Politik

"Zeit läuft davon": Wirtschaft fordert von Scholz schnelle Entlastungen und Reformen

Die deutsche Wirtschaft klagt über hohe finanzielle Belastungen und andere Wachstumshemmnisse. Der Forderungskatalog der Verbände an den Kanzler im Rahmen des heutigen Spitzentreffens war umfangreich. Doch Scholz reagierte Teilnehmern zufolge ausweichend.
01.03.2024 18:30
Lesezeit: 2 min
"Zeit läuft davon": Wirtschaft fordert von Scholz schnelle Entlastungen und Reformen
Bundeskanzler Olaf Scholz (r) spricht beim Spitzentreffen mit den Wirtschaftsverbänden, BDI-Präsident Siegfried Russwurm (l) scheint wenig begeistert. (Foto: dpa) Foto: Sven Hoppe

Mit einem gemeinsamen Zehn-Punkte-Programm fordern die vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung zu raschen finanziellen Entlastungen und weiteren Reformen auf. Dies alles sei nötig, "um Vertrauen zurückzugewinnen und den Standort Deutschland zu stärken", heißt es in dem Forderungskatalog des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Die vier Spitzenverbände legten das Papier am Freitag zu ihrem alljährlichen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande der Handwerksmesse in München vor.

Spitzenverbände mit umfangreichen Forderungen

Konkret fordert die deutsche Wirtschaft unter anderem: International konkurrenzfähige Strompreise, eine grundlegende Steuerreform mit niedrigeren Unternehmensteuern, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie, Investitionen in die Infrastruktur, eine ausreichende Fachkräftesicherung sowie Strukturreformen in allen Bereichen der Sozialversicherung, um Unternehmen zusätzlich finanziell zu entlasten. Zudem warnen die Spitzenverbände davor, langfristig ein Mindestrentenniveau von 48 Prozent festzuschreiben, weil dies die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung weiter verschärfen würde.

Innerhalb einer großen Steuerreform fordern die vier Spitzenverbände die Einführung einer dauerhaften Investitionsprämie, verbesserte Abschreibungsbedingungen und die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Ziel müsse eine Senkung der Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland auf maximal 25 Prozent sein, heißt es in dem Papier. Hierzu müsse unter anderem der Solidaritätszuschlag aus Sicht der Unternehmen vollständig abgeschafft werden. Ein weitere Kernpunkt im Forderungskatalog ist die Senkung von Strom- und Energiesteuern für alle Unternehme auf das europäische Mindestmaß.

"Uns läuft die Zeit davon"

Angesichts der schwachen Konjunktur und der schlechten Stimmung in vielen Unternehmen fordert die deutsche Wirtschaft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu raschem Handeln und finanziellen Entlastungen auf. "Uns läuft die Zeit davon. Wir stehen im Wettbewerb global. Wir sind auf allen volkswirtschaftlichen Statistiken jetzt auf den letzten Plätzen", warnte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Freitag vor Beginn des Spitzentreffens im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Es brauche dringend Entlastungen für die Wirtschaft - und zwar schnell. "Jetzt geht es darum, Aktion zu zeigen, also nicht mehr nur zu reden, sondern wirklich kurzfristig Dinge zu verändern und die Möglichkeit für die Wirtschaft zu schaffen, wieder zu wachsen", sagte Russwurm. "Wir müssen schnell für Verbesserungen sorgen", mahnte Russwurm. "Auch eine andere Steuergesetzgebung könnte man, wie wir meinen, zügig umsetzen. Aber es zieht sich alles in Deutschland."

Leider würde es bei viele angekündigte Maßnahmen zu lange bis zur Umsetzung dauern. Das Wachstumschancengesetz zum Beispiel sei eine Schlussfolgerung aus der Kabinettsklausur im August letzten Jahres - jetzt hänge es wieder in der Diskussion zwischen Bundestag und Bundesrat. "Und dann reden wir über neun Monate verbesserte Abschreibung auf geringwertige Güter vom 1. April bis zum 31. Dezember - das ist ja eigentlich lächerlich und zeigt, dass wir viel zu viel Zeit verlieren in der Diskussion."

Scholz weicht Forderungen aus

Das Treffen ging letztendlich ohne neue Ankündigungen oder konkrete Annäherungen zu Ende. Bundeskanzler Scholz betonte anschließend zwar, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit seien zentral für die Bundesregierung und deren Handeln. Er verteidigte deshalb das geplante Wachstumschancengesetz, das "sehr relevante, wachstumsfördernde Maßnahmen" enthalte. Weitergehende finanzielle Zusagen an die deutsche Wirtschaft, die seit langem umfassendere Steuer- und Abgabensenkungen fordert, vermied er aber. Laut Aussagen von Teilnehmern sorgte es für Verärgerung in der Runde, dass Scholz nicht auf die konkreten Forderungen der Wirtschaftsverbände in deren Zehn-Punkte-Papier eingegangen sei.

BDI-Präsident Russwurm sagte nach dem Gespräch, man habe vom Kanzler wenig Neues erfahren. "Das kannten wir alles schon." Angesichts der trüben Wachstumsprognosen brauche es eigentlich einen "echten Kraftakt", um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, fordert er. "Die Unternehmen wünschen sich von der Bundesregierung eine klare Wachstumsagenda, und zwar eine, die über eine Legislaturperiode hinaus trägt." (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stromsteuersenkung: Wirtschaftsverbände kritisieren Merz für gebrochene Zusage
04.07.2025

Die Entscheidung der Bundesregierung zur Stromsteuersenkung sorgt für Aufruhr. Wirtschaftsverbände fühlen sich übergangen und werfen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China-Zölle auf EU-Weinbrand kommen nun doch – das sind die Folgen
04.07.2025

China erhebt neue Zölle auf EU-Weinbrand – und das mitten im Handelsstreit mit Brüssel. Betroffen sind vor allem französische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaspreise steigen wieder: Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet
04.07.2025

Nach einem deutlichen Preisrückgang ziehen die europäischen Gaspreise wieder an. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet –...

DWN
Panorama
Panorama Schwerer Flixbus-Unfall auf der A19 bei Röbel: Was wir wissen und was nicht
04.07.2025

Ein Flixbus kippt mitten in der Nacht auf der A19 bei Röbel um. Dutzende Menschen sind betroffen, ein Mann kämpft ums Überleben. Noch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Solarausbauziel in Deutschland bis 2030 zur Hälfte erfüllt
04.07.2025

Deutschland hat bereits einen großen Schritt in Richtung Solarenergie gemacht – doch der Weg ist noch weit. Trotz beachtlicher...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...