In Berlin stehen mal wieder alle Zeichen auf Schick und auch Provokation. Die Hauptstadt präsentiert sich modebewusst und lockt internationales Publikum, Kunden, Einkäufer und auch Prominenz in die Stadt zur Fashion-Week Berlin. Muss man das wirtschaftlich Ernst nehmen? Ist die deutsche Hauptstadt wirklich Modestadt?
Zum Auftakt eine Protestaktion gegen Wegwerf-Bekleidung
Mit einer Protestaktion vor dem Brandenburger Tor fängt es selbstverständlich an. In Deutschland ist auch die Mode politisch. Die einen finden es cool, die anderen schlicht überflüssig oder mindestens überbewertet. Diesmal wurde mit einem Riesen-Kleiderhaufen auf dem Pariser Platz nicht etwa dreckige Wäsche gewaschen vor dem Wahrzeichen der Stadt, sondern vor Wegwerf-Mode und seinen Folgen für das Klima und die Weltwirtschaft angeprangert - Stichwort Billiglohnländer und Ausbeutung.
Modeschauen kann man bis Donnerstag natürlich auch besuchen. Häufig dort, wo sonst Konzerte Besucher locken, wie die Arena am Treptower Spree-Ufer oder die Verti Music Hall nenen der O2-Arena. Nicht alles findet (wie es früher über 150 Jahre lang in Berlin üblich war) an Messe-Standorten wie The Station statt oder gar auf dem Messegelände in Charlottenburg - das ist Old school und nicht mehr en vogue. Trendige Modeschöpfer und Labels laden Kunden, Einkäufer, Modekritiker und Schaulustige auch in dezentrale Locations oder ihre Ateliers zu Präsentationen ein. Sehen und gesehen werden gehört dazu. Der Unterschied machts aus.
Mercedes ist als Hauptsponsor der Fashion-Week Geschichte
Mercedes bzw. der Automobilkonzern mit den Luxus-Karossen firmierte lange Jahre als Hauptsponsor der Fashion-Week. Das ist vorbei und die Veranstalter im Berliner Senat sind sogar erleichtert, dass sie schon seit nunmehr über 20 Jahren die Vielfältigkeit als Programm und Unterscheidungsmerkmal der Messestädte zugelassen haben. Mittlerweile ist es Konzept und so selbst für Gäste aus Mailand, Paris oder New York reizvoll. Rund 200.000 Besucher kommen jährlich nach Berlin, der Mode wegen, und untermauern den Stellenwert als aufstrebenden Standort.
Auch in Deutschland ist Bekleidung ein Wirtschaftsfaktor
Wie wichtig die Branche auch in Deutschland immer noch ist, wird unterschätzt. Der Umsatz der hiesigen Textil- und Bekleidungsindustrie mit ihren 1400 Unternehmen sowie 124.000 Beschäftigten sorgt für 147 Milliarden Euro Umsatz im Jahr - die Bekleidung macht davon immer noch 65 Milliarden Euro aus.
Berlin bildet jährlich neue junge Aushängeschilder auf. An Modeschulen wie dem Lette-Verein, Hochschulen wie der Universität der Künste oder dem Campus Weißensee. Für die einen sind die Ausdrucksformen der Absolventen mehr Kultur, aber die häufig selbständigen Modemacher sind gleichwohl auch Steuerzahler, Arbeitgeber und damit Wirtschaftsfaktor.
Für die jungen Designer und hungrigen aufstrebenden Modefirmen in Deutschland ist die zweimal im Jahr stattfindende Fashion-Week nämlich die ideale Plattform, um am Markt Fuß zu fassen. Eine Kollektion in Berlin zu präsentieren, kann den Durchbruch bedeuten. Immer wieder schaffen es deutsche Modeschöpfer wie etwa das Label „LalaBerlin" Kundinnen und mediale Aufmerksamkeit im Ausland zu erhaschen. Schon vor der deutschen Einheit gab es eine Art Arbeitsteilung zwischen der in Berlin einst bedeutenden Bekleidungsindustrie (mit ihren jüdischen Wurzeln rund um den Hausvogteiplatz vor dem Krieg) und den jungen Wilden, die sich etwa auf der Offline-Modemesse (bis 1990) auch den Endverbrauchern auf dem Berliner Messegelände als alternative Vermarktungs-Plattform präsentiert haben.
Von der Durchreise zur Offline - Wirtschaftsgeschichte Berlin
Die traditionelle Berliner Durchreise gibt es übrigens auch noch. Sie findet seit 1988 in der Fashion Gallery des alten Ullstein-Druckhauses statt - sie ist eine der ältesten Modemessen weltweit und zieht schon seit über 100 Jahren zweimal jährlich Tausende Fachbesucher und über 200 Aussteller an. Hier geht es freilich klassisch um Konfektion - also die Bekleidung von der Stange. Wodurch sich historisch Berlin von Paris sowie Mailand unterschieden hat früher - mit Konfektionsware und Pret-à-porter hier, Haute Couture da in Frankreich und Italien.