Finanzen

Inflationsindexierte Anleihen: Inflationsschutz für erfahrene Anleger?

Lesezeit: 4 min
16.01.2024 20:05  Aktualisiert: 16.01.2024 20:10
Inflationsindexierte Anleihen koppeln die Zahlungen an die Inflation, sie gelten deshalb als gutes Mittel gegen steigende Teuerungsraten. Wie aber funktionieren diese Wertpapiere und wie viel taugen sie wirklich als Inflationsschutz?
Inflationsindexierte Anleihen: Inflationsschutz für erfahrene Anleger?
Inflationsindexierte Wertpapiere können für erfahrene Investoren ein gutes Mittel gegen Inflation sein (Foto: iStock)
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Der deutsche Staat hat im November 2023 die Herausgabe von inflationsindexierten Anleihen eingestellt. Die sogenannten Linker waren offenbar zu teuer geworden, nachdem die Inflation im Jahr 2022 scharf angestiegen war.

Manche Experten trauern nun den Anleihen hinterher, andere sehen keinen großen Verlust. Etwa legt der Multimillionär und Reichtumsforscher Rainer Zitelmann einen signifikanten Teil seines Vermögens in Linker an. Gleichzeitig warnt er vor der Komplexität der Produkte. „Wenn man ein Produkt nicht versteht, und das dürfte bei inflationsindexierten Anleihen für über 99 Prozent der Anleger zutreffen, sollte man es auch nicht kaufen“, so der Publizist gegenüber DWN.

Der Finanzprofessor der Hochschule Ludwigshafen Hartmut Walz bevorzugt konventionelle Anleihen. „Linker sind kein triviales, sondern ein ganz schön komplexes Produkt, dessen komplette Logik von privaten Anlegern häufig nicht wirklich verstanden wird“, erklärte er im Interview mit DWN.

Inflationsindexierte Anleihen: Definition und wie sie funktionieren

Bei inflationsindexierten Anleihen sind die Zahlungen an die Inflationsrate gekoppelt. Steigt die Inflation, dann erhöht sich je nach Ausgestaltung der Zins, die Rückzahlung oder beide Parameter.

Die nominale Verzinsung steht nicht im Voraus fest. Beim Kauf wissen Anleger lediglich, wie hoch die reale Rendite sein wird. Das ist der Unterschied zu konventionellen Anleihen, bei denen die nominale und nicht die inflationsbereinigte Rendite im Voraus bekannt ist.

Bei den inflationsindexierten Bundesanleihen, die Anleger derzeit noch handeln können, liegt die reale Rendite zwischen 0,13 und 0,83 Prozent (Stand: 15. Januar 2023). Es handelt es sich um folgende vier Anleihen:

  • Restlaufzeit von 2,2 Jahren; reale Rendite von 0,83 Prozent; Break-Even-Inflationsrate 2,2 Jahre: 1,52 Prozent; Umlaufvolumen: 19,2 Mrd. Euro (ISIN: DE0001030567)
  • Restlaufzeit von 6,3 Jahren; reale Rendite von 0,18 Prozent; Break-Even-Inflationsrate 6,3 Jahre: 1,86 Prozent; Umlaufvolumen: 22,2 Mrd. Euro (ISIN: DE0001030559)
  • Restlaufzeit von 9,3 Jahren; reale Rendite von 0,13 Prozent; Break-Even-Inflationsrate 6,3 Jahre: 2,0 Prozent; Umlaufvolumen: 10,7 Mrd. Euro (ISIN: DE0001030583)
  • Restlaufzeit von 22,3 Jahren; reale Rendite von 0,22 Prozent; Break-Even-Inflationsrate 6,3 Jahre: 2,22 Prozent; Umlaufvolumen: 14,3 Mrd. Euro (ISIN: DE0001030575)

Linker rentieren aber nicht zwangsläufig besser als normale Anleihen. Bei der konventionellen Anleihe ist die Inflation bereits im Voraus eingepreist. Der nominale Zins enthält auch einen Aufschlag für die erwartete Inflation, der die Inflationserwartungen der Anleihekäufer widerspiegelt. Die im Voraus bekannte Verzinsung von konventionellen Anleihen ist daher höher.

Das zeigt sich beispielsweise an Bundesanleihen: Eine konventionelle Bundesanleihe mit 2,2 Jahren Restlaufzeit rentiert derzeit mit 2,4 Prozent (ISIN: DE0001141836). Die reale Rendite einer entsprechenden inflationsindexierten Bundesanleihe liegt bloß bei 0,88 Prozent, wobei der spätere Inflationsausgleich on top kommt.

Break-Even-Inflationsrate für Anleger entscheidend

Der Unterschied von circa 1,5 Prozentpunkten wird auch Break-Even-Inflationsrate genannt. Dabei handelt es sich um die Inflation, mit der die Marktteilnehmer im Schnitt pro Jahr in den kommenden 2,2 Jahren rechnen.

Eine inflationsindexierte Bundesanleihe lohnt sich gegenüber der konventionellen Bundesanleihe gleicher Restlaufzeit bloß, wenn die Inflation bei über 1,5 Prozent liegen wird. Ansonsten rentiert die konventionelle Anleihe besser, da der Inflationsausgleich des Linkers zu gering ausfällt.

Rainer Zitelmann nutzt daher Linker bloß, „wenn die von mir erwartete Inflationsrate in der relevanten Zukunft (zum Beispiel den nächsten drei Jahren) über der sogenannten Break-Even-Inflationsrate für diesen Zeitraum liegen sollte.“

Linker schützen also bloß vor Inflation, die höher ausfällt als vom Markt erwartet. Wer also mit höherer Inflation als der Markt rechnet, nur der sollte einen Linker kaufen. Gleichwohl hängt die Inflationsentwicklung von vielen Faktoren ab und lässt sich nicht zuverlässig voraussagen.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass bei Deflation keine Verluste drohen. „Ich kenne keinen Linker, der eine negative Zinszahlung für den Fall einer Deflation vorsieht“, erklärte etwa Hartmut Walz.

Ein Nachteil sind die höheren Handelskosten. Etwa liegt der Unterschied zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis (Spread) bei der inflationsindexierten Bundesanleihe mit 2,2 Jahren Restlaufzeit bei 0,27 Prozent. Bei einer konventionellen Bundesanleihe, die vier Tage früher fällig wird, sind die Handelskosten deutlich geringer (0,01 Prozent).

Offizielle Inflationsraten sind falsch

Außerdem sind die inflationsindexierten Bundesanleihen nicht an die deutsche Inflationsrate gekoppelt, sondern an die Inflationsrate für die Eurozone (unrevidierter Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) für die Eurozone ohne Tabak). Diese dürfte sich zwar generell ähnlich der deutschen Teuerungsrate entwickeln, aber kann abweichen.

Die offiziellen Inflationsraten sind zudem laut Kritikern zu gering. Etwa schätzte der VWL-Professor Gunther Schnabl gegenüber DWN, dass die Inflation je nach Berechnungsweise doppelt so hoch sein könnte wie von den Statistikbehörden ausgewiesen. Sollte das zutreffen, würden Linker nur einen teilweisen Inflationsausgleich bieten.

Laut Hartmut Walz könnten die Linker bei extremer Inflation als Inflationsschutz versagen. „Da hohe Inflationsraten wahrscheinlich mit starken wirtschaftlichen Problemen des Staates oder Währungsraums einhergehen, ist nicht auszuschließen, dass selbst inflationsgebundene Staatsanleihen, also Papiere mit einem Triple-A-Rating (AAA), in einem solchen Extremszenario ausfallgefährdet sind“, schreibt er in einem Blogbeitrag. In einem solchen Szenario seien leicht veräußerbare Sachwerte wie Goldmünzen von Vorteil.

Außerdem sind Linker wie konventionelle Anleihen umso zinssensibler, je länger die Restlaufzeit. Erhöht die EZB die Zinsen, drückt das den Börsenkurs. Dabei ist allerdings entscheidend, wie sich die Inflation entwickelt: Steigt die Inflation in der Zinserhöhungsphase, mindert das die Kursverluste. Etwa verloren Linker während der Zinserhöhungen der EZB ab 2022 weniger an Wert als konventionelle Bundesanleihen.

Wer in Linker-ETFs investieren will, setzt sich also möglicherweise einem größeren Zinsänderungsrisiko aus als bei Geldmarkt-ETFs mit kurzlaufenden Bundesanleihen. Die durchschnittliche Restlaufzeit von Linker-ETFs liegt bei über acht Jahren. Geldmarkt-ETFs mit kurzlaufenden Bundesanleihen liegen bei 0,5 Jahren. Ein Zinsanstieg von einem Prozentpunkt (100 Basispunkten) bedeutet daher grob gerechnet einen Kursverlust von 8 beziehungsweise 0,5 Prozent.

Inflationsindexierte Wertpapiere: Wie investieren?

Außerdem enthalten Euro-Linker-ETFs auch Linker von drei anderen Euro-Ländern (Frankreich, Spanien und Italien). Der Anteil von Anleihen der Bundesrepublik ist relativ gering (rund 15 Prozent). Frankreich und die Südländer verfügen über ein schlechteres Rating als die Bundesrepublik und sind somit ausfallgefährdeter (siehe ISIN: LU1645380368, IE00B0M62X26).

Rainer Zitelmann investiert daher in einzelne inflationsindexierte Anleihen und in den ETF „Lyxor EUR 2-10Y Inflation Expectations“. Der ETF investiert zu zwei Dritteln in Linker des französischen Staates und zu einem Drittel in deutsche inflationsgebundene Staatsanleihen (Rating: AAA und AA). Allerdings handelt es sich um einen synthetischen ETF, der die Wertpapiere nicht selbst hält, sondern Swap-Geschäfte einsetzt (Fondsvermögen: 274 Mio. Euro, Thesaurierer, TER von 0,25%).

Gleichwohl wolle er keine Empfehlung für den ETF aussprechen. „Gerade bei diesem Thema ist absolut entscheidend, zu welchem Zeitpunkt man kauft“, erklärt Zitelmann. „Ich hatte zum Kaufzeitpunkt höhere Inflation und zugleich einen Kursrückgang aufgrund höherer Zinsen befürchtet, und da beides eingetreten ist, lag ich damit richtig.“

Hartmut Walz sieht einzelne inflationsindexierte Bundesanleihen gegenüber einem Linker-ETF im Vorteil, weil Anleger Kursverluste bis zur Endfälligkeit aussitzen können. Anleger sollten auf beste Bonitäten achten. „Linker werden für den Sicherheitsanker im Portfolio gekauft, also sollte hier nicht unter dem Aspekt des Inflationsschutzes ,versehentlich’ ein unkalkulierbares Bonitätsrisiko eingekauft werden“, erklärte er per Email gegenüber DWN.

Der Professor sieht Linker als eine Option für Anleger, die sich vor hoher Inflation sorgen und große Summen in liquiden Anlagen parken, etwa für einen Immobilienkauf, zur Ablösung eines Darlehens oder für eine Schenkung. Für wen das nicht gelte, der könne auch über eine höhere Aktienquote nachdenken, um sich vor Inflation zu schützen.

***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 


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