Weltwirtschaft

Krise am Suez-Kanals bedroht die Weltwirtschaft

Lesezeit: 4 min
17.12.2023 12:01  Aktualisiert: 17.12.2023 12:01
Vier der fünf größten Reedereien der Welt haben ihre Fahrten durch den Suez-Kanal und das Rote Meer ausgesetzt. Die Weltwirtschaft ist bedroht, eine militärische Eskalation bereits absehbar.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Krieg in Gaza hat wachsende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Vier der fünf größten Containerschiff-Reedereien der Welt - CMA CGM, Hapag-Lloyd, Maersk und MSC - haben ihre Dienste im Roten Meer unterbrochen oder eingestellt. Hintergrund sind mehrere Angriffe der Houthi-Rebellen auf Schiffe, die in Verbindung mit Israel und seinen Verbündeten stehen. Das Rote Meer liegt auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt, die durch den Suezkanal und das Mittelmeer führt.

Bab al-Mandab ist eine schmale Meerenge zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel, durch die normalerweise schätzungsweise 12 Prozent des Welthandelsvolumens und 30 Prozent des weltweiten Containerverkehrs fließen. Die Meerenge ist jedoch zu einer No-go-Zone geworden, seit die im Jemen ansässigen Houthi-Rebellen dort als Zeichen ihrer Unterstützung für die Palästinenser Schiffe angreifen. Die Angriffe dauern schon seit Wochen an, haben sich aber jetzt drastisch verschärft.

Am Freitag drohten die Houthis mit einem Angriff auf ein Schiff, beschossen ein anderes mit einer Drohne und schossen zwei ballistische Raketen auf die MS Palatium III, von denen eine das Schiff traf. Der Angriff auf die Palatium III war der erste Einsatz einer ballistischen Anti-Schiffs-Rakete überhaupt. Alle Schiffe fuhren unter liberianischer Flagge. Am Samstag schoss das US-Marineschiff USS Carney über dem Roten Meer 14 Drohnen ab, die britische HMS Diamond zerstörte eine weitere.

Die Schifffahrtsindustrie hat auf das steigende Risikos reagiert, wie der Economist berichtet. Am 15. Dezember pausierten Maersk und Hapag-Lloyd ihre Dienste. Am 16. Dezember folgten CMA CGM und MSC. Auch sie lassen ihre Schiffe nicht mehr durch den Suezkanal fahren und leiten einige Schiffe über das Kap der Guten Hoffnung um. Auf die vier Unternehmen entfallen 53 Prozent des weltweiten Containerhandels. Kleinere Unternehmen, Schüttgutfrachter und Öltankschiffe könnten dem Beispiel folgen.

Suez-Krise: Gefahr für die Weltwirtschaft

Der Suezkanal ist eine wichtige Einnahmequelle für Ägypten, das sich bereits in einer Finanzkrise befindet. Israel wird weniger betroffen sein, da nur etwa 5 Prozent seines Handels über seinen Hafen Eilat am Roten Meer abgewickelt werden. Für die Weltwirtschaft würde eine längere Schließung der Suez-Route die Handelskosten in die Höhe treiben, da der Schiffsverkehr um Afrika herum umgeleitet wird, was nicht nur mehr Zeit und Treibstoff benötigt, sondern auch die Versicherungsprämien erhöht.

Die Speditionsplattform Flexport mit Sitz in San Francisco erklärte am Freitag in einem Blogbeitrag, dass sich die Reise auf der Route um Afrika im Vergleich zur Nutzung des Suezkanals um sieben bis zehn Tage verlängert. Die Aktien der in Kopenhagen ansässigen A.P. Moller-Maersk A/S, der deutschen Hapag-Lloyd AG und der in Israel ansässigen Reederei Zim Integrated Shipping Services stiegen am Freitag in der Erwartung, dass die Suez-Krise zum Abbau des Überangebots an Schiffskapazitäten beitragen wird.

Etwa 5 Prozent des Welthandels nutzen den Panamakanal und 12 Prozent den Suezkanal, zitiert Bloomberg Marco Forgione, Generaldirektor des Institute of Export & International Trade. Die Dürre in Panama führt dort zu Problemen, da der Wasserstand sinkt. Die beiden Routen seien von "grundlegender Bedeutung für den Fluss des internationalen Handels", so Forgione am Freitag. "Wenn sie nicht reibungslos funktionieren, wird der Dominoeffekt von Schäden und Unterbrechungen der Lieferketten, die durch verspätete Schiffe an den falschen Stellen verursacht werden, erheblich sein."

Eine groß angelegte Umleitung des Handels kann kurzfristige erhebliche Engpässe in den Versorgungsketten ergeben. Im Jaht 2021 lief die Ever Given, ein von Taiwan betriebenes Schiff, auf Grund und blockierte den Kanal für sechs Tage, was eine globale Versorgungskrise verstärkte. Wenn die Sicherheitskrise im Roten Meer auch die Schifffahrt im nahe gelegenen Arabischen Meer bedroht, durch das etwa ein Drittel der weltweiten verschifften Erdölversorgung Meer fließt, wären die wirtschaftlichen Kosten dramatisch.

Die Houthi-Rebellen sagen, dass sie alle Schiffe mit Kurs auf israelische Häfen angreift, bis Lebensmittel und Medikamente nach Gaza geliefert werden. Doch die meisten der von ihnen angegriffenen Schiffe sind jedoch weder auf dem Weg nach Israel noch befinden sie sich in israelischem Besitz. Es sind Länder aus der ganzen Welt betroffen: Eines der von den Houthi-Rebellen angegriffenen Schiffe fuhr unter der Flagge Hongkongs. Doch unabhängig davon sind die Angriffe der Houthi-Rebellen sehr effektiv.

Seit Jahren trainiert, bewaffnet und unterstützt der Iran die Gruppe bei ihrem erfolgreichen Aufstand im Jemen und in einem Krieg gegen Irans regionale Rivalen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Einige der von ihnen eingesetzten Waffen sind hochentwickelt. "Die Houthis verfügen derzeit über ein riesiges Arsenal an Anti-Schiffs-Raketen", zitiert der Economist Fabian Hinz vom Londoner Think-Tank International Institute for Strategic Studies, einige mit einer Reichweite von bis zu 800 Kilometern.

Gefahr einer militärischen Eskalation in Nahost

Es ist möglich, dass die Diplomatie zur Deeskalation der Krise beiträgt. Im Jahr 2015 griffen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zugunsten der international anerkannten Regierung in den jemenitischen Bürgerkrieg ein. Im März 2022 stimmten die Saudis einem Waffenstillstand zu und überließen den Houthis die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa und die strategische Westküste. Weitere Gespräche könnten den Waffenstillstand dauerhaft machen, den Krieg beenden und möglicherweise auch die Angriffe auf See beenden.

Dennoch ist eine größere militärische Reaktion auf die Bedrohung durch die Houthi nun wahrscheinlich. Eine der US-Marine angeführte Task Force operiert bereits vor der jemenitischen Küste, um die Houthis davon abzuhalten, Schiffe gewaltsam zu entern oder Raketen abzuschießen. Daran beteiligt sind sowohl Ägypten als auch Saudi-Arabien. In den letzten Wochen haben amerikanische, britische und französische Kriegsschiffe Drohnen und Raketen der Houthis abgefangen. Die USA haben Australien gebeten, ebenfalls ein Kriegsschiff zu entsenden.

Doch diese von den USA geführte Task Force hat sich bisher schwer getan, die Krise unter Kontrolle zu halten. Die Houthi-Rebellen haben gezeigt, dass ein paar Drohnen und Raketen immer durchkommen können. Ein möglicher nächster Schritt sind bewaffnete Eskorten für die Handelsschifffahrt, wie sie die USA während des sogenannten Tankerkriegs zwischen Iran und Irak in den 1980er Jahren eingesetzt hat. Solche Eskorten wären jedoch teuer und würden eine sehr große Anzahl von Kriegsschiffen erfordern.

Eine Alternative besteht darin, die Houthi-Rebellen direkt anzugreifen, und die USA und Israel haben Pläne entwickelt, um die Depots und Abschussvorrichtungen der Houthis anzugreifen. Doch die USA und Israel haben schon jetzt genügend Probleme. Israel fürchtet wegen seines Kriegs gegen Gaza Angriffe der Hisbollah, die fast täglich Raketen auf Israel abfeuert. Doch wenn die Houthi-Rebellen ihre Angriffe fortsetzen, die eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt blockieren, könnte eine Eskalation unvermeidlich sein.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...