In das neue Jahr geht die Ampel-Koalition aus SPD, Grüne und FDP sichtbar angeschlagen. Die Umfragen sind für alle drei Parteien schlecht, die persönlichen Werte des Bundeskanzlers auf einem geradezu historischen Tiefpunkt. Eine ganze Reihe ungelöster Fragen haben die Koalitionäre in das neue Jahr geschleppt, die jetzt dringend zur Entscheidung anstehen.
Überfälliger Haushalt
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts brach der Ampelkoalition für sie überraschend ein großer Teil ihrer Haushaltsplanung weg. Nach langen Beratungen einigten sich die Koalitionäre, wie die Lücke von 17 Milliarden Euro im Etat 2024 geschlossen wird. Besonders umstritten war zuletzt vor allem die Streichung von Agrardiesel-Subventionen, die nun teils wieder zurückgenommen wurde. Letzte Details des Budgetentwurfs für 2024 sollen noch in diesem Monat festgelegt und im Bundestag beraten werden. Der Bundesrat dürfte sich dann am 2. Februar 2024 damit befassen. Bis dahin gilt eine vorläufige Haushaltsführung, die Finanzminister Christian Lindner mehr Einflussmöglichkeiten beschert. Dass die Art der Haushaltsführung in der Ampelkoalition insgesamt noch nicht zu Ende diskutiert ist, zeigt auch, dass von Teilen der Koalition die Schuldenbremse immer wieder in Frage gestellt wird, zuletzt im Zuge des Hochwassers.
Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Konjunkturflaute. Institute und die Bundesregierung rechnen im Gesamtjahr 2023 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Für das kommende Jahr hatten führende Forschungsinstitute zuletzt ihre Prognosen noch einmal deutlich gesenkt. Erwartet wird allenfalls nur ein Mini-Wachstum.
Die Bundesregierung hat eine „Offensive" für mehr Wirtschaftswachstum angekündigt. In deren Mittelpunkt steht das „Wachstumschancengesetz". Konkret soll die Wirtschaft steuerlich entlastet werden - unter anderem durch Prämien für Investitionen in den Klimaschutz und bessere Abschreibungsbedingungen. Jedoch: Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Zur Zeit wird es im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat verhandelt. Hintergrund: Die Länder befürchten, zu hohe Steuerausfälle der Kommunen und haben deshalb den Vermittlungsausschuss angerufen. Jetzt wird dort über die Verteilung der Kosten gerungen.
Klima
Wie Deutschland beim Klimaschutz vorankommen will, ist eigentlich geregelt: Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass klimaschädliche Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden sollen. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Prozent sinken und im Jahr 2045 soll Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden.
Zwar sind die jüngsten Emissionen zurückgegangen, doch wie nachhaltig der Rückgang der Emissionen ist, bleibt aber unklar. Denn einer der Hauptgründe für den Emissionsrückgang ist die derzeit schlechte Wirtschaftslage. Zudem hinken zwei Bereiche beim Klimaschutz hinterher: Bei Verkehr und Gebäuden werden die bisher gesetzlich festgeschriebenen Sektorenziele weiterhin nicht erreicht. Die Reform des Klimaschutzgesetzes sieht zwar vor, den einzelnen Sektoren mehr Spielraum einzuräumen, solange das Gesamtziel erreicht wird, aber auch dieses Gesetz ist noch nicht verabschiedet.
Wohnungsbau
Angesichts des Wohnungsmangels in den Städten und steigender Mieten wollte die Bundesregierung den Wohnungsbau ankurbeln: 400.000 Wohnungen pro Jahr war das Ziel. Dass dieses Ziel nicht eingehalten werden kann, ist auch Bauministerin Klara Geywitz längst bewusst. Der Trend geht aber sogar weiter abwärts. Inzwischen ist nur noch von 225.000 Wohnungen die Rede.
Zu den Gründen gehört: Sowohl die eigentlichen Baukosten als auch die Kreditzinsen sind seit 2020 erheblich angestiegen. Hinzu kommen das Hin und Her der vergangenen Jahre um die Förderprogramme des Bundes und die aktuellen Haushaltskürzungen. Auch ausufernde Bürokratie und stete Verschärfung der Bauvorschriften werden von Baufirmen und -fachleuten immer wieder genannt. Das Problem ist spürbar: Vor allem in den Städten suchen viele Menschen händeringend Wohnungen.
Verkehr
Die Finanzierung des Deutschlandtickets steht auf der Kippe: Zwar haben sich de Bundesländer dazu bekannt, das Angebot fortzusetzen. Sie fordern aber vom Bund ein Signal, dass das Ticket weiter gemeinsam finanziert wird. Bisher gibt es dazu keine Zusage. Im November haben Bund und Länder ein umfassendes Paket zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung beschlossen. Das Paket umfasst an die 100 Einzelregelungen, unter anderem zu Autobahnen und Zugtrassen, die damit schneller gebaut werden sollen. Umweltverbände hatten die Bund-Länder-Pläne zuvor scharf kritisiert. Sie fürchten, es könne auf Kosten der Natur gehen, wenn Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen und Artenschutz verändert werden. Ungeachtet dessen bleibt die Sanierung vor allem der Bahn ein Dauerthema.
Kindergrundsicherung
Um die Kindergrundsicherung hat die Ampelkoalition lange Zeit gerungen, auch dabei ging es vor allem um Geldfragen. Geplant ist, sie 2025 einzuführen, dann soll es dafür 2,4 Milliarden Euro geben. Ursprünglich sollte die Kindergrundsicherung schon zum 1. Januar 2025 umgesetzt werden, doch nach Bedenken von Seiten der Bundesagentur für Arbeit räumte Ministerin Paus ein, dass es auch der 1. April 2025 werden könnte. Die Umstellung geht mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand einher.
Migration
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich Anfang November mit den Regierungschefs der Länder darauf verständigt, dass die Bundesregierung Asylverfahren auch außerhalb der europäischen Grenzten ermöglichen soll. Ein Modell sieht vor, dass bereits angekommene Asylsuchende wieder ausgeflogen werden. Sie müssten dann in einem Drittstaat auf das Ergebnis des Verfahrens warten. Kritiker bezweifeln aber, dass das unter anderem mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist. Die Ministerpräsidenten der Länder haben im Oktober außerdem das Ziel erklärt, Asylverfahren und dann häufig folgende Klageverfahren jeweils in drei Monaten abzuschließen. Zu diesem Zweck forderten sie den Bund dazu auf, weitere Migrationsabkommen und Rücknahmeabkommen mit einzelnen Staaten zu schließen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) personell entsprechend auszurüsten.