. So ist die chinesische Industrietätigkeit im Oktober erneut geschrumpft, und das Wachstum im Dienstleistungssektor hat sich unerwartet abgeschwächt, was darauf hindeutet, dass die Wirtschaft nach wie vor anfällig ist und der Unterstützung durch die Behörden bedarf. Diese schwächer als erwartet ausgefallenen Daten werden die Forderungen nach weiteren Konjunkturmaßnahmen aus Peking verstärken, die bereits Anfang Oktober angekündigt wurden.

Das schwache Verbrauchervertrauen, die rückläufige Exportnachfrage und die anhaltenden Turbulenzen im Immobiliensektor des Landes haben allesamt die Konjunktur belastet. Erdöl hat angesichts dieser im Hintergrund schwelenden Entwicklungen seine zuvor aufgelaufene Kriegsprämie bereits wieder vollständig abgebaut und wird aktuell mehr oder weniger ausschließlich durch die gerade bis Jahresende verlängerte Produktionskürzungen der OPEC+-Gruppe gestützt.

Die relativ bescheidene Industrietätigkeit im Land sorgt aktuell für eine regelrechte Kohleschwemme, die robuste inländische Produktion und die steigenden Importe drohen die kommende Welle der Winternachfrage zu überwältigen. So sind die Preise für Chinas wichtigsten Brennstoff nachhaltig unter Druck geraten und Analysten warnen, dass die Ende des Monats beginnende Winterheizsaison nicht ausreichen wird, um die niedrige industrielle Nachfrage auszugleichen. Das ist gut für die Inflationsentwicklung, nicht jedoch für die, auch weltweiten, wirtschaftlichen Aussichten.

Noch ein kleiner Exkurs: Auf den globalen Zuckermärkten sieht es allmählich nach einer der schlimmsten Knappheiten der Geschichte aus. Der weltweit führende Händler des Süßstoffs verglich die Episode mit dem epischen Defizit der Jahre 2010 und 2011, als die Preise ein Dreißigjahreshoch erreichten (36 ct/Pfund, jetzt 28 ct/Pfund). Allerdings könnte die sich daraus auch für den privaten Anleger ergebende Chance kurzlebig sein, denn in den brasilianischen Häfen stapeln sich die Zuckerexporte eines ganzen Monats. Sollten diese ihren Weg auf den Weltmarkt finden, wäre das Ende der Rally abzusehen.

Gold profitiert weiter

Die 200-Dollar Rally des gelben Edelmetalls fand am Freitag der vorvergangenen Woche bei knapp 2.010 Dollar pro Unze ihr (vorläufiges?) Ende. Immerhin gut 11 % legte Gold unter anderem in Folge des Terrorangriffs auf Israel und der damit einhergehenden geopolitischen Unsicherheiten einsetzende Fluchtbewegung in den „sicheren Hafen“ zu. Nach dem Gold an dieser Stelle einen Teil seiner Kriegsprämie zu verlieren begann, waren es eben jene Pressekonferenz der US-Fed sowie die jüngsten US-Arbeitsmarktdaten, die für neuen Auftrieb sorgten. Konkreter werdende Indizien für mindestens ein Ende des Straffungszyklus, wenn nicht ein Wanken des „Higher for Longer“-Mantras drücken seitdem auf Dollar und Renditen.

Nicht nur als geldpolitische Stütze, sondern auch als potente Käufergruppe bleiben die Zentralbanken aktiv. Diese haben sich im laufenden Jahr mit mehr Gold eingedeckt als bisher angenommen und damit die Preise, die durch die weltweite Straffung der Geldpolitik unter Druck geraten sind, entscheidend gestützt. Allein im dritten Quartal haben die Länder ihre Goldreserven um 337 Tonnen aufgestockt, wie der World Gold Council Ende Oktober mitteilte. Damit übertrafen sie ihren Fünfjahresdurchschnitt um 8 %. In den ersten neun Monaten lagen die Zentralbankkäufe bei 800 Tonnen, was einem Anstieg von 14 % gegenüber dem Vorjahr entspricht, und schon 2022 erwarben die Zentralbanken so viel Gold wie nie zuvor. Schon da bildete der Kaufrausch der Notenbanken ein Gegengewicht zu den Verkäufen der Anleger und trug auch dazu bei, dass der Preis in der vergangenen Woche über 2.000 Dollar je Unze stieg. Diese Robustheit der Käuferseite hat dazu geführt, dass sich Gold zunehmend von den inflationsbereinigten Renditen der Staatsanleihen abkoppelt, die normalerweise eine wichtige Triebkraft für unverzinsliche Goldbarren sind.

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Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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