Immobilien

Einbruch der Wohneigentumsquote bei junger Generation

Lesezeit: 3 min
13.11.2023 17:10  Aktualisiert: 13.11.2023 17:10
Immer weniger jüngere Menschen leben heute im Wohneigentum. Dies trägt zu der schon hohen ungleichen Vermögensverteilung bei: Deutschland ist in Europa der Spitzenreiter wenn es um ungleiches Vermögen geht. Laut Experten wirkt sich die Eigentumsquote positiv auf eine ausgewogene Vermögensverteilung aus. Wie kann man dem Trend des rückläufigen Wohneigentums bei der jungen Generation entgegenwirken?
Einbruch der Wohneigentumsquote bei junger Generation
Die Wohneigentumsquote bei Menschen im Alter von 25-45 Jahren geht immer weiter zurück. (Foto: istockphoto.com/Bet Noire)
Foto: Bet_Noire

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nur noch jeder vierte Haushalt im Alter von 25-45 Jahren lebt heute in Deutschland im Wohneigentum. In den letzten zehn Jahren haben eine Millionen Haushalte weniger den Sprung ins Wohneigentum geschafft als in der Dekade davor, trotz günstiger Rahmenbedingungen in der Niedrigzinsphase. Im Jahr 2010 lebten 32 Prozent der 25- bis 45-Jährigen in Wohneigentum, im Jahr 2014 waren es 29 Prozent, in 2018 dann 27 Prozent und im Jahr 2022 nur noch 26 Prozent.

Bei dem diesjährigen ifs Wohnpolitischen Forum des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) in Berlin letzte Woche wurde betont, dass Eigenkapital und die Zinslast die aktuellen größten Hürden sind, die junge Menschen vom Erwerb einer Immobilie abhalten. Man braucht heute erheblich mehr Eigenkapital, um eine Immobilie finanzieren zu können, und dazu kommen die stark angestiegenen Zinsen der vergangenen Monaten. Deshalb entscheiden sich aktuell deutlich weniger Haushalte für Wohneigentum.

Fokus: Generationengerechtigkeit

Gerade jüngere Menschen hätten momentan kaum Perspektiven, Wohneigentum zu bilden, obwohl sich die meisten dies wünschen, sagte Oda Scheibelhuber, Vorsitzende des ifs Institut Wohneigentum im DV. „Der gesellschaftspolitische Stellenwert von Wohneigentum für breite Schichten findet sich in der Wohnungspolitik leider kaum noch wieder. Im Bundeshaushalt sind nurmehr 350 Millionen Euro explizit für die Eigentumsförderung von Familien vorgesehen.“

Aktuell machten es die Zinswende und explodierende Baukosten bei hohen Immobilienpreisen insbesondere Familien mit durchschnittlichen Einkommen in vielen Teilen Deutschlands unmöglich, eine Immobilie zu kaufen oder zu bauen. "Wir sollten erkennen, wie sehr das Wohneigentum dafür geeignet ist, das Leben planbarer zu machen und für Generationengerechtigkeit zu sorgen“, betonte Scheibelhuber.

Höhere Wohneigentumsquote positiv für gerechtere Vermögensverteilung

In seiner Rede bei dem Forum wies Professor Oliver Lerbs von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen darauf hin, dass eine höhere Wohneigentumsquote sich positiv auf eine gerechtere Vermögensverteilung auswirkt. Und auch in Deutschland hat der Immobilienboom - überraschenderweise - mit den Wertsteigerungen dazu geführt, dass die Vermögensverteilung etwas ausgeglichener wurde.

Das Netto-Vermögen einer Person setzt sich zusammen aus Finanzvermögen (wie Bargeld, Einlagen auf Girokonten, Sparguthaben, Aktien, Fondsanteile, Private Renten-/Lebensversicherungen) und Sachvermögen (selbstgenutztes Eigenheim oder anderer Grundbesitz, zum Beispiel Mietwohnung zur Kapitalanlage, Gewerbebetrieb, PKW oder Schmuck) minus Verbindlichkeiten wie Hypothekenkredite, Konsumentenkredite, BAföG-Schulden, offene Rechnungen oder Kredite für Geschäftstätigkeit.

Deutschland: An der Spitze der Vermögensverteilung-Ungleichheit in Europa

In Deutschland sind die Vermögen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr ungleich verteilt, so das das Land der Spitzenreiter in Europa ist, wenn es um ungleiches Vermögen geht.

Was erklärt man diese hohe Vermögensungleichheit? Lerbs zufolge ist die Antwort Wohneigentum: Je mehr Wohneigentum in einer Bevölkerung, desto geringer die Vermögensungleichheit. Wohneigentümer bauen mehr Vermögen als Mieter auf wegen dem sogenannten „Commitment Device“. Menschen die Wohneigentum haben, sparen automatisch weil sie gezwungen sind, ihr Darlehen zurückzuzahlen, bis hin zum langfristigen Sparen und Vermögensaufbau. Wenn Immobilien an Wert steigen, erhöhen Eigentümer ihr Vermögen. Wohneigentümer sind im Durchschnitt vermögender als Mieter.

Lerbs sagte das Lehrstück aus 10 Jahren Immobilienboom in Deutschland ist, dass die Vermögensverteilung infolge des Booms gleichmäßiger geworden ist. „Hätte zu Boom-Beginn mehr Menschen Wohneigentum gehabt, wäre dieser Effekt jedoch deutlich grösser gewesen“.

Wie kann die Politik zu mehr Wohneigentum beitragen?

Nach Ansicht von Lerbs wären Ansätze zur langfristigen Stabilisierung der Wohneigentumsquote seitens der Regierung zum Beispiel die Schaffung von Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer und die Notwendigkeit in einer mehr flexiblen Art und Weise über Eigenkapital nachzudenken (zum Beispiel die Flexibilisierung von Kapitalanforderungen bei Wohneigentumsfinanzierung). Die Flexibilisierung energetischer Vorgaben im Neubau, insbesondere aber auch im Bestandserwerb, sind auch sehr wichtig.

Laut dem DV ist eine ganzheitliche Wohneigentumspolitik dringend nötig, damit mehr jüngere Menschen wieder Wohneigentümer werden. Der Verband sagte bei dem Forum die Wohneigentumspolitik der Bundesregierung müsste gestärkt werden. „Der DV und das ifs Wohnpolitische Forum haben dazu ein umfassendes Maßnahmepaket vorgeschlagen ... darunter fällt neben der verbesserten Familienförderung auch das Auflegen eines neuen Programms „Jung kauft Alt“ für den Bestandserwerb.“

Scheibelhuber zufolge ist das Thema Wohneigentum die große soziale Frage unserer Zeit und muss in der Politik priorisiert werden. „Eine ‚Jung kauft Alt‘ Bestandsförderung muss kommen und muss in die Breite gehen damit sich die Wohnmarkt-Krise in Deutschland nicht weiter verschärft“, betonte sie.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Putin fördert intensivere Geschäftspartnerschaften mit China
18.05.2024

Putin hat während seines Staatsbesuchs in China eine Stärkung der wirtschaftlichen Kooperation betont und die Sanktionen des Westens...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Überraschende Wende: China nicht mehr Deutschlands Top-Handelspartner
18.05.2024

Für eine beträchtliche Zeit war die Volksrepublik Deutschland der primäre Handelspartner. Jetzt besteht die Möglichkeit, dass China...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nike schnappt Adidas die Nationalmannschaft weg: Der DFB kennt keine Gnade
18.05.2024

Über 70 Jahre waren sie eine Einheit – die deutsche Nationalmannschaft in ihren Adidas-Trikots und ihren Schuhen mit den drei Streifen....

DWN
Finanzen
Finanzen Günstiger Urlaub? Versteckte Kosten, die Sie unbedingt im Blick haben sollen!
18.05.2024

Sie haben Ihren Sommerurlaub bestimmt schon geplant und freuen sich darauf, eine schöne Zeit am Strand zu verbringen und sich zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Schulden-Restrukturierung: Ukraine braucht weitere Zugeständnisse von Investoren
18.05.2024

Die Ukraine will möglichst schnell ihre Finanzierung über den Kapitalmarkt neu aufstellen. Es geht um bereits am Markt platzierte...

DWN
Politik
Politik Für immer beschützt von Uncle Sam? Warum Europa nicht mehr auf die Hilfe der USA zählen sollte
18.05.2024

Sinkt das Interesse der USA an Europa? Für Jahrzehnte galt es als gesichert, dass die Vereinigten Staaten von Amerika Westeuropa vor...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Klimawandel führt zu weniger Ertrag und Qualität bei Reis
18.05.2024

Japanische Forscher wollten herausfinden, wie sich der Klimawandel auf die Reisernte auswirkt. Dafür haben sie mehrere Szenarien...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DWN-Kommentar: 4-Tage-Woche und Work-Life-Balance - das ist doch ein unternehmerischer Alptraum!
17.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...