Wirtschaft

Eurozone stagniert - Deutschland wird nach unten durchgereicht

In der Eurozone herrscht Stagnation, in Deutschland eine handfeste Wirtschaftskrise. Nur zwei südlichen Euroländern ist es zu verdanken, dass eine Rezession in Europa jüngst abgewendet wurde.
30.01.2024 13:48
Aktualisiert: 30.01.2024 13:48
Lesezeit: 3 min
Eurozone stagniert - Deutschland wird nach unten durchgereicht
In der Eurozone herrscht Stagnation, in Deutschland eine handfeste Wirtschaftskrise. Nur zwei südlichen Euroländern ist es zu verdanken, dass eine Rezession in Europa jüngst abgewendet wurde. (Bild: istockphoto.com/nevarpp) Foto: nevarpp

Italien und Spanien haben die Euro-Zone trotz der Krise ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland vor der Rezession bewahrt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Währungsunion stagnierte von Oktober bis Dezember im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. Im Sommer war die Wirtschaft noch geschrumpft - und zwar um 0,1 Prozent. Wenn die Talfahrt im Schlussquartal angehalten hätte, wäre es zu einer technischen Rezession gekommen.

Ein Wachstum hat vor allem Deutschland verhindert: Die größte Volkswirtschaft Europas schrumpfte am Jahresende um 0,3 Prozent, weil in Bauten und Ausrüstungen wie Maschinen deutlich weniger investiert wurde. Nur Irland (-0,7 Prozent) schnitt nach den bisher vorliegenden Daten der Mitgliedsstaaten noch schlechter ab.

Andere große Euro-Länder hielten sich weit besser: In Frankreich stagnierte die Wirtschaft, während Italien ein Wachstum von 0,2 Prozent und Spanien sogar von 0,6 Prozent schaffte. "Die Iberische Halbinsel ist das europäische Powerhouse", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, da Portugal mit 0,8 Prozent sogar noch kräftiger zulegte als der spanische Nachbar.

Das Konjunkturgefälle zwischen den Euro-Ländern dürfte sogar noch größer werden, sagen Experten voraus. "Die südeuropäischen Staaten werden von einer erneut guten Tourismussaison profitieren, der Urlaub genießt bei vielen Verbrauchern auch im laufenden Jahr eine hohe Präferenz", sagte Gitzel. "Die deutsche Wirtschaft mit ihrem hohen Exportanteil wird hingegen weiter im Hintertreffen sein, solange die Weltwirtschaft schwach bleibt."

"Deutschland im Dämmerzustand"

Auch wenn die Rezession knapp vermieden wurde, so stehen die Weichen noch längst nicht auf Aufschwung. So trübte sich die Stimmung in der Wirtschaft der Euro-Zone im Januar leicht ein: Das Barometer für das Geschäftsklima fiel im Januar um 0,1 Zähler auf 96,2 Punkte, wie aus den Daten der EU-Kommission hervorgeht.

In der Industrie und bei den Dienstleistern hellte sich die Stimmung leicht auf. Bei den Verbrauchern ging es hingegen leicht bergab, während sich das Geschäftsklima in dem von der Hochzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) getroffenen Bausektor deutlich eintrübte.

"Angesichts der weiterhin hohen Inflation wird die EZB ihre Leitzinsen voraussichtlich erst ab dem Sommer senken, was sich erst 2025 positiv auf die Konjunktur auswirken dürfte", sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Auch China dürfte angesichts der Krise am dortigen Immobilienmarkt als Konjunkturlokomotive ausfallen. "Damit besteht kaum Hoffnung, dass der Export das Wachstum im Euroraum stärker anfacht", sagte Weil.

Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird die Schwächephase auf kurze Sicht wahrscheinlich anhalten. Wann die Zinswende aber vollzogen werden soll, ließen die Euro-Wächter zuletzt offen. An der Börse wird die Wahrscheinlichkeit mit 80 Prozent veranschlagt, dass die Euro-Notenbank im April erstmals wieder die Zinsen senken wird. Ein solcher Schritt im Juni gilt sogar als sichere Wette mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent. Niedrigere Zinsen machen Kredite billiger, was die Konjunktur beleben könnte.

Besonders Deutschland kann frische Impulse gebrauchen. Von Januar bis März dürfte die Wirtschaftsleistung nach Prognose des Ifo-Instituts um 0,2 Prozent sinken. "Damit würde die deutsche Wirtschaft in der Rezession stecken", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

In nahezu allen Branchen klagten die Unternehmen über eine sinkende Nachfrage, während die dicken Auftragspolster aus der Corona-Zeit abgeschmolzen seien und die hohen Zinsen bremsten. "Zusätzlich wird die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfaktoren belastet", sagte Wollmershäuser. Dazu zählten der hohe Krankenstand, die Streiks bei der Deutschen BahnDBN.UL sowie der außergewöhnlich kalte und schneereiche Januar. Der Ifo-Geschäftsklimaindex signalisierte zum Jahresstart eine beschleunigte Talfahrt: Das Barometer rutschte im Januar auf den schlechtesten Wert seit Mai 2020.

Ein anderer Hauptgrund für die Krise: weitreichende Klima-Vorgaben und hohe und stetig steigende CO2-Sonderabgaben verteuern und verkomplizieren das Wirtschaften in Deutschland auf breiter Front. Da die Bundesregierung hier zu keiner Kehrtwende bereit ist, wird sich die Krise in Deutschland wahrscheinlich verschärfen.

Lesen Sie dazu: Ausblick 2024: Ideologie und Realitätsverweigerung

"Derzeit sieht es so aus, als ob die deutsche Wirtschaft den Dämmerzustand zwischen Rezession und Stagnation nicht so schnell verlassen wird", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Im Gesamtjahr 2023 gab das deutsche BIP um 0,3 Prozent nach. Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut rechnet mit einem erneuten Minus in dieser Höhe für das laufende Jahr. "Es ist keine Trendwende in Sicht", sagte dessen wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt H&K-Aktie: Rüstungsboom lässt Aufträge bei Heckler & Koch explodieren
04.07.2025

Heckler & Koch blickt auf eine Vergangenheit voller Skandale – und auf eine glänzende Gegenwart und Zukunft. Der Traditionshersteller...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Aufwertung: Sind jetzt Firmengewinne in Gefahr?
04.07.2025

Der starke Euro wird für Europas Konzerne zur Falle: Umsätze schrumpfen, Margen brechen ein – besonders für Firmen mit US-Geschäft...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Facebook greift auf Ihre Fotos zu – viele merken es nicht
04.07.2025

Eine neue Funktion erlaubt Facebook, alle Fotos vom Handy hochzuladen. Die meisten Nutzer merken nicht, was sie wirklich akzeptieren. Wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Flat Capital-Aktie: Trotz Beteiligungen an OpenAI und SpaceX überbewertet?
04.07.2025

Flat Capital lockt mit Beteiligungen an OpenAI, SpaceX und Co. Doch die Risiken steigen, Insider warnen. Ist die Flat Capital-Aktie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stromsteuersenkung: Wirtschaftsverbände kritisieren Merz für gebrochene Zusage
04.07.2025

Die Entscheidung der Bundesregierung zur Stromsteuersenkung sorgt für Aufruhr. Wirtschaftsverbände fühlen sich übergangen und werfen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China-Zölle auf EU-Weinbrand kommen nun doch – das sind die Folgen
04.07.2025

China erhebt neue Zölle auf EU-Weinbrand – und das mitten im Handelsstreit mit Brüssel. Betroffen sind vor allem französische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaspreise steigen wieder: Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet
04.07.2025

Nach einem deutlichen Preisrückgang ziehen die europäischen Gaspreise wieder an. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet –...

DWN
Panorama
Panorama Schwerer Flixbus-Unfall auf der A19 bei Röbel: Was wir wissen und was nicht
04.07.2025

Ein Flixbus kippt mitten in der Nacht auf der A19 bei Röbel um. Dutzende Menschen sind betroffen, ein Mann kämpft ums Überleben. Noch...