Weltwirtschaft

Deutsche Börsenprofis überraschen mit Optimismus

Lesezeit: 3 min
14.11.2023 12:30  Aktualisiert: 14.11.2023 12:30
Börsenprofis bewerten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft wieder positiver. Überraschend steigt der ZEW-Index erstmals seit April in den positiven Bereich. Was steckt dahinter?
Deutsche Börsenprofis überraschen mit Optimismus
Der ZEW-Index liegt wieder im positiven Bereich. Woher kommt der Optimismus? (Foto: dpa)
Foto: Patrick Pleul

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Börsenprofis bewerten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft im November den vierten Monat in Folge weniger pessimistisch. Das Barometer zur Einschätzung der Konjunktur im nächsten halben Jahr stieg um 10,9 Punkte auf plus 9,8 Zähler und liegt damit erstmals seit April wieder im positiven Bereich, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter 174 Analysten und Anlegern mitteilte. Zugleich stabilisiert sich die Einschätzung der aktuellen Lage: Dieses Barometer stieg minimal um 0,1 auf minus 79,8 Zähler.

"Es erhärtet sich somit der Eindruck, dass die Talsohle der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland erreicht ist", kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach. Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank reagierte eher skeptisch: "Woher der Erwartungsanstieg plötzlich kommt, bleibt ein Rätsel." Offenbar setze sich die Auffassung durch, "dass es angesichts der desolaten Lage künftig nur besser werden kann", sagte Krüger. "Die ZEW-Befragung festigt die Aussicht auf eine vorerst bestenfalls stagnierende Wirtschaftsleistung."

Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im Sommer um 0,1 Prozent und dürfte mit einem von Ökonomen erwarteten Schwächeln im laufenden Quartal dann in eine vorübergehende - sogenannte technische - Rezession rutschen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Europas größte Volkswirtschaft nächstes Jahr wieder Tritt fasst. Demnach dürfte es 2024 und 2025 dann Wachstumsraten von 1,3 und 1,5 Prozent geben.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg des ZEW-Index auf plus 5,0 Punkte gerechnet. Sie sagten in ersten Reaktionen:

JÖRG ANGELE, BANTLEON:

"Da die vom ZEW befragten Analysten die wirtschaftliche Lage nach wie vor so ungünstig beurteilen wie selten zuvor, ist es für viele von ihnen offenbar logisch, dass sich die Konjunktur nicht noch weiter eintrüben kann - die Erwartungen hellen sich daher auf. Positiv dürfte sich darüber hinaus das in der vergangenen Woche von der Bundesregierung beschlossene Strompreispaket für Industrieunternehmen ausgewirkt haben. Das Ergebnis der ZEW-Umfrage im November ist kompatibel mit unserer Annahme eines erneuten BIP-Rückgangs im vierten Quartal. Unseres Erachtens gibt es angesichts der mannigfaltigen Belastungsfaktoren kaum Grund zur Annahme einer baldigen Konjunkturbelebung. Spätestens wenn die von uns prognostizierte US-Rezession eintritt, dürften auch die ZEW-Konjunkturerwartungen wieder nach unten drehen."

RALF UMLAUF, HELABA:

"Vierte Stimmungsaufhellung in Deutschland in Folge. Mit dem neuerlichen Anstieg setzt sich die Verbesserung der Stimmungslage unter Analysten und Vermögensmanagern fort. Inzwischen konnte der ZEW-Saldo der Konjunkturerwartungen sogar positives Terrain erreichen und dabei die Konsensschätzung zudem übertreffen. Auch der Saldo der Lageeinschätzungen scheint nun nach einer Serie von Rückgängen einen Tiefpunkt gefunden zu haben. In der Summe weist der Anstieg der ZEW-Salden auf ein ebenfalls verbessertes Ifo-Geschäftsklima Deutschland hin. Zinssenkungsfantasien bezüglich der Europäischen Zentralbank (EZB) dürften in der Tendenz gedämpft werden."

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

"Die ZEW-Konjunkturerwartungen legen im Oktober deutlicher zu als erwartet worden war, doch die Gesamtschau zeigt, dass sich das Konjunkturbarometer damit lediglich stabilisiert. Eine Stabilisierung von Konjunkturfrühindikatoren ist bereits eine gute Nachricht. Es rechnet niemand damit, dass die deutsche Wirtschaft plötzlich in eine Phase dynamischen Wachstums übertritt, es wäre aber gut, wenn sich die schwierige wirtschaftliche Situation nicht weiter verschärft.

Für den etwas besseren Wirtschaftsausblick gibt es sicherlich nicht den einen Grund, sondern mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Die Energiepreise sind binnen Jahresfrist merklich gefallen. Das gilt insbesondere für Strom und Gas. Darüber hinaus hat sich die Zinssituation nicht weiter verschärft. Die EZB signalisiert mittlerweile recht unverklausuliert, dass das Zinshoch erreicht ist. Dies steht natürlich im Zusammenhang mit dem geringeren Inflationsdruck. Letzterer spielt für die Stabilisierung wichtiger Konjunkturvorlaufindikatoren ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Kaufkraft wird weniger stark geschmälert als dies noch vor einigen Monaten der Fall war. Hält der Trend fallender Inflationsraten an, sind auch wieder Reallohnzuwächse möglich. Das würde konjunkturell positiv wirken.

Der Konjunkturverlauf ähnelt weiterhin dem berühmten Ritt auf der Rasierklinge zwischen leichtem Wachstum und rückläufigen Bruttoinlandsprodukt. Mehr liegt derzeit nicht drin."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Panorama
Panorama Böllerverbote Silvester 2024: Diese Regeln gelten in deutschen Städten
28.12.2024

Böllerverbote Silvester 2024: Feuerwerksfans müssen in vielen deutschen Städten erneut mit Einschränkungen rechnen. Zahlreiche Kommunen...

DWN
Panorama
Panorama Nach Flugzugabsturz: Kremlchef Putin entschuldigt sich
28.12.2024

Nach dem Absturz eines aserbaidschanischen Flugzeugs sah sich Moskau Schuldvorwürfen ausgesetzt. Nun ruft Kremlchef Putin seinen...

DWN
Immobilien
Immobilien Energieeffizienz im Immobilienmarkt: Was wünschen sich Mieter?
28.12.2024

Das Thema Energieeffizienz und energetische Sanierung ist ein wichtiges auf dem deutschen Immobilienmarkt: Nach dem Europaparlament müssen...

DWN
Finanzen
Finanzen 22 Millionen Menschen nutzen Steuer-Plattform Elster
28.12.2024

Seit 1996 bietet das Bund-Länder-Projekt Elster eine Plattform für die papierlose Steuererklärung. Die Nutzerzahlen zeigen, dass es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Verspätungen, Streiks, Baustellen: Wie die Deutsche Bahn 700 Millionen Umsatz verliert
28.12.2024

Die Deutsche Bahn ist eine Dauerbaustelle und bekommt die Quittung dafür. Die Bilanz 2024 weist alleine im Fernverkehr 700 Mio. weniger...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kraftwerksexperte Manfred Haferburg: "Brownout ist ziemlich sicher zu erwarten”
28.12.2024

Gleich mehrere Dunkelflauten sorgten zum Jahresende 2024 für Rekordstrompreise an der Börse und Produktionsunterbrechungen in der...

DWN
Politik
Politik Estland lässt Unterseekabel Estlink 1 von Marine schützen
28.12.2024

In Estland und Finnland wurde die Weihnachtsruhe durch ein beschädigtes Unterseekabel in der Ostsee gestört. Die Regierung in Tallinn...

DWN
Politik
Politik Südkorea: Auch Interimspräsident Han des Amtes enthoben
28.12.2024

Nach Präsident Yoon Suk Yeol wird nun auch sein Vertreter Han Duck Soo durch eine Parlamentsabstimmung von seinen Aufgaben entbunden....