Politik

Haushaltskrise: Lindner will sparen statt neue Schulden zu machen

Finanzminister Lindner will für den Haushalt 2024 keine neuen Schulden aufnehmen, sondern sparen. Aber noch ist das Aussetzen der Schuldenbremse nicht vom Tisch.
01.12.2023 11:00
Aktualisiert: 01.12.2023 11:00
Lesezeit: 2 min
Haushaltskrise: Lindner will sparen statt neue Schulden zu machen
CDU-Chef Friedrich Merz und Finanzminister Christian Lindner streiten am Freitag im Bundestag über die Haushaltskrise. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Finanzminister Christian Lindner will für den Haushalt 2024 keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, sondern sparen. «Wir werden auf der Ausgabenseite umschichten. Dafür, dass wir Zukunftsinvestitionen und bedeutende Vorhaben der Koalition realisieren, werden wir andere überkommene, heute nicht mehr notwendige Ausgaben repriorisieren», sagte der FDP-Politiker am Freitag im Bundestag. «Noch mehr Schulden bei stark gestiegenen Zinsen ist jedenfalls nicht der richtige Weg.» Er wolle lieber Geld für Zukunftsinvestitionen ausgeben als für Zinsen.

Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil ringt die Ampel-Koalition um den Etat für das kommende Jahr. Lindner beziffert die Finanzierungslücke auf 17 Milliarden Euro. Im Gespräch sind diverse Sparmaßnahmen, aber auch eine Aussetzung der Schuldenbremse, um so zum Beispiel die Hilfszahlungen an die Ukraine über Kredite zu finanzieren.

Der Haushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler, sprach sich für den Abbau klimaschädlicher Subventionen aus. «Wann, wenn nicht jetzt?», fragte er. Kindler verwies auch auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das die Bundesregierung verurteilt hat, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Außerdem müsse die Schuldenbremse für Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur erweitert werden.

Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg betonte, CDU und CSU seien bereit, der Koalition konstruktiv bei einer Lösung zu helfen - das setze aber voraus, dass die Ampel im Haushalt umschichte und ernsthaft spare. CDU-Haushälter Christian Haase sagte, frühere Regierungen hätten viel mehr als die 17 Milliarden eingespart. «Das trauen Sie sich nicht zu?», fragte er an die Koalitionäre gerichtet. Außerdem betonte er: «Die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, die Schuldenbremse verhindert die unwichtigen.»

Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch plädierte mittelfristig für die Abschaffung der Regelung im Grundgesetz. «Eine zerrüttete Infrastruktur, eine zerstörte Umwelt und eine unsinnige Schuldenbremse dürfen wir nicht an die nächste Generation vererben. Das wäre zutiefst unmoralisch und ungerecht», sagte sie.

Formal ging es im Bundestag nicht um den Etat für 2024, sondern eigentlich um den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Damit will die Ampel-Regierung zunächst für 2023 die Schuldenbremse aussetzen, um bereits genutzte Kredite nachträglich abzusichern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die Regierung diese Kredite ohne weiteres nicht hätten aufnehmen dürfen. Ohne den Nachtragshaushalt hätte ein verfassungswidriger Haushalt gedroht.

Es geht um fast 45 Milliarden Euro, die großteils für die Energiepreisbremsen, aber auch zur Unterstützung der Flutopfer im Ahrtal ausgegeben wurden. Voraussetzung für die Aussetzung der Schuldenbremse ist, dass der Bundestag eine außergewöhnliche Notlage erklärt. Darüber soll Mitte Dezember abgestimmt werden. Die Bundesregierung argumentiert, die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges beeinträchtigten auch im Jahr 2023 erheblich die staatliche Finanzlage. Auch die Beseitigung der Flutschäden vom Sommer 2021 sei noch nicht erledigt.

Die AfD sieht das nicht als gerechtfertigt an. Rückwirkend für 2023 eine Notsituation zu erklären, sei «in jedem Fall verfassungswidrig», sagte der Haushaltspolitiker Peter Boehringer. Er forderte Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf, dagegen zu klagen. Der AfD selbst fehlt dafür die nötige Zahl der Sitze im Bundestag. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...