Politik

Spanien soll künftig mit katalanischen Separatisten regiert werden

Lesezeit: 2 min
09.11.2023 11:42  Aktualisiert: 09.11.2023 11:42
Ministerpräsident Pedro Sanchez hat die katalanischen Separatisten mit massiven Zugeständnissen für eine Regierungsbildung gewonnen, berichten spanische Medien.
Spanien soll künftig mit katalanischen Separatisten regiert werden
Protest in Madrid gegen die geplante Amnestie für katalanische Separatisten im Zusammenhang mit der Regierungsbildung in Spanien. (Foto: dpa)
Foto: Paul White

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In Spanien ist der geschäftsführende Ministerpräsident Pedro Sanchez nach Medienberichten fast am Ziel, mit Hilfe katalanischer Separatisten eine neue Regierung zu bilden. Der Sender TVE und die Zeitung „La Vanguardia“ berichteten am Donnerstag, die sozialistische PSOE von Sanchez habe mit der katalanischen Separatistenpartei Junts eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Weder PSOE noch Junts bestätigten dies zunächst.

Die Zeitungen „El Pais“ und „El Mundo“ berichteten übereinstimmend, nun fehle nur noch die Zustimmung der baskischen Nationalisten-Partei PNV für eine Regierungsbildung. "El Pais" schreibt unter Berufung auf PSOE-Kreise, die Verhandlungen mit PNV seien in einem fortgeschrittenen Stadium, man stehe kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens. Beobachter fürchten, dass damit eine neue Phase politischer Instabilität droht, denn die katalanischen Separatisten halten am Ziel einer Loslösung von Spanien fest.

Sanchez will sich auf mehrere kleine Parteien stützen

Sanchez hatte nach der Parlamentswahl im Juli eine Koalition mit der linksgerichteten Sumar gebildet. Allerdings braucht er für eine Bestätigung im Amt des Regierungschefs die Unterstützung weiterer kleiner Parteien. Sanchez ist seit 2018 Ministerpräsident und führt seit 2020 eine Minderheitsregierung. Bei der Wahl hatte seine PSOE zwar weniger Sitze erhalten als die Konservativen unter Oppositionsführer Alberto Nunez Feijoo. Dieser verfehlte im Parlament jedoch die für eine Regierungsbildung erforderliche Mehrheit. Daraufhin nahm Sanchez Verhandlungen auf.

Junts hat zur Bedingung für die Unterstützung von Sanchez eine Amnestie für verurteilte Separatisten verlangt. Diese waren 2017 an dem Versuch beteiligt, Katalonien für unabhängig zu erklären. Bereits Anfang November hat die PSOE eine Vereinbarung mit der katalonischen Separatisten-Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) geschlossen.

Große Vorbehalten gegen geplante Amnestie

Die geplante Amnestie ist im Land und in der Europäischen Union (EU) umstritten. In einer Umfrage von Mitte September sprachen sich rund 70 Prozent der Befragten gegen eine Amnestie aus - davon 59 Prozent Anhänger der Sozialisten. 69 Prozent der Befragten meinten, dass die Anführer der Separatisten 2017 ein Verbrechen begangen hätten. Zudem hat das oberste Aufsichtsgremium der spanischen Gerichtsbarkeit, der Consejo General del Poder Judicial, massive Bedenken an dem Vorhaben geäußert. Diese Linie vertritt auch EU-Justizkommissar Didier Reynders. In einem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben an die Regierung in Madrid äußerte er ernste Bedenken an den Plänen für ein Amnestiegesetz.

Prominentester Nutznießer der Amnestie wäre der ehemalige Chef der katalanischen Regierung, Carles Puigdemont. Der Junts-Politiker hatte Katalonien 2017 nach einer umstrittenen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Die Zentralregierung warf ihm daraufhin Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Das Verfassungsgericht sah in dem Vorgehen des Katalanen einen Bruch der Verfassung. Die katalanische Regionalregierung wurde damals von der Zentralregierung entmachtet, Neuwahlen angeordnet und Puigdemont zur Fahndung ausgeschrieben. Er setzte sich daraufhin ins Ausland ab, unter anderem nach Deutschland. Sanchez hatte einst geschworen, Puigdemont vor Gericht zu stellen.

Die Konzessionen von Sanchez an die Separatisten hat bereits Anhänger des konservativen und rechten Spektrum auf die Straßen getrieben. Am Montagabend demonstrierten rund 4000 Menschen vor der PSOE-Parteizentrale in Madrid. Sie forderten, Sanchez ins Gefängnis zu werfen und beanspruchten das „Recht der Spanier Spanien zu schützen“. Sanchez konterte auf X: „Der Angriff auf das PSOE-Büro ist ein Angriff auf die Demokratie und auf alle, die daran glauben.“ Die Polizei löste die tumultartigen Proteste nach Medienberichten mit Tränengas und Gummigeschossen auf. (Reuters)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...