Weltwirtschaft

Ratgeber: Wenn der Autovermieter für den Kunden keinen Wagen hat

Lesezeit: 3 min
03.12.2023 16:06  Aktualisiert: 03.12.2023 16:06
Von Beschwerden über Mietwagen-Verleiher hört man immer wieder mal. Die gebuchte Fahrzeugklasse nicht vorhanden, überteuerte Zusatzversicherungen, unfaire Tankregelung - alles weitgehend bekannt und geregelt. Was aber, wenn etwa Alamo/Enterprise, mit 2,5 Millionen Fahrzeugen größter Rental-car-Anbieter der Welt, überhaupt kein Auto zur Verfügung stellt - mitten in Berlin und trotz Frühbuchung Wochen zuvor? Nur eine Ausnahme?

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Dienstag früh um neun Uhr in Berlin-Mitte am Checkpoint Charlie. Die Koffer sind gepackt, nur noch die Schlüssel vom Verleiher holen, dann auf die Piste nach Lyon in Frankreich. Die Buchung ausgedruckt, Führerschein und Personalausweis vorgelegt. was kann schief gehen?

„Wir haben leider kein Auto für Sie!“, sagt der Mitarbeiter von Enterprise-Rent-a-car Friedrichstraße. Die Fassungslosigkeit lässt sich kaum in Worten auflösen. „Das ist nicht ihr Ernst“, sagt der Kunde. Emil, die studentische Hilfskraft hinter dem Tresen, ist zerknirscht und sagt: „Ich habe weder einen größeren noch einen kleineren Magen als ihre gewünschte Mittelklasse. Wir sind blank."

Unfallautos, Pannen oder einfach zu spät zurückgegeben

Der US-Amerikaner, der zuerst in der Schlange am Schalter stand, hat seinen Pass im Hotel vergessen. Emil beteuert, seine Registrierung in Berlin, sei ausreichend, er mache eine Ausnahme, dann bekomme er seinen Wagen. Der Tourist ahnt, während er sein Hotel anruft, welch Glück er heute hat. Die Dame mit dem Transporter, die als nächstes ansteht, wird nämlich auch Pech haben, wie vermutlich noch einige weitere Kunden an diesem Tag in Deutschlands Hauptstadt. Dass Enterprise/Alamo dort diverse Filialen, also in vielen Tiefgaragen eine Rent-a-car-Station unterhält, nützt da nichts.

Woran das liegt? Unfallautos, Fahrer, die nicht pünktlich ihren Leihwagen retourniert haben, eine technische Panne. Alles möglich. Womöglich auch Überbuchungen, wie man es von Fluggesellschaften häufig gehört hat? Nicht vergleichbar. „Es gibt hier ein ganz klar vorgeschriebener Ablauf. Der Kunde hat jedes Recht, sich einen Ersatzwagen zu besorgen, und die Mehrkosten werden von FTI Touristik oder anderen unser vertraglichen Anbietern erstattet“, beteuert ein Sprecher der Plattform Billiger Mietwagen, die vom Kunden beauftragt worden war mit der Buchung des Fahrzeugs.

„Manchmal lassen Vermieter auch mal ein Taxi springen“

Manchmal lassen die Mitarbeiter sogar ein Taxi springen, um einen Kunden direkt zur nächsten Station zu bringen“, sagt Frieder Bechtel, Sprecher des in Deutschland beliebten Rental-car-Vermittlers. Er hält derlei Fälle für „eher seltene Ausnahmen“, vielleicht ein Prozent aller Fälle“. Emil, der Student, versucht die unzufriedenen Kunden irgendwie zu

beruhigen. Tauschen möchte in der Lage keiner mit ihm. Er sagt noch, dass passiere hier „schon immer wieder mal“. Sein Vorgesetzter in London dem dürfe man damit aber „gar nicht erst kommen, sonst könne man „gleich die Papiere holen“. Seine Kollegin aus der Garage nickt und versucht, die aufgebrachten Kunden zu besänftigen: „Sie bekommen doch ihr Geld voll zurück erstattet“, glaubt sie. Da ist sie sich offenkundig aber nicht sicher.

Die aufgebrachte Kundin verlangt Schadensersatz

Die Dame mit dem Transporter reicht diese Auskunft nicht, sie hat einen Transport organisiert, und nun droht ihre ganze Planung den Bach runterzugehen. Sie verlangt Schadensersatz und hofft, bei der Konkurrenz von Sixt auf die Schnelle einen anderen Transporter zu ergattern, auch kurzfristig. In Berlin könnte das klappen, es gibt immerhin reichlich Alternativen. Hertz zum Beispiel hat ein Büro am alten Grenzkontrollpunkt direkt vis-à-vis. Sie stellen einen Corsa bereit für den Trip nach Frankreich, mit Out-of-Country-Zuschlag. In Kleinstädten läuft das zumeist nicht so reibungslos. Von den fälligen Top-Zuschlägen ganz zu schweigen. „Stehenbleiber“ werden die Betroffenen laut Branchenslang bezeichnet

Frieder Bechtel, der Mann von Billiger Mietwagen an der Publicity-Front, sagt: „Für uns ist kein Thema. Da gibt es natürlich Schadensersatz.“ Und zwar im konkreten Fall von FTI Touristik in München, dem Veranstalter und eigentlichen Vertragspartner des Mietwagen-Anbieters Alamo. Der Pressesprecher verweist auf den Voucher, den jeder nach Buchung auf ihrer Plattform, erhält. Den sollte jeder ausdrucken und in der Hinterhand haben.

Der Voucher sei vergleichbar zu nennen bei Pauschalreisen, also de facto„ voll versichert“. „Das ist bei uns was ganz anderes als nur die Reservierung beim Vermieter.“ Stehenbleiber, wie die Betroffenen Branchen-intern genannt werden, seien ein Phänomen schlecht organisierter Verleiher. Alamo zähle alles Branchengröße Nummer 1 eher nicht dazu. Manchmal sei aber auch„ einfach das Personal schlecht geschult“, wenn es etwa um verbindliche Aufklärung über die Verbraucherrechte geht. Bechtel räumt jedoch ein, dass es bei einigen Verleihern durchaus aufs Kleingedruckte ankommt. Bei FTI Touristik sollte die Verarbeitung von Beschwerde und Erstattung der Kosten indessen nicht mehr als vier Wochen Bearbeitungszeit beanspruchen“.

Üblicherweise gehe es bei Kundenbeschwerden, um den falschen Wagen in der Garage oder vor allem in Spanien oder Osteuropa um aufgeschwatzte Zusatzversicherungen mit Falschaussagen zum Erstattungsschutz. Eine detaillierte Erfassung über die Dunkelziffer so genannter Stehenbleiber würden in der quartalsweisen Reklamationserfassung nicht ausgewiesen.

Matthias Willer aus Delmenhorst freilich hatte in derselben Oktober-Woche ein ähnliches Problem erlebt beim Leihen eines PKW für einen Trip an die polnische Ostsee. Er konnte kurzfristig keinen anderen Vermieter in seiner Nähe aufbringen, musste seinen Freund Klaus um dessen Privatwagen ersuchen. „Unser Anbieter hat mir zugesagt, die Fahrt mit dem Privatwagen per Pauschale für jeden gefahrenen Kilometer zu entschädigen. Das klingt fair“, findet Heller, „wir haben die Kilometerstände und Zustand des Wagens per Handy-Foto dokumentiert.“ Ein Tipp aus der Praxis, der für Bechtel von Billiger Mietwagen „am Ende des Vorgangs auch zum Erfolg führen sollte“.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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