Die Chance, oder besser das Risiko, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahlen im kommenden November gewinnt und Ende Januar 2025 erneut ins Weiße Haus einziehen wird, ist groß. Nach aktuellen Umfragen liegt er nicht nur deutlich vor seinen innerparteilichen Mitbewerbern Ron DeSantis oder Nikki Hailey, sondern hat landesweit auch einen Vorsprung gegenüber Amtsinhaber Joe Biden.
Freilich kann sich das Bild in den kommenden Wochen und Monaten noch ändern. Zusätzliche Wild Cards sind die aktuellen Gerichtsverfahren gegen Donald Trump sowie die geplante, parteiunabhängige Kandidatur von Robert Kennedy Jr.. Meine Vermutung ist allerdings, dass Kennedy als ehemaliger Demokrat vor allem Biden die Stimmen in den wichtigen Swing States wegnimmt und somit den Wahlsieg von Trump umso wahrscheinlicher macht.
Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, wird er zunächst alles daransetzen, die Personen und Institutionen, die ihn in 2020 um seinen angeblichen Wahlsieg gebracht haben, zu beseitigen, zu bestrafen bzw. neu auszurichten. Freilich muss der Kongress (und vielleicht später auch der Oberste Gerichtshof) hier mitgehen. Aber bei einem Wahlsieg dürfte Trump zunächst etwas Narrenfreiheit genießen, mit der systemischen Gefahr, dass sein persönlicher Rachefeldzug die demokratischen Prinzipien der Gewaltenteilung in den USA zumindest ein wenig aus den Angeln hebt.
Trump dürfte bekanntem Muster folgen
Ökonomisch würde ein Präsident Trump seine bekannte Agenda fortsetzen: Auf nationaler Ebene verspricht er weniger Regulierung und niedrigere Steuern. Hier dürfte es vor allem darum gehen, die Steuersenkung aus seiner ersten Amtszeit, die planmäßig Ende 2025 auslaufen, dauerhaft zu machen. Angesichts der immensen Kosten wird das allerdings auch diesmal ohne gewisse buchhalterische Kniffe kaum möglich sein – denn starke Ausgabenkürzungen sind von ihm nicht zu erwarten.
Zudem verspricht Donald Trump, dass die USA unter ihm ihre Energiedominanz weiter ausbauen werde. Dabei würde er wieder verstärkt auf fossile Brennstoffe, wie Öl und Gas setzen, welche es in den USA reichlich gibt. Erneuerbaren Energien steht Trump dagegen bekanntlich eher skeptisch gegenüber. Damit besteht die Gefahr, dass Förderungen und Subventionen in diesem Bereich zügiger gestrichen werden. Zudem könnten die USA erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten.
Auch auf internationaler Ebene dürfte Trump seinem bekannten Muster folgen. Bestehende Handelsabkommen bedeuten ihm nichts, zumal diese aus seiner Sicht nicht gut genug für die USA seien. Vor diesem Hintergrund wird er kontinuierlich mit neuen Zöllen oder der Einführung anderer Handelshemmnisse drohen. Die Folge sind eine höhere Unsicherheit und eine fehlende Planbarkeit für global agierende Unternehmen. Vor dem Hintergrund der globalen Konflikte möchte er zudem die Lieferketten zurück in die USA bringen, um internationale Abhängigkeiten zu reduzieren. Darüber, wie das geschehen soll, schweigt Donald Trump aktuell noch. Aber da niedrige Steuern, Energiesicherheit und weniger Regulierung (sofern umgesetzt) möglicherweise nicht oder nicht schnell genug helfen, dürften zusätzlich protektionistische Maßnahmen zum Einsatz kommen – im Zweifel auch solche, die im Widerspruch zur Welthandelsorganisation stehen, wie insbesondere Strafzölle.
Unter Trump: Austritt der USA aus der Nato?
Donald Trumps Aversion gegen Globalisierung richtet sich aber nicht nur gegen den Handel mit Waren und Dienstleistungen. Sie bezieht sich auch auf den politischen Einfluss der USA. Zwar verspricht sein Wahlprogramm, dass die Vereinigten Staaten unter Präsident Trump ihre Führungsposition in der Welt wiederherstellen werden, allerdings interpretiert Trump diese Führungsrolle anders. Er sieht die USA nicht wie bisher als Zentrum einer Allianz von gleichgesinnten Ländern, die sich gegenseitig unterstützen. Stattdessen möchte er, wie bei den Lieferketten, die USA so aufstellen, dass sie sich alleine gut schützen kann.
Umgekehrt sollen die USA weniger an Kämpfen im Ausland beteiligt sein – Trump benutzt hier den Begriff der „unnötigen Kriege im Ausland“ (unnecessary foreign wars). Im Zusammenhang mit anderen Äußerungen und seiner Weigerung, die Einladung von Präsident Selenskyi in die Ukraine anzunehmen, kann dies als direkten Hinweis auf eine geringere Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland gesehen werden. Auch dürfte ein Präsident Trump erneut mit dem Austritt der USA aus der NATO drohen. Allerdings hat der Kongress Ende letzten Jahres Vorkehrungen getroffen, um genau das zu verhindern. Danach bräuchte ein Beschluss, aus der Nato auszuscheiden nun zwei Drittel der Stimmen im Senat, eine extrem hohe legislative Hürde.
Unterm Strich sehe ich den Wahlsieg von Donald Trump bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen als eines der großen globalen Risiken für die kommenden Jahre. Dabei bezieht sich meine Sorge weniger auf die wirtschaftlichen, sondern vielmehr auf die politischen Auswirkungen. Wir haben gesehen, dass sich die Weltkonjunktur während der ersten Amtszeit von Donald Trump trotz seines pompösen protektionistischen Gehabes bis zum Ausbruch der Corona Pandemie sehr ordentlich entwickelt hat. Gleiches gilt für die deutschen Ausfuhren in die USA. Natürlich ist die aktuelle konjunkturelle Lage weltweit deutlich angespannter als vor acht Jahren, wodurch die gleiche Politik einen ungleich größeren Schaden anrichten könnte. Und ich will auch gar nicht herunterspielen, dass US-Protektionismus negative Auswirkungen auf die Konjunktur hierzulande haben dürfte und einige Branchen überproportional stark betroffen sein würden, wie der Automobilsektor, die Anlagenbauer für erneuerbare Energien oder die Schwerindustrie. Trotzdem sehe ich den potenziellen Schaden als überschaubar an. Viel wichtiger ist es ohnehin, die hausgemachten Probleme des Wirtschaftsstandortes Deutschland anzugehen. Das geht mit und ohne Trump.
Dramatische Auswirkungen auf Sicherheit Europas
Viel dramatischer könnten dagegen die Auswirkungen einer zweiten Präsidentschaft von Donald Trump auf die Sicherheitslage in Europa sein. Sollten die USA nämlich wirklich die Unterstützung für die Ukraine einstellen, könnte das gravierende Folgen für den Kriegsverlauf haben. Um das entstehende Loch zu stopfen, müssten die EU-Länder ihre Zuwendungen an die Ukraine beinahe verdoppeln – wobei fraglich ist, ob das insbesondere bei der militärischen Unterstützung überhaupt möglich ist. Zudem droht die Gefahr, dass auch andere Länder wie Ungarn oder Italien abspringen, wenn die USA ihre Führungsrolle in der Koalition aufgeben; sogar in Großbritannien gab es zuletzt bereits erste Anzeichen für eine nachlassende Unterstützung. All das könnte nicht „nur“ zur Niederlage der Ukraine führen, sondern Russland bei dem Versuch ermutigen, seinen eigenen Einfluss auch auf weitere Länder auszuweiten.
Zu guter Letzt ist da noch der Klimaschutz. Wenn sich die USA aus den Bemühungen zur CO2-Reduktion wieder zurückziehen, werden die deutschen und europäischen Anstrengungen global zu einem nahezu aussichtslosen Kampf – und die Akzeptanz für unilaterale und kostspielige Maßnahmen werden hierzulande weiter sinken.
Was bleibt, ist (m)eine kleine, wenngleich geringe Hoffnung, dass Donald Trump die Wahl doch nicht gewinnt oder gar nicht erst zugelassen wird. Ist er erstmal wieder im Amt besteht zudem die Möglichkeit, dass die Suppe am Ende doch heißer gekocht als gegessen wird. Da die Außenpolitik die meisten Wähler in den USA nicht interessiert, benötigt Trump hier nämlich vor allem politische Siege und weniger durchgesetzte Inhalte.
Harm Bandholz, Jahrgang 1975, ist seit 2019 Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Fachhochschule Kiel. Er war von 2007 bis 2019 bei der UniCredit Group in New York beschäftigt, wo er für viele Jahre als US-Chefvolkswirt und Managing Director fungierte. Während seiner Zeit in New York erlebte er bedeutende wirtschaftliche Ereignisse aus nächster Nähe, darunter die Weltfinanzkrise, die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA und den Handelskonflikt mit China. Seine Erfahrungen in den USA und Deutschland haben ihm einen einzigartigen Blick auf wirtschaftliche und politische Themen im transatlantischen Kontext verliehen.