In dem veröffentlichten Bericht von Sonderermittler Robert Hur wird Biden als «wohlmeinender älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis» beschrieben. Zwar kommt Hur zu dem Schluss, dass in der Dokumenten-Affäre keine strafrechtliche Anklage gerechtfertigt sei. Biden habe allerdings als Privatperson „absichtlich geheime Materialien aufbewahrt und offengelegt“. Dass dies dennoch keine juristischen Konsequenzen haben wird, begründet der Ermittler unter anderem damit, dass Bidens Erinnerung während der Befragung „signifikant eingeschränkt“ gewesen sei.
Fehlende Erinnerung
Auf der Grundlage der Befragung des Präsidenten sei der Sonderermittler zu dem Ergebnis gekommen, dass es schwierig gewesen wäre, Geschworene davon zu überzeugen, ihn zu verurteilen. Biden habe in der Befragung nur über eine „verschwommene“ Erinnerung verfügt und etwa nachgefragt, wann genau er Vizepräsident gewesen sei. Ebenfalls vergessen habe er, wann genau sein Sohn Beau gestorben sei.
Ende 2022 waren Verschlusssachen aus Bidens Zeit als Barack Obamas Vizepräsident entdeckt worden, unter anderem in privaten Büroräumen in der Hauptstadt Washington sowie im Haus Bidens in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Da zu jener Zeit auch gegen Donald Trump ermittelt wurde, der als scheidender Präsident in viel größerem Ausmaß widerrechtlich Geheimdokumente mit in sein Domizil in Mar-a-Lago in Florida genommen hatte, entschied Garland seinerzeit, einen Sonderermittler einzusetzen – analog zum Vorgehen im Fall Trump.
Vor seinem Auftritt in Virginia veröffentlichte Biden eine Stellungnahme: „Dies war eine umfassende Untersuchung, die mehr als 40 Jahre zurückreicht, sogar in die 1970er Jahre, als ich ein junger Senator war“, schrieb er. Offenbar zur Erklärung seines fahrigen Auftretens in der Befragung durch den Sonderermittler fügte er hinzu: Seine Kooperationsbereitschaft mit der Justiz sei so groß gewesen, dass er sich am 8. und 9. Oktober vergangenen Jahres fünf Stunden habe befragen lassen, obwohl er zu dieser Zeit eine internationale Krise habe managen müssen. Gemeint war der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober.
Später betonte Biden, dass sein Gedächtnis „in Ordnung“ sei. „Ich meine, ich bin ein älterer Mann, und ich weiß, was zum Teufel ich tue. Ich bin Präsident und ich habe dieses Land wieder auf die Beine gebracht“. Der 81-Jährige war während seines Pressestatements sichtlich aufgebracht und beantwortete einige Fragen der anwesenden Medienvertreter, die ihn unter anderem kritisch zu seinem Alter, seiner geistigen Verfassung und Eignung für das Präsidentenamt befragten. Zu den von dem Sonderermittler angeführten angeblichen Erinnerungslücken mit Blick auf den Tod seines Sohnes sagte Biden: „Wie zur Hölle kann er es wagen, das aufzubringen?“ Als die Frage nach seinem Sohn in den Befragungen aufgekommen sei, habe er sich gedacht, das gehe den Sonderermittler nichts an, so der Demokrat weiter.
Empörte Demokraten
Auch Bidens Rechtsberater Richard Sauber kritisierte den Bericht: Man stimme „einigen ungenauen und unangemessenen Kommentaren im Bericht des Sonderermittlers nicht zu“, akzeptiere aber, dass die Entscheidung des Sonderermittlers auf „Fakten und Beweisen“ basiere. Verbündete Bidens in Washington im Kongress wiesen den Tenor des Berichts zurück: Nicht nur sei Bidens Verstand scharf. Auch seien die Erinnerungslücken nicht der Grund, warum keine Anklage erhoben werde. Hur behaupte das nur, weil er Republikaner sei, sagte etwa der Abgeordnete Dan Goldman.
Trump, der wegen der Entwendung von Verschlusssachen, der Weigerung, diese herauszugeben, und wegen Justizbehinderung in Miami angeklagt wurde, warf der Justiz vor, mit zweierlei Maß zu messen und selektiv vorzugehen. In einer schriftlichen Stellungnahme, die sein Wahlkampfteam verbreitete, behauptete der Republikaner, Bidens Fall sei schwerwiegender und „ungeheuerlich kriminell“.