Deutsche Wirtschaftsnachrichten (DWN): Die Wirtschaft und Ihr Verband setzen sich seit Langem für ein Wachstumschancengesetz ein, um unter anderem auch die überbordende Bürokratie zurückzuschneiden. Sind Sie mit dem Gesetzentwurf zufrieden?
Hans-Jürgen Völz: Nicht wirklich. Das ganze Gesetz ist so, wie es dem Bundesrat zugeleitet wurde, deutlich zu wenig ambitioniert. Es hat erkennbar in dieser Koalition an Mut gefehlt. Dies gilt im Übrigen auch für das Bürokratieabbaugesetz IV.
DWN: Woran machen Sie das fest.
Völz: Ganz einfach: Anfang des vergangenen Jahres hat das Statistische Bundesamt im Auftrag des für den Bürokratieabbau federführenden Bundesjustizministeriums eine Verbändeumfrage durchgeführt, in der nach konkreten Vorschlägen zum Abbau der Bürokratie gefragt wurde. Insgesamt kamen 450 Vorschläge zusammen. Was vermuten Sie, wie viele finden sich nun in im Gesetz wieder?
DWN: Sie werden es uns sicher gleich sagen…
Völz: … gerade mal elf! Sicherlich hat es bei den Vorschlägen der Verbände auch die ein oder andere Doppelung gegeben. Dass aber am Ende von 450 nur elf Vorschläge übrigblieben, spricht nun nicht gerade für einen ambitionierten Rückbau der Bürokratie.
DWN: Womit erklären Sie sich diese Zurückhaltung?
Völz: Das ganze Vorhaben hatte schon gleich am Anfang einen eher holprigen Start gehabt. Normalerweise hätte ja der Bundeswirtschaftsminister die treibende Kraft beim Abbau der Bürokratielasten für die Wirtschaft sein müssen. Davon war aber nichts zu spüren. Nicht nur, dass die Federführung nicht beim Wirtschaftsminister, sondern beim Justizminister lag, war ungewöhnlich, auch sonst gehörte der Wirtschaftsminister zusammen mit dem Arbeitsminister eher zu den Bremsern. Da war es natürlich für den auf weiter Flur alleine stehenden Justizminister nicht einfach.
DWN: Nun sind ja die Alarmzeichen auch beim besten Willen nicht mehr zu übersehen, man hat das Gefühl, Deutschland werde gerade nach hinten durchgereicht. Was machen die anderen gerade besser?
Völz: Die Bundesregierung verzettelt sich in sündhaft teuren Einzelmaßnahmen. Ein Beispiel: Als das Wachstumschancengesetz angeschoben wurde, hatte der Bundesfinanzminister noch davon gesprochen, dass die Wirtschaft damit um sieben Milliarden Euro entlastet werde. Davon sind jetzt gerade mal drei Milliarden geblieben – und das für die gesamte Wirtschaft in Deutschland. Demgegenüber werden aber rund 15 Milliarden Euro an Subventionen für Chipfabriken in Dresden und Magdeburg an zwei internationale Konzerne ausgezahlt. Die Proportionen stimmen hinten und vorne nicht. Es müsste eigentlich die Aufgabe sein, die Investitionsbedingungen in Deutschland für die gesamte Wirtschaft zu verbessern – durch bessere Bildung, Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung und ein international wettbewerbsfähiges Steuerrecht. Das vorausgeschickt wird schnell klar, wo andere besser sind. Beispiel USA: Die Steuern sind dort niedriger – und zwar für Unternehmen wie auch für Verbraucher, was wiederum die Nachfrage ankurbelt. Die Energiepreise sind deutlich niedriger. Die Bürokratielasten sind geringer und ein demographisches Problem mit Arbeitskräftemangel haben die USA auch nicht.
DWN: Gibt es etwas, was das Wachstumschancengesetz nach Meinung Ihres Verbandes klar verbessert?
Völz: Es gibt gute Ansätze. Die degressive Abschreibung von Anlagen ist durchaus ein Mittel, damit sich Investitionen früher rentieren, auch die Verlängerung der Verlustrechnung von zwei auf drei Jahren verbessert die Investitionsbedingungen. Beides kann für Unternehmen ein Anreiz sein zu investieren. Jedoch klappt das nur dann, wenn auch das allgemeine Wirtschafts- und Investitionsklima in Deutschland stimmt. Aber dafür bräuchte es zusätzliche Schritte.
DWN: Welche wären das?
Völz: In unserem Verband haben wir mit 370 erfolgreichen Unternehmern aus dem Mittelstand eine Strategie entwickelt, wie Deutschland aus der Krise kommt. In dem Papier, das den Titel „Neustart Deutschland“ hat, haben wir sechs Felder mit dem höchsten Reformbedarf identifiziert: Das geht von Bürokratieabbau über Energie, von Arbeit, Steuern bis hin zum Wohnungsbau. So fordern wir die Schaffung einer staatlichen Anlaufstelle für Neugründungen oder Betriebsummeldungen. In dieser Stelle werden sämtliche Anträge digital eingereicht und vor dort aus an die verschiedenen Stellen weitergeleitet. Zudem halten wir die Einführung einer sogenannten Genehmigungsfiktion für wesentlich. Das heißt: Ein Antrag gilt automatisch als bewilligt, wenn bestimmte Fristen von der Verwaltung nicht eingehalten werden.
DWN: Was würden Sie in den Bereichen Steuern und Finanzen für dringlich halten?
Völz: Die Sozialversicherungsbeiträge übersteigen die Schallmauer von 40 Prozent. Das heißt, für den Arbeitnehmer bleibt weniger netto vom brutto. Dies wiederum hat die Folge, dass dies den Konsum belastet und die Unternehmen einem höheren Lohndruck ihrer Mitarbeiter unterliegen, die verständlicherweise den inflationsbedingten Kaufkraftverlust ausgleichen möchten. Was das für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen bedeutet, lässt sich leicht ausmalen. Wir fordern deshalb die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Das jährliche Aufkommen aus dem Rest-Soli beträgt rund zwölf Milliarden Euro. Diese Summe wird zu zwei Drittel von rund 500.000 Unternehmen gezahlt, die den Soli unverändert auf die Körperschaftssteuer zahlen. Es wäre viel besser, die Unternehmen könnten dieses Geld für Investitionen in Forschung und Entwicklung verwenden. Nicht zu vergessen eine Senkung der Unternehmenssteuern auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent.