Unternehmen

Vergaberecht 2024: EU-Neuerungen beeinflussen Auftragsvergabe

Lesezeit: 3 min
09.01.2024 12:35  Aktualisiert: 09.01.2024 12:35
Neue Chancen für Unternehmen: Ab dem 1. Januar 2024 ist eine entscheidende Änderung im EU-Vergaberecht in Kraft getreten. Angepasste und moderat erhöhte Schwellenwerte 2024 könnten das Spiel für Unternehmen und die Wirtschaft verändern.
Vergaberecht 2024: EU-Neuerungen beeinflussen Auftragsvergabe
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. (Foto: dpa)
Foto: Hatim Kaghat

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Milliarden in Bewegung: Jährlich fließen in der EU unzählige Steuergelder in öffentliche Aufträge. Allein in Deutschland waren es 2021 rund 51 Milliarden Euro, von denen fast 37 Milliarden Euro EU-weit ausgeschrieben wurden, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Deutschlands erster Vergabestatistik berichtet.

Was ändert sich? Die EU hat die Schwellenwerte aktualisiert. Diese bestimmen, ab wann Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden müssen. Diese Änderungen, gültig seit dem 1. Januar 2024, könnten die Landschaft der öffentlichen Auftragsvergabe neugestalten.

Die neuen Schwellenwerte im Überblick:

  • Bauaufträge: Jetzt 5,538 Millionen Euro (vorher 5,382 Millionen Euro).
  • Liefer- und Dienstleistungen außerhalb des Sektorenbereichs: Angehoben auf 221.000 Euro (vorher 215.000 Euro).
  • Liefer- und Dienstleistungen der Bundesbehörden: 143.000 Euro (vorher 140.000 Euro).
  • Konzessionen: Ebenfalls 5,538 Millionen Euro (vorher 5,382 Millionen Euro
  • Liefer- und Dienstleistungen im Sektorenbereich und Verteidigung: 443.000 Euro (vorher 431.000 Euro).
  • Soziale Dienstleistungen: Unverändert bei 750.000 Euro für öffentliche und 1 Million Euro für Sektorenauftraggeber.

Neue EU-Schwellenwerte 2024: Chancen und Herausforderungen für Unternehmer

Welche spezifischen Auswirkungen ergeben sich daraus für Unternehmer? Die Anhebung der Schwellenwerte könnte für einige Firmen vorteilhaft sein, weildurch die Erhöhung der Grenzen für EU-weite Ausschreibungen mehr Aufträge auf nationaler oder lokaler Ebene vergeben werden könnten. Dies dürfte insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen, für die der internationale Wettbewerb eine besondere Herausforderung bedeutet.

Die ConstructaMax GmbH, ein Bauunternehmen aus Bayern, zeigt, wie mittelständische Unternehmen von den neuen Schwellenwerten profitieren. Früher im harten Wettbewerb mit großen Konzernen, die durch ihre Größe und Effizienz niedrigere Preise bieten konnten, eröffnen die neuen Regelungen nun mehr Spielraum auf lokaler Ebene. Vor der Anhebung der Schwellenwerte konkurrierte das Unternehmen oft mit großen, europaweit agierenden Konzernen. Mit der Anhebung der Schwellenwerte ändert sich das Bild: Einige Aufträge, die für die ConstructaMax GmbH relevant sind, müssen nun nicht mehr EU-weit ausgeschrieben werden. Dies reduziert den Wettbewerb mit großen Konzernen und ermöglicht es dem Unternehmen, seine lokalen Marktkenntnisse und Beziehungen für wettbewerbsfähige Angebote zu nutzen. Das Resultat ist eine verbesserte Auftragslage für die ConstructaMax GmbH.

Insbesondere in Branchen wie dem Bauwesen, bei IT-Dienstleistungen oder bei spezialisierten technischen Dienstleistungen, wo der EU-weite Wettbewerb sehr stark ist, hat die Schwellenwert-Anhebung einige Vorteile:

  1. Weniger Konkurrenz: Durch die höheren Schwellenwerte müssen sich mittelständische Unternehmen weniger mit großen internationalen Firmen und preisgünstigen „Billiganbietern“ aus anderen EU-Ländern messen. Das erhöht ihre Chancen, Aufträge zu gewinnen.
  2. Einfachere Verfahren: Nationale Ausschreibungen sind weniger kompliziert und bürokratisch als EU-weite Ausschreibungen. Das kommt besonders mittelständischen Unternehmen zugute, die vielleicht nicht die Mittel für umfangreiche Ausschreibungsverfahren haben.
  3. Nutzung lokaler Marktkenntnisse: Mittelständische Unternehmen, die oft eng in ihre lokalen Gemeinschaften eingebunden sind, können ihr Wissen über lokale Bedürfnisse nutzen, um passgenaue Lösungen anzubieten.
  4. Stärkung der lokalen Wirtschaft: Wenn Aufträge an lokale Unternehmen gehen, fördert das das Wachstum kleiner und mittlerer Betriebe, schafft Arbeitsplätze und stärkt die lokale Wirtschaft.

Dr. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, sieht in der Anhebung der Schwellenwerte einen wichtigen Schritt. Er betont, dass für viele kleine und mittelständische Ingenieurbüros EU-weite Ausschreibungen wirtschaftlich kaum machbar sind. Besonders in Bereichen, in denen es keinen europaweiten Wettbewerb gibt, wie oft bei Planungsleistungen, machen EU-weite Ausschreibungen das Verfahren für Bieter und Auftraggeber komplizierter und teurer.

EU-weite Ausschreibungen: Vorteile und Herausforderungen im globalen Wettbewerb

Obwohl die positiven Auswirkungen der aktualisierten EU-Schwellenwerte auf regionale Märkte und den Mittelstand unverkennbar sind, sollte man die Vorteile, die sich aus EU-weiten Ausschreibungen ergeben, nicht übersehen. Diese tragen zu einem intensiveren Wettbewerb bei, der nicht nur potenziell günstigere Preise für die öffentliche Hand nach sich zieht, sondern auch einen Nährboden für Innovationen schafft.

Darüber hinaus bieten sie Unternehmen die Möglichkeit, auf den größeren Bühnen anderer EU-Märkte aktiv zu werden, was neue Geschäftschancen eröffnet und zur Expansion ihrer Marktpräsenz beiträgt. Ferner zeichnen sich EU-weite Ausschreibungen durch ihre strikte Transparenz und faire Wettbewerbsbedingungen aus, was insbesondere kleineren oder neu gegründeten Unternehmen zugutekommt, indem es ihnen erleichtert wird, sich auf dem Markt zu etablieren und zu behaupten.

Ein weiterer Pluspunkt von EU-weiten Ausschreibungen ist der bessere Rechtsschutz für Bieter bei größeren Aufträgen. Bei Regelverstößen im Vergabeprozess können Bieter Beschwerde bei der zuständigen Vergabekammer einlegen, eine Möglichkeit, die bei kleineren Aufträgen nicht besteht. Dies bietet einen zusätzlichen Schutz, bis alle rechtlichen Fragen geklärt sind.

Ob die neuen Regelungen für Unternehmen im Einzelfall vorteilhaft sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Größe des Unternehmens, seiner Erfahrung auf internationalen Märkten und seiner Fähigkeit, mit den Herausforderungen des EU-weiten Wettbewerbs umzugehen. Während sie für einige mittelständische Unternehmen Chancen bieten, könnten die neuen Schwellenwerte für Unternehmen, die im umfangreicheren EU-Markt wettbewerbsfähig sind, als Einschränkung ihrer Geschäftschancen erscheinen.

Unternehmer, die mehr über das öffentliche Vergaberecht erfahren möchten, finden detaillierte Informationen auf der offiziellen Webseite des BMWK. Dort werden die aktuellen Regeln und Vorschriften ausführlich erklärt.

 


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Umstellung auf die E-Rechnung ab 2025: Was das für Unternehmen bedeutet
05.10.2024

Ab Januar 2025 wird sie Pflicht – die E-Rechnung. Deutsche Unternehmen sind ab dann verpflichtet, im Geschäftsverkehr mit anderen...

DWN
Politik
Politik Nato-Führungswechsel: Startet Rutte eine neue Ära?
05.10.2024

Die Suche nach einem neuen Nato-Generalsekretär dauerte länger als ursprünglich gedacht. Nun kommt es jedoch zum erwarteten Wechsel....

DWN
Politik
Politik 75 Jahre China: Wohin steuert die Volksrepublik?
05.10.2024

Staatschef Xi Jinping verfolgt das Ziel, China bis 2049 als dominierende Weltmacht zu etablieren. Doch Konflikte, Kriege und...

DWN
Politik
Politik Wie der Panzer im Drohnenkrieg unterliegt - und was das für Deutschlands Rüstungsindustrie bedeutet
05.10.2024

Der Panzer verliert auf dem modernen Kriegsschauplatz an Bedeutung. Muss der alte Tank neu erfunden werden oder ist er ein Auslaufmodell?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nintendo-Museum eröffnet: Eine Zeitreise mit Super Mario
05.10.2024

Die legendären Figuren des japanischen Videospiel-Riesen Nintendo, geprägt durch den visionären Shigeru Miyamoto, sind Teil der globalen...

DWN
Panorama
Panorama Corona-Querdenker: Michael Ballwegs Rolle in der Pandemie - und darüber hinaus
05.10.2024

Während der Corona-Pandemie war die Querdenken-Bewegung, die Michael Ballweg initiierte, eine zentrale Plattform für Maßnahmenkritiker....

DWN
Finanzen
Finanzen DAX schließt schwache Woche im Plus
04.10.2024

Der DAX konnte trotz einer insgesamt schwachen Börsenwoche am Ende zulegen. Der deutsche Leitindex stieg durch einen starken...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft US-Arbeitsmarkt übertrifft Erwartungen - Zinsschritt wohl weniger wahrscheinlich
04.10.2024

Der US-Arbeitsmarkt hat sich im September überraschend erholt und zeigt sich nach einer Phase der Schwäche wieder deutlich stärker. Die...