Europa hat in der Kreativwirtschaft viel vor in den kommenden Jahren. Ein Wandel ist geplant, von Umgestaltung die Rede. Federführend bei der geplanten Transformation ist EIT Culture & Creativity (EIT C&C). Eine Initiative des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie. Es ist die jüngste von neun thematischen Wissens- und Innovationsgemeinschaften in Europa, die zu bestimmten Wirtschaftsthemen von der EU initiiert wurden. Über 70 Millionen Euro sollen jährlich über die frische Initiative in neue Projekte fließen. EIT C&C clustert die Aktionsprogramme in fünf Begriffe mit verbundenen strategischen Zielen: Bildung, Innovation, Erschaffung, Gesellschaft und Systeme. Europa soll geschlossener auftreten, auch im Kulturbereich, so der Plan.
Kunst und Kultur sind mehr als Unterhaltung
Wir erinnern uns. Knapp eine Viertel Millionen deutsche Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft war während der Pandemie direkt oder indirekt von den restriktiven Maßnahmen betroffen. Die erwarteten Verluste durch Covid-19 bezifferte Statista im ungünstigsten Fall mit 28 Milliarden Euro. Von einigen belächelt, handelt es sich doch um einen starken Wirtschaftszweig, der jährlich über 175 Milliarden Euro erwirtschaftet. Europaweit liegen die Einnahmen bei über einer halben Milliarde Euro.
Neu an den Fördermaßnahmen der Europäischen Union ist die Herangehensweise. Kreativität soll im Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeit gedacht werden und ist somit unternehmerisch angelegt. Das EIT C&C will Projekte anregen, die nachhaltig wirken. Auch kleinere Firmen sollen von dem Fördertopf profitieren. Dazu möchte das EIT bewusst ein Angebot der Vereinfachung im europäischen Förderdschungel machen.
Generell soll die Möglichkeit entstehen, Kreative und Innovatoren in ganz Europa zu vernetzen und so zu einem widerstandsfähigeren, nachhaltigeren und transformativen Sektor beizutragen. Es gilt eine künstlerisch motivierte Innovation als unverzichtbaren Teil des europäischen Innovationsökosystems zu stärken. Gleichzeitig die Wertschätzung und Verankerung der europäischen Werte und Identitäten zu stärken und die Position des Kultur- und Kreativsektors und der Kreativwirtschaft zu nutzen, um den grünen, digitalen und sozialen Wandel in Europa voranzutreiben. Das erste Treffen fand Ende Oktober in Barcelona statt. 11 Branchenführer aus ganz Europa versammelten sich dort, um gemeinsam die Möglichkeiten zu besprechen, die das EIT C&C den Akteuren der Branche bieten kann. Beispiele der Zusammenarbeit folgten im Sommer.
Transformationsprozesse in der Gesellschaft voranbringen
Da lud das EIT C&C 28 Studenten und Doktoranden aus verschiedenen europäischen Ländern an die Fakultät für Management und soziale Kommunikation der Jagiellonen-Universität nach Krakau ein. Es ging darum, die Möglichkeiten von Technologien der erweiterten Realität (XR) im Hinblick auf den Schutz, die Bildung und die Förderung des kulturellen Erbes zu erforschen. Im Austausch standen Experten, Forscher, Entwickler von XR-Inhalten und Vertreter des kulturellen Erbes. Die transnationale Zusammenarbeit förderte die Entwicklung neuer Instrumente und Strategien der XR-Technologien. Durch die Untersuchung, wie XR mit dem kulturellen Erbe kombiniert werden kann, wurden Erkenntnisse darüber gewonnen, wie diese Technologien dazu beitragen kann, kulturelle Schätze zu digitalisieren, zu vervielfältigen und einem breiten Spektrum von Menschen zugänglich zu machen.
Themen können aber auch künstlerisch emotional wie im Projekt „Call me“ angelegt werden. Hier wurde bereits 2007 an einem schmelzenden Alpengletscher ein Sensor mit Funkzelle angebracht. So kann bis heute der Gletscher angerufen werden. Zu hören ist das reale Tropfen des schmelzenden Eises. Eine erlebnisorientierte und emotionale Art das Thema Mobilfunk-Technologie mit dem Thema Klimawandel zu verbinden. Kultur- und Kreativunternehmen sind eine wichtige Stütze, um die aktuellen Transformationsprozesse in der Gesellschaft voranzubringen. Die Projekte, die das EIT C&C fördert sollen nachhaltig wirken und keine künstlerischen Einzelveranstaltungen bleiben. „Aktuell gibt es noch keine Projekte. Die ersten Calls sind ausgeschrieben worden und es läuft die Bewilligung. Die Projekte gehen frühestens 2024 an den Start. Das Gesamtvorhaben ist auf 7 + 7 Jahre ausgelegt“, sagt Professorin Christiane Hipp von der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). „Wir vernetzten als BTU unsere Forschungsthemen mit der Kultur- und Kreativbranche. Da sind vielfältige Projekte denkbar. Wichtig ist uns dabei, das Thema Nachhaltigkeit mit zu adressieren. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Kulturlandschaft in der Region (Bergbaufolgelandschaften, Parklandschaften, Industriekultur etc.) sehe ich viele Anknüpfungspunkte. Auch das Thema Digitalisierung kann helfen, regionale Themen (wie sorbische Kultur, Sprache, Kleidung) durch Film, Simulation, Kunstprojekte, Events, überregionale Vernetzung etc. zu befördern“, beschreibt sie mögliche Projektinhalte.
Europa braucht Innovationen
Innovationen sind gefragt. Mehr als je zuvor. Es gilt bei den globalen, kompetitiven Wettlauf, um Ressourcen und Technikvorsprung mitzuhalten oder besser gesagt, als Nation nicht abgehängt zu werden. Dr. Christian Ehler, brandenburgischer EU-Abgeordneter hat maßgeblich an dem neuen EU-Programm mitgewirkt. In seiner Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg zur neuen Europäischen Innovationsagenda betont er mit Sorge den Vorsprung anderer Nationen. „Wir investieren immer noch nicht die 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), die der Rat vor fast 20 Jahren angekündigt hatte. Im Jahr 2021 bleiben wir bei 2,27 Prozent hängen, während die USA bei 3,46 Prozent Südkorea sogar bei fast 5 Prozent liegen“, so sein Fazit. Auch in europäische Rahmenprogramme wie „Horizon Europe“ würde seiner Meinung nach zu wenig investiert. „Wenn wir genügend frühe Forschung, angewandte Forschung und Innovation finanzieren wollen, um die Innovationsfähigkeit langfristig zu sichern, bräuchten wir für das nächste Rahmenprogramm mindestens 200 Milliarden Euro. Das muss Teil unserer langfristigen europäischen Innovationsagenda sein“, sagte er vor dem Europäischen Parlament. Mit Sorge und harten Worten kommentiert er auch die geplanten Kürzungen des Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Jahr 2024. So sollen 20 Millionen Euro beim Europäischen Forschungsrat, 35 Millionen im Gesundheitsbereich und 10 Millionen Euro bei der Sicherheitsforschung gekürzt werden.
Die EU steht vor keiner leichten Aufgabe. Langfristige Ziele und politische Prioritäten gilt es gut abzuwägen. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erfordert zusätzliche Anstrengungen. So hat sich die EU weiterhin verpflichtet der Ukraine finanzielle Entlastung zu bieten und sie bei ihren Wiederaufbau zu unterstützen.