Politik

Der Frühling des Merz

Von den meisten Vertretern des Medien-Mainstreams nicht oder nur höchst widerwillig zur Kenntnis genommen, hat es der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz, mit Beharrlichkeit geschafft, seine innerparteiliche Position auszubauen. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass ihm die Kanzlerkandidatur von CDU/CSU kaum noch zu entwinden ist.
Autor
10.12.2023 11:23
Aktualisiert: 10.12.2023 11:23
Lesezeit: 3 min
Der Frühling des Merz
Beharrlich hat Friedrich Merz als Vorsitzender der CDU seine Position ausgebaut. (Foto: dpa) Foto: Jörg Carstensen

Groß war die Aufregung im September dieses Jahres über die jüngste Äußerung des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Mal wieder. Dieser hatte in einem Interview darauf hingewiesen, dass abgelehnte Asylbewerber sich auf Kosten der Allgemeinheit die Zähne richten ließen. Unisono liefen Teile der Presse Sturm – „menschenverachtend“ seien solche Aussagen. Damit liefere Merz nur der AfD die Stichworte, so der Standardvorwurf. Assistiert wurden die Medien auch von Merz-Kritikern innerhalb der Partei, wie dem Vizechef des Arbeitnehmerflügels, Christian Bäumler, von dem bis dahin kaum einer irgendetwas gehört hatte. Bäumler, der seine Stunde gekommen sah, seiner politischen Anonymität zu entfliehen, befand, dass die Äußerungen seines Parteivorsitzenden mit dem „christlichen Menschenbild“ nicht vereinbar seien.

Schon zuvor hatte es mächtig Aufregung gegeben, als Merz in einem Interview im Sommer darauf hingewiesen hatte, dass es auf kommunaler Ebene auch mit den demokratisch gewählten Vertretern der AfD einen pragmatischen Umgang geben müsse. Unisono befand der Medien-Mainstream, sekundiert von politisch Gescheiterten wie beispielsweise dem ehemaligen saarländischen CDU-Ministerpräsidenten Tobias Hans, Merz könne es nicht, seine Tage als Vorsitzender der CDU seien gezählt.

Anfangsschwierigkeiten

Tatsächlich hatte sich Merz, als er neben dem Vorsitz der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU im Januar 2022 auch den Bundesvorsitz der CDU übernahm, vor allem mit seiner Rolle als Parteivorsitzender schwergetan. Anders als das Amt des Fraktionsvorsitzenden, das er schon einmal 20 Jahre zuvor ausgefüllt hatte, war die Rolle des Parteivorsitzenden neu für ihn. Hinzu kam, dass das Konrad-Adenauer-Haus, die Bundesgeschäftsstelle der CDU, in den 18 Jahren der Parteivorsitzenden Angela Merkel konsequent auf diese ausgerichtet worden war. Und jeder im Adenauerhaus wusste, dass Merkel bis ans Ende ihrer Tage als aktive Politikerin danach trachtete, Merz zu verhindern.

Anfangs hatte Merz versucht, diese Kräfte einzubinden, in dem er diese an Schlüsselpositionen beließ, doch gedankt wurde ihm das vom Merkel-Lager nicht. Eigene personelle Fehlentscheidungen kamen hinzu; so erwies sich die Berufung des Berliners Mario Czaja zum neuen Generalsekretär als Reinfall. Czaja, der in seiner ganzen politischen Laufbahn immer Solist geblieben war, fand weder einen Zugang zu den verschiedenen Ebenen der Partei noch zum Vorsitzenden selbst. Erst mit der Berufung seines Vertrauten Carsten Linnemann zum Generalsekretär änderte sich das. Linnemann teilt nicht nur weitgehend die Grundüberzeugungen seines Vorsitzenden, dazu kommt, dass der Ostwestfale Linnemann und der Sauerländer Merz einen sehr ähnlichen kulturellen Hintergrund haben. Schritt für Schritt ist es Merz mithilfe Linnemanns gelungen, sich besser in seiner Rolle als Parteivorsitzenden zurechtzufinden.

Auch äußere Umstände kamen Merz zugute: Zum einen war von Anbeginn klar, dass Merz als Fraktionsvorsitzender die Rolle des Oppositionsführers voll und ganz ausfüllte. In dieser Funktion konnte er sein rhetorisches Talent ausspielen, dass erst so recht zum Vorschein kam im direkten Vergleich mit Bundeskanzler Scholz, der er es immer wieder fertigbringt, auch gut geschriebene Reden so vorzutragen, dass das Publikum schon nach wenigen Minuten gelangweilt in die Ferne schaut. Zum anderen bietet die tagtägliche Performance der Ampelregierung jedem Oppositionsführer reichhaltige Möglichkeiten der Profilierung – und das geradezu im 24-Stunden-Takt.

Abkehr von Merkel

Doch etwas anderes, Tiefliegendes, Grundsätzliches, vollzieht sich gerade in der Union: die stille Abkehr von Angela Merkel. Immer mehr dämmert es auch den Mitgliedern der Union, dass die schwere Krise, in der sich Deutschland heute befindet, auch etwas mit den Unterlassungen in den langen Jahren der Kanzlerschaft Merkels zu tun hat. Weder das dysfunktionale Bildungssystem noch der bemitleidenswerte Zustand der Bundeswehr oder die moribunde Infrastruktur, sind der derzeitigen Regierung anzulasten. Auch, dass die Merkelsche Migrationspolitik am Ende gescheitert ist, gilt heute in weiten Teilen der Union als weithin gesicherte Erkenntnis. Dass jetzt Merkel die Mitgliedschaft in der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit der Begründung aufgegeben hat, dass sie „aus dieser Rolle rausgewachsen“ sei, hinterlässt bei nicht wenigen in der Partei den Eindruck, dass Merkel die Mitgliedschaft in der Stiftung mit derselben emotionalen Anteilnahme wegwarf, wie andere ein gebrauchtes Papiertaschentuch. Es ist mehr als nur eine Ironie der Geschichte, dass nun mit Friedrich Merz jemand ihren Platz in der Konrad-Adenauer-Stiftung einnimmt, dem sie stets in abgrundtiefer Abneigung verbunden war und wohl auch für immer bleiben wird.

Aktuelle Botschaften

Merz kann es nur recht sein. Hinzu kommt, dass – zumindest für die nächste Zeit – ein ernsthafter Konkurrent in den Reihen der Union nicht in Sicht ist. Der Bayern-Regent Markus Söder wird nach seinem eher mäßigen Ergebnis bei der letzten Landtagswahl kaum Ansprüche auf eine Kandidatur erheben. Und auch die anderen Länderfürsten der Union haben entweder keine bundespolitischen Ambitionen oder derzeit keine Mehrheiten in der Partei.

Und so ist die Frage zu stellen, ob Merz, den die Vertreter der links-grünen Medienschickeria nicht müde werden, als „vorgestrig“ abzustempeln, nicht ohne Chancen wäre, als Kanzlerkandidat die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. Aussichtslos wäre für ihn die Sache keineswegs. Je länger die Talfahrt einer Regierung anhält, die immer mehr Bürger als kopf- und führungslos empfinden, je tiefer das Land insgesamt in die Krise taumelt, desto mehr werden die zentralen Botschaften einer Kandidatur von Merz Gehör finden: weniger Steuern, mehr Freiheit für die Wirtschaft, weniger Gängelung durch wachstumshemmende Vorschriften, weniger, dafür aber zielgerichtetere Sozialleistungen. Und es ist – sollte die Krise weiter andauern – gut möglich, dass die Mehrheit der Bürger diese Botschaften keineswegs als überholt oder „vorgestrig“ betrachtet, sondern als so aktuell wie nie zuvor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Experte fürchtet politischen Schock in Europa: „Es ist tatsächlich beängstigend“
28.06.2025

Europa taumelt: Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch, Frankreich droht der Machtwechsel. Experte Rahman warnt: Das „Trump-Moment“...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...