Es ist der wichtigste Sachverständigenrat in Wirtschafts- und Finanzfragen Deutschlands - und nun scheint er heillos zerstritten zu sein. Vorgeblich geht es um einen Verhaltensverstoß der Wirtschaftsprofessorin Veronika Grimm von der Universität Erlangen-Nürnberg. Grimm soll in den Aufsichtsrat von Siemens-Energy berufen werden, was aus Sicht der anderen Wirtschaftsweisen jedoch „mögliche Interessenskonflikte" auslösen könnte.
Das Problem an dieser Argumentation: Es gibt eine derartige Compliance-Regel bisher überhaupt nicht, weshalb Grimm es auch rundweg ablehnt, auf das ihr angetragene Mandat zu verzichten. Ihre Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat sei „nicht zu beanstanden", ließ sie die anderen Ratsmitglieder wissen. Die anderen Mitglieder kündigten an, die Regeln dahingehend jetzt endlich schriftlich zu fassen - das sei längst überfällig, heißt es.
Die Sache hat sich jetzt allerdings hochgeschaukelt - und liegt nun bereits auf dem Tisch der Bundesregierung. Es kursiert eine Mail an Veronika Grimm, die Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt geschickt wurde und auch den beiden Ministern Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) vorliegt. Darin legen die anderen fünf Ratsmitglieder Grimm den Rücktritt nahe, sollte sie die Wahl bei Siemens Energy annehmen.
Auch gegenüber Joe Kaeser, dem Chef des Siemens Energy-Aufsichtsrats, habe man die Probleme bereits offen angesprochen. Siemens Energy soll Wasserstoff und alternative Stromquellen vorantreiben und hat unlängst eine Milliardenbürgschaft vom Bund erhalten. Angesichts der Bedeutung des Unternehmens beim Umbau der deutschen Energieversorgung und Wirtschaft könne es nicht sein, dass ein dermaßen exaltiertes Gremium wie der Rat der Wirtschaftsweisen in die Kritik geraten könnte, nicht unabhängig und neutral zu urteilen. Eine Sicht, die durchaus nachvollziehbar erscheint, jedoch offenbar den wahren Kern verschleiert.
Ein ehemaliges namentlich nicht genanntes Mitglied hat in einem Interview wörtlich erklärt: „Es geht offenbar darum, Veronika Grimm als kritische Stimme aus dem Rat herauszudrängen." Angeblich stehen sich insbesondere Schnitzer (von der Uni in München) und Grimm, die beide zeitglich 2020 von der Bundesregierung berufen worden, in ihren Ansichten mittlerweile diametral gegenüber. Eine Rivalität, die bisweilen ins Persönliche geht.
Drei Damen vom Grill: Mitglieder im Berater-Gremium heillos zerstritten?
Da mit Ulrike Malmendier von der School of Business im kalifornischen Berkeley eine weitere Wirtschaftswissenschaftlern in den Streit involviert scheint, könnte man auch flapsig von einem Zickenstreit sprechen, der nun auf offener Bühne ausgetragen wird. Doch auch die Mitglieder Martin Werding und Achim Truger haben sich offenkundig gegen Grimm in Stellung gebracht. Ein veritabler Richtungsstreit unter Ökonomen also, der Züge eines Rosenkrieges trägt.
Ganz unterhaltsam für die Panorama-Seite, doch angesichts der wirtschaftlichen Lage, in der sich Deutschland befindet, ein Streit zur Unzeit und in der Sache auch nicht nachvollziehbar. Seit wann müssen Wirtschafts-Experten alle der gleichen Meinung anhängen? Auch in der Vergangenheit war es längst nicht unüblich, dass Wirtschaftsweise als Aufsichtsräte in der deutschen Wirtschaft fungierten. Auch in der Monopol-Kommission sind derartige Doppel-Mandate nicht unüblich.
Prof. Grimm hat in letzter Zeit immer wieder einmal die Koalition für ihre "schwache Transformationspolitik" kritisiert. Sie steht inhaltlich auf Seiten Lindners in Sachen Schuldenbremse, hat diese jedenfalls explizit verteidigt - öffentlich. Malmendier, die von Kanzleramtsberater Jörg Kukies in den Rat gelotst wurde, ist derweil gegenteiliger Ansicht und bezeichnete die Kritik daran als "billig". Achim Truger als Vertreter der Gewerkschaften im Rat ist ohnehin auf Seiten der Subventions-Befürworter in Reihen der Koalition.
Man könnte sagen, das Veronika Grimm sich zunehmend kritisch mit rot-grünen Wirtschafts-Positionen auseinandersetzt, obwohl sie einst von Robert Habeck mit Unterstützung der SPD ins Amt gehievt wurde. Es geht offensichtlich um den Streit zwischen den sogenannten Marktwirtschaftlern und einem von SPD und Grünen favorisierten Interventionshandeln. Vor allem geht es wohl darum, staatstragend die Regierung Scholz gegen jegliche Kritik in Schutz zu nehmen und politisch zu stabilisieren.