Politik

„Ein Votum der FDP für Ursula von der Leyen sehe ich nicht“

Lesezeit: 4 min
22.02.2024 12:34
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Otto Fricke, macht im exklusiven DWN-Interview deutlich, wo die Probleme beim Haushalt 2025 liegen, warum Kürzungen beim Etat von Bundesarbeitsminister Heil aus seiner Sicht unerlässlich sind und weshalb er ein Votum der FDP für eine zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission nicht sieht.
„Ein Votum der FDP für Ursula von der Leyen sehe ich nicht“
Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke im DWN-Interview: Votum der FDP für Ursula von der Leyen sehe ich nicht. (Foto: dpa)
Foto: Bernd von Jutrczenka

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Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was sind die größten Herausforderungen für den Bundeshaushalt 2025?

Otto Fricke: Uns müssen beim Haushalt 2025 drei Ziele unbedingt gelingen: dass wir die Steuereinnahmen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln sowie die Zahl der Arbeitsplätze ausbauen. Das ist, wie gesagt, das absolute Minimalziel. Ohne die Erreichung dieser Ziele, werden wir es nicht schaffen, einen zukunftsgerichteten Haushalt aufzustellen.

DWN: Da aber, nach den bisherigen Bekundungen der FDP weder eine Ausweitung der Schulden durch irgendwelche Sondervermögen noch durch Steuererhöhungen dem Bundeshaushalt mehr Mittel zur Verfügung stehen werden, muss das Geld für Entlastungen der Wirtschaft von anderer Stelle herkommen.

Fricke: Das ist so. Zum einen gilt das Versprechen der FDP: Mit uns ist weder eine Ausweitung der Schulden noch eine Erhöhung von Steuern zu machen. Es wäre gut, wenn das auch in den Reihen der Koalitionspartner zur Kenntnis genommen würde. Es hat keinen Sinn, Diskussionen zu führen, die absehbar kein Ergebnis haben werden. In der Sache gilt es vor allem eines festzuhalten: Die finanziellen Spielräume für die Entlastung der Wirtschaft, die aus Sicht der FDP unerlässlich ist, ergeben sich am Ende nur aus vier Maßnahmen: weniger Bürokratie, Wirtschaftswachstum, Kürzungen im Haushalt und Streichen von Subventionen.

DWN: Welche Subventionen sollten denn gekürzt oder gar vollständig gestrichen werden?

Fricke (lachend): Wenn ich jetzt eine Subvention nennen würde, die man streichen sollte, würde ich mit meiner öffentlichen Äußerung nur dafür sorgen, dass diese nie gestrichen wird. Jede öffentliche Äußerung würde zur Folge haben, dass sich die Widerstände gegen die Streichung formieren. Denn es ist das Wesen einer jeden Subvention, dass diese mit Interessen verbunden ist. Alternativ können auch alle Subventionen um einen bestimmten Anteil gekürzt werden. Generell aber rate ich dazu, einen Blick in den aktuellen Subventionsbericht der Bundesregierung zu werfen.

DWN: Was sagt uns der Bericht?

Fricke: Dass wir gegenwärtig 138 Subventionsbestände mit Finanzhilfen in Höhe von mehr als 48 Milliarden Euro in den Büchern haben. Das heißt: Es gibt genug Möglichkeiten, an die Subventionen zu gehen und diese zu kürzen oder auch in dem ein oder anderen Fall komplett zu streichen. Allerdings, so wichtig das Zurückführen der Subventionen ist, wir kommen ohne Kürzungen im Sozialbereich nicht aus.

DWN: An welche Bereiche denken Sie in diesem Bereich konkret?

Fricke: Der größte Brocken im Haushalt ist der Einzelplan 11, der Etat für die Bereiche Arbeit und Soziales des Ministers Hubertus Heil. Der Kollege Heil, der innerhalb der SPD eine starke Stellung hat, hat es bisher gut verstanden, jede Kürzung in den Leistungsgesetzen zu verhindern. Das Problem dabei ist nur: Ohne Kürzung der Leistungsgesetze lässt sich so gut wie gar nicht im Einzelplan 11 sparen. Und damit fehlt uns am Ende jeder Spielraum, die Wirtschat zu entlasten. Am Ende ist das also eine rückwärtsgewandte Politik, die an dem festhält, was ist, statt zu versuchen, die Zukunft zu gestalten. Der Fairness halber aber sei´s gesagt, dass die teuersten Projekte im Sozialbereich der jüngeren Zeit – die abschlagsfreie Rente ab 63 und die sogenannte Mütterrente - in Zeiten der CDU-Kanzlerin Merkel eingeführt worden sind.

DWN: Die letzten durchgreifenden Reformen liegen ja auch ein ganzes gutes Stück zurück.

Fricke: Das ist leider so. Die Deutschen sind typische Angstreformer. Sie reformieren nur dann, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Seit den großen Arbeitsmarktreformen des Kanzlers Gerhard Schröder ist praktisch nichts passiert. Seine Nachfolgerin Angela Merkel hat die Dividende der Schröder-Reformen eingestrichen, selbst aber nichts gemacht. Die Quittung bekommen wir jetzt: im Bereich der Sozialpolitik, ganz deutlich aber auch in der Rentenpolitik.

DWN: Welche Versäumnisse sehen Sie im Bereich der Rentenpolitik.

Fricke: Spätestens seit Anfang der 1990er-Jahren war jedem klar, dass die klassische, umlagefinanzierte Rente auf Dauer nicht funktionieren kann. Ganz einfach, weil immer mehr Rentner von immer weniger Beitragszahlern finanziert werden müssen. Das war alles bekannt und wurde auch schon damals in der Union diskutiert, beispielsweise vom damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. Nur passiert ist eben nichts. Hätten wir damals angefangen, die umlagefinanzierte Rente auf ein kapitalgedecktes System umzustellen, müssten wir uns heute über die Rente weniger Sorgen machen und insbesondere nicht, wie jetzt, die Rente mit 117 Milliarden Euro im Jahr 2024 aus dem Bundeshaushalt querfinanzieren. Über 100 Milliarden, wohlgemerkt, die uns für die Gestaltung der Zukunft fehlen.

DWN: Sie fangen jetzt mit der Einführung der Aktienrente an…

Fricke: …gegen manche Widerstände auch in den eigenen Reihen. Besonders das Wirtschaftsministerium war da wenig kooperativ.

DWN: Mit welchen Argumenten hat sich das Ministerium gegen die Aktienrente gestellt?

Fricke: Es waren die altbekannten Einwände: dass mit sinkenden Aktienkursen auch Geld vernichtet werde oder auch, dass man vom Wachstum in anderen Ländern profitiere, da ja das Geld des Aktienfonds nicht nur in Deutschland angelegt werde.

DWN: Aber was ist denn dagegen einzuwenden, dass deutschen Rentner vom Wachstum anderer Länder profitieren?

Fricke: Das müssen Sie das Wirtschaftsministerium fragen, ich habe die Argumentation jedenfalls bis heute nicht verstanden.

DWN: In diesen Tagen werden die Weichen für eine weitere Amtszeit von Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission gestellt. Es wird davon ausgegangen, dass auch die Bundesregierung eine zweite Amtsperiode von der Leyens unterstützt. Ist dem so?

Fricke: Eine Bemerkung vorweg: Ich persönlich schätze Frau von der Leyen. Jedoch wüsste ich nicht, warum die Liberalen eine zweite Amtszeit von ihr unterstützen sollten. Bisher hat sie in Brüssel das Gegenteil von dem gemacht, wofür Liberale stehen. Sie hat die Bürokratie und die Kosten aufgebläht. Sie ruft ständig nach neuen Mitteln, statt den Wildwuchs in ihrer Behörde zu beschneiden. Ich sehe das Votum der FDP für Frau von der Leyen nicht.

DWN: Ein Letztes: Gerade entzündet sich ein Streit um das sogenannte Demokratiefördergesetz. Es wird der FDP vorgeworfen, dass sie das Gesetz blockiere.

Fricke: Die Verhandlungen zu diesem Gesetz laufen derzeit. Wir setzen uns dafür ein, dass das Gesetz nicht ein einseitiges Förderprogramm für Organisationen wird. Für uns ist ein klares Bekenntnis gegen Extremismus von allen Seiten entscheidend. Wer der Pluralität unserer Demokratie gerecht werden will, muss diesem auch in dem Gesetz Rechnung tragen.


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